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Commanders-Rookie Jayden Daniels Ein Quarterback-Kid bringt Washington zum Beben

Daniels ist in Washington voll eingeschlagen.

Daniels ist in Washington voll eingeschlagen.

(Foto: AP)

Die Welt schaut nach Washington. Amerika wählt Dienstag ein neues Staatsoberhaupt. Auch sportlich gehen die Blicke in die US-Hauptstadt - auf das überraschend gute NFL-Team. Da lässt vor allem ein Rookie die Herzen höher schlagen.

Donald Trump oder Kamala Harris? Wer regiert künftig in Washington? Zieht der 78-jährige Präsidentschaftskandidat der Republikaner zum zweiten Mal ins Weiße Haus ein oder wählt Amerika erstmals eine Frau zum Staatsoberhaupt? Fragen, die nicht nur die USA bewegen, sondern die ganze Welt. Allerdings auch Fragen, die frühestens in der Nacht zum Mittwoch geklärt werden.

Für die Washington Commanders indes wird es schon heute die Antwort darauf geben, ob der Verein den erfolgreichsten Saisonstart seit 1996 schafft? Ein Sieg bei den New York Giants und Washington hätte tatsächlich eine 7:2-Startbilanz. Wer hätte das gedacht? Denn diese Saison galt in der US-Hauptstadt als eine des Neuaufbaus. Die Talfahrt unter Trainer Ron Rivera sollte endlich gestoppt werden. Deshalb hatten sie bei den Commanders den ganz großen Besen rausgeholt, alle Entscheidungsträger entlassen und ihre Positionen neu besetzt.

In Washington ist alles neu

Neuer Trainer (Dan Quinn), neuer Manager (Adam Peters), neuer Offensive Coordinator (Kliff Kingsbury), neuer Defensive Coordinator (Joe Whitt Jr.), zahlreiche weitere Neubesetzungen im Front-Office - und, natürlich, mit Jayden Daniels, ein neuer Quarterback. Der 23-Jährige sollte das erste große Puzzleteil der Ära Quinn/Peters sein. Deshalb hatten sie den Kalifornier bei der Talenteverteilung Draft im Frühjahr an zweiter Stelle ausgewählt.

Nun ist ein früher Draft Pick natürlich immer mit viel Hoffnung verbunden. Hoffnung auf bessere, erfolgreichere Zeiten, auf Playoffs und vielleicht, irgendwann mal, sogar auf Super-Bowl-Siege. Doch so etwas braucht Geduld und Zeit. Denn, so will es das um Parität bemühte Profisport-System in Nordamerika, die schlechtesten Teams bekommen die größten Talente. Und weil diese frühen Draft Picks nun mal zu den Klubs aus dem NFL-Keller kommen, gehört es eben auch zu ihrer Rolle, sich zunächst einmal an viele Niederlagen gewöhnen zu müssen - und daraus zu lernen, um besser zu werden.

"Brodelnder Start" der Commanders

Doch dieser Jayden Daniels geht nicht mit hängendem Kopf vom Platz, er muss in den Pressekonferenzen kaum über Niederlagen sprechen oder sich über Anfänger-Fehler ärgern. Nein, dieser Jayden Daniels jubelt, strahlt, siegt. Er hat bereits innerhalb von zwei Monaten für bessere Zeiten in Washington gesorgt. Natürlich nicht nur er, aber er ist, zusammen mit Coach Quinn, das Gesicht dieser Commanders, die sechs von acht Spielen gewonnen haben. Eine Bilanz, die so erfreulich aufgenommen wurde, wie nach einem langen Winter die alljährliche Kirschblüte Ende März rund um den Tidal Basin im Herzen der Hauptstadt. In der "Washington Post" war von einem "brodelnden Start" zu lesen.

Bereits bei seinem NFL-Debüt (20:37-Niederlage in Tampa) hatte Daniels Liga-Geschichte geschrieben - als erster Quarterback, der mehr als 80 Yards Raumgewinn erlief und zudem zweimal den Football für Touchdowns in die gegnerische Endzone getragen hatte. Zwei Wochen später folgte der nächste historische Auftritt. Beim 38:33-Sieg in Cincinnati kamen 91,3 Prozent (21/23) seiner Pässe beim Mitspieler an - neuer Rookie-Liga- und zugleich Vereinsrekord. Und im vierten Spiel des Septembers landeten 26 von 30 Anspielen beim Adressaten (86,67 Prozent).

Rekorde, Bestmarken, Daniels

Eine Passquote von mehr als 85 Prozent in zwei aufeinanderfolgenden Partien - das hatte es zuvor in der Liga noch nicht gegeben. Und auch seine "Completion percentage" von 82,1 Prozent in den vier Matches des ersten Saison-Monats waren reine Utopie gewesen. Bis jetzt. Die Frage nach dem "Rookie of the Month" erübrigte sich selbstverständlich im September nach Daniels denkwürdigen Darbietungen.

Und im Oktober machte er genauso weiter. Washingtons Quarterback-Kid ist der erste Liganeuling, der in seinen ersten fünf Spielen die Marken von 1000 Passing Yards und 250 Yards im Laufspiel durchbrach. Am siebten Spieltag zog sich Daniels gegen die Carolina Panthers eine schmerzhafte Rippenverletzung zu. Er habe anschließend viele Stunden und Tage verbracht, um für die Heimpartie gegen die Chicago Bears fit zu werden, so Daniels. Der Aufwand hatte sich gelohnt. Denn wer ihn bis zum vergangenen Sonntag noch nicht so richtig wahrgenommen hatte, der kennt ihn jetzt. Garantiert.

"Madhouse in Maryland"

Das Spiel war zunächst einmal das Aufeinandertreffen mit Chicago-Quarterback Caleb Williams, der im Frühjahr bei der Draft an erster Stelle von den Bears verpflichtet wurde, eher Washington sich Daniels sicherte. Das hatte schon mal was. Doch das Spiel wurde dann - dank Daniels - zum "Madhouse in Maryland." Wer unter diesem Begriff im Internet sucht, wird sofort fündig - und sieht einen unglaublichen Pass dieses jungen Playmakers, der aus einer vermeintlichen Niederlage mit einem Verzweiflungswurf in den Schlusssekunden doch noch einen Sieg machte.

12:15 lag Washington zurück. Es waren noch zwei Sekunden auf der Spieluhr und die Commanders in ihrer eigenen Hälfte - und somit zu weit weg für ein Field Goal, das im Erfolgsfall drei Punkte gebracht und das 15:15 bedeutet hätte. Nun ist es in der NFL so, dass ein Spielzug nicht mit Ablauf der Spieluhr vorbei ist, sondern erst, wenn die Aktion tatsächlich beendet ist.

Aufgrund der Distanz zur Bears-Endzone war Laufspiel keine Option. Es gab nur eine Möglichkeit, dieses Spiel doch noch zu gewinnen: Hail Mary. Ein weiter Wurf und die Hoffnung, dass irgendein Mitspieler den Ball zum Touchdown fängt. Laut ESPN war in den vergangenen zehn Jahren "rund einer" von zwölf solchen Pässen erfolgreich. Jayden Daniels Quote liegt bei 100 Prozent.

"Verrücktester Spielzug der bisherigen Saison"

Er guckte, er suchte eine Anspielstation. Und weil er sie nicht fand, guckte er weiter, lief zunächst rund zehn Meter nach rechts, dann zurück. Seine Offensive Line gab ihm die Zeit dafür, ließ keinen gegnerischen Verteidiger an ihn herankommen. Und 13 Sekunden nach dem Snap, nach all dem Gucken, Suchen und Umhertänzeln, holte Daniel an der eigenen 35-Yard-Linie mit seinem rechten Arm ganz mit aus und schleuderte den Football mit voller Kraft und vor allem ganz viel Hoffnung 52 Yards in Richtung Bears-Hälfte.

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Unter Mithilfe einer tölpelhaften Gästeverteidigung landete der Ball tatsächlich in der Endzone in den Händen von Commanders-Wide-Receiver Noah Brown. Touchdown und 18:15-Sieg Washington. Die NFL nannte die Aktion auf ihrem X-Account "den verrücktesten Spielzug der bisherigen Saison." Es folgten Szenen, wie sie normalerweise nach dem Ende des Super Bowl zu sehen sind. Wenn ein Team Meister ist. Pure Ekstase. Reine, ungefilterte Emotionen. Weit aufgerissene Münder und Augen. Ungläubiger Jubel. Etliche ist-das-gerade-wirklich-passiert-Blicke. Oder auch einfach: Holy Fuck!!!

Nicht länger Prügelknabe und Fußabtreter

"Commanders, es ist nie vorbei, bis die Spieluhr Null zeigt", meinte Wide Receiver Terry McLaurin noch auf dem Spielfeld in einer Botschaft an die Fans. "Wir kämpfen immer weiter, immer weiter, sind eine eingeschworene Truppe", meinte Daniels und wurde gar martialisch: "Ich würde mit niemand anderem in den Krieg ziehen wollen, als mit diesem Team." Die Rippenverletzung, das war ihm bei diesen Worten anzumerken, machte ihm noch immer zu schaffen. Aber Siege sind bekanntlich die beste Medizin.

Es macht den Anschein, als könnten diese Commanders derzeit kaum verlieren. Oder andersherum, dass bei ihnen alles zusammenkommt. Können, Einstellung, Einsatz - und eben auch das nötige Glück. Sie waren jahrelang der Prügelknabe der NFC East. Der Fußabtreter für die Divisionsrivalen New York Giants, Philadelphia Eagles und Dallas Cowboys. Spiele gegen Washington waren für das Trio oft fest eingeplante Siege. Doch nicht mehr im Herbst 2024. Washington hat sich gewandelt. Die dunklen Jahre scheinen vorbei zu sein. Die Zukunft sieht vielversprechend aus. Ob dies auch für die Politik gilt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

Quelle: ntv.de

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