Sport

Alles verboten, Pistolen erlaubt Dunkler Schatten des Terrors legt sich über den Super Bowl

Vor dem Super Bowl vermischen sich auf der Bourbon Street bewaffnete Mitglieder der Nationalgarde und Party-Touristen.

Vor dem Super Bowl vermischen sich auf der Bourbon Street bewaffnete Mitglieder der Nationalgarde und Party-Touristen.

(Foto: picture alliance / newscom)

Maschinengewehre, tonnenschwere Barrieren, Tausende Polizisten: New Orleans riegelt nach dem Terroranschlag das French Quarter zum Super Bowl ab. Das Party-Viertel wird zu Absurdistan, weil wummernde Bässe und die Stille des Todes miteinander konkurrieren. Und dann sind da noch die Waffen-Regeln.

Maschinengewehre neben Teddybären. Nationalgarde neben betrunkenen NFL-Fans. Wummernde Party-Musik neben der Stille des Todes. Die Welt zu Gast in Absurdistan. Als Krönung: Strikte Sicherheitsmaßnahmen verbieten fast alles - aber das Tragen von Schusswaffen ist erlaubt. Was ist da los?

Dieser Super Bowl ist kein gewöhnlicher. Das NFL-Spektakel, die größte Sport-Show der Welt, findet vor dem Hintergrund des Terroranschlags in New Orleans am Neujahrstag statt, als ein amerikanischer Ex-Soldat mit einem Auto in die touristische Party-Straße Bourbon Street fährt und 15 Menschen in den Tod reißt und Dutzende verletzt. Der Täter hat eine IS-Flagge bei sich. Dieser dunkle Schatten des Terrors legt sich nun über das große Endspiel.

An der Bourbon Street ist nichts wie vorher. Und irgendwie doch. Zu erleben ist eine absurde Mischung von Angst und Ekstase. Von Sicherheitsmaßnahmen und Saufgelage. Direkt am Eingang der von Gebäuden im kreolischen Stil gesäumten Straße (ein in New Orleans entwickelter Architekturstil, der französische, spanische und karibische Einflüsse miteinander verschmelzen lässt) im berühmten French Quarter erinnert an der Stelle des Terrors ein Schrein aus Blumen, Erinnerungsstücken - unter anderem ein rosa Teddybär - und Worten an den Anschlag.

Rapperin Cardi B trinkt Shots mit Fans

Beth schaut sich die Briefe für die Verstorbenen an und erzählt ntv.de, wie sie am Morgen des Anschlags schockiert die Warn-App auf ihrem Handy sieht. "Zahlreiche Opfer, bleiben Sie fern", steht da, sagt die 51-Jährige, deren Großvater schon im French Quarter gewohnt hat. Unmittelbar vor dem Schrein sichern massive Sicherheitsblöcke die Straße ab. Mehrere gepanzerte Militärwagen und Polizeiautos blockieren den Eingang zusätzlich. Die bewaffnete Nationalgarde checkt jeden, der Zutritt will.

Doch dahinter flackern grelle Reklameschilder von den unzähligen Bars und Clubs. Es herrscht ausgelassene Stimmung. Ballermann ist nichts dagegen. Am Freitag mischt sich sogar Superstar-Rapperin Cardi B unter die Massen und trinkt Shots mit Fans der Kansas City Chiefs und Philadelphia Eagles. Ein paar Ecken weiter gibt es eine Table-Dance-Bar und leicht bekleidete Frauen rufen die Touristen herein.

"Ein paar Tage lang war hier alles abgesperrt und alle hatten Angst", sagt Beth. Ziemlich schnell sei dann aber wieder Normalität eingekehrt. Die Partymeile würde von Einwohnern über 20 Jahre aber ohnehin gemieden und fast ausschließlich von Touristen besucht. Heute tragen diese rote und grüne Football-Trikots und halt riesige Bier-Becher mit der Aufschrift "Big-Ass-Beers" in der Hand, denn Alkohol ist in den ansonsten strikten USA auf der Bourbon Street erlaubt.

Auch verdeckte Waffen sind kein Problem

Sechs Jahre Planung, Infrastrukturverbesserungen und eine 560 Millionen Dollar teure Renovierung des Caesars Superdome: Am Montag ruft Bürgermeisterin LaToya Cantrell ein festliches - und sicheres - Erlebnis aus. Nach dem Terroranschlag umfassen die endgültigen Sicherheitspläne auch die neu befestigte Sicherheitszone im French Quarter. Auf der Partymeile, die gleichzeitig ein Erinnerungsort an den Anschlag und ein Ort der Trauer für Familien, Angehörige und Freunde ist.

Auf der Pressekonferenz zur öffentlichen Sicherheit am Montag beschreibt die leitende Sicherheitsbeauftragte der NFL, Cathy Lanier, den "Sicherheitsschirm" ihres Teams als "den sichersten Ort an diesem Wochenende". Sie und ihre Kollegen, darunter Kristi Noem, Donald Trumps Ministerin für Heimatschutz, und der leitende FBI-Sonderermittler Stephen Cyrus gehen die Sicherheitsmaßnahmen durch, die seit dem Angriff verstärkt wurden: 350 Nationalgardisten und mehr als 2000 Polizeibeamte vor Ort, eine verstärkte Absperrung des French Quarter mit Kontrollpunkten und Durchsuchungen sowie sieben Tonnen schwere Barrieren auf und rund um die Bourbon Street.

Auf der Partymeile und rund um das Stadion ist fast alles verboten: zu große Rucksäcke? Lieber zu Hause lassen oder in mobilen Schließfachwagen verstauen. Drohnen? Strickt untersagt, Strafen bis zu 75.000 US-Dollar drohen. Bei den sommerlichen Temperaturen beliebte Kühlboxen? Auf keinen Fall, kauft euer Bier in den Bars. Schusswaffen? Klar, kein Problem. Bringt mit. Verdeckt ist auch absolut in Ordnung.

French-Quarter-Bewohnerhin Beth schüttelt bei dem Thema nur verzweifelt den Kopf. Louisianas Gouverneur Jeff Landry aber verteidigt auf der Sicherheitspressekonferenz am Montag die Waffen-Erlaubnis. "Wo das verdeckte Tragen erlaubt ist, sind die Orte viel sicherer", sagt der Republikaner. "Wir haben uns sehr bemüht, mit der von uns erarbeiteten Durchführungsverordnung die in diesem Staat verankerten Freiheiten und verfassungsmäßigen Rechte in Einklang zu bringen und gleichzeitig sicherzustellen, dass wir über genügend Sicherheit verfügen, um unsere Bürger zu schützen."

Schüsse auf der letzten Super-Bowl-Parade

New Orleans ist Teil einer wachsenden Liste von US-Städten, die von staatlichen Gesetzgebern, die eine Regulierung von Waffen ablehnen, in die Knie gezwungen werden. Die örtliche Polizei und Politik versucht im vergangenen Jahr, ein Waffenverbot wenigstens für den Super Bowl und das trinkfreudige French Quarter durchzusetzen. Vergeblich.

In Louisiana ist es Erwachsenen seit dem vergangenen Sommer sogar erlaubt, Waffen ohne Genehmigungspapiere oder jegliches Training mit sich zu führen. Das demokratisch regierte New Orleans kann kein eigenes Gesetz zum Verbot von Waffen einführen, weil Louisiana einer von 45 US-Bundesstaaten mit Gesetzen ist, die Städte daran hindern, strengere Waffengesetze als die auf Bundesstaatsebene verabschiedeten durchzusetzen. Dazu gehören alle Südstaaten, wo Waffengewalt am stärksten verbreitet ist und die Gesetzgeber auf Bundesstaatsebene am meisten gegen Waffeneinschränkungen sind. Als die University of Louisiana im vergangenen Jahr Schilder aufstellt, die Waffen in der Nähe ihres Wissenschaftsmuseums in der Innenstadt verbieten, da dieses als Schulgelände ausgewiesen ist, hält das Verbot nur ein paar Wochen an. Nachdem ihr eine Klage der Gun Owners of America - eine Gruppe rechts von der National Rifle Association, der die NRA zu liberal ist - angedroht wird, lenkt die Uni ein.

9e485b43742f1c5a97dca6409e62f47dba0fe9bec3c4af648cb045f4d361a028.png

Beth würden auf der Bourbon Street beängstigende Gedanken in den Kopf schießen, wenn ein Mann mit Pegel plötzlich mit seiner Pistole herumfuchtelt. Etwa an den einen oder anderen der beinahe schon unzähligen Schusswaffen-Anschläge in den USA der vergangenen Jahre. Oder konkreter: Die 51-Jährige erinnert an die letzte Schießerei im Zusammenhang mit dem Super Bowl, die nicht mal ein Jahr her ist: Letzten Februar gibt es in Kansas City, Missouri, bei der Parade der Chiefs nach dem Sieg im Endspiel, eine Tote und 21 Verletzte, weil bei der Feier verschiedene Gruppen Waffen dabeihaben und aneinander geraten.

Donald Trump und Absurdistan

Immerhin: Es ist verboten, Waffen in Geschäfte oder Gastronomie mit Alkoholausschank mitzubringen. Auch in den Superdome dürfen Fans sie nicht mitbringen. Zu sehen sind in der Bourbon Street nur die Maschinengewehre der Nationalgarde. Viele der Guards sind blutjung und versuchen extra erwachsen, wachsam und professionell dreinzublicken. Andere sitzen auf den massiven Metallbarrieren und gähnen, während nebenan ein Mann vor dem Gedenkort des Anschlags niederkniet. Der dunkle Schatten des Terrors hat viele Formen in New Orleans.

Am Nachmittag fliegt dann Donald Trump ein, der als erster amtierender US-Präsident jemals einen Super Bowl besuchen wird. Absurdistan und Sicherheitsmaßnahmen werden damit noch einmal auf ein neues Level gehoben.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen