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Rekord, Rache, Pathos & Politik Ein WM-Finale, wie es perfekter nicht sein könnte

Mark Telea (l.) und seine Neuseeländer wollen sich an Südafrika für die historische Klatsche vor der WM rächen.

Mark Telea (l.) und seine Neuseeländer wollen sich an Südafrika für die historische Klatsche vor der WM rächen.

(Foto: dpa)

Bei der Rugby-Weltmeisterschaft kommt es im Finale zum Gigantenduell zwischen Neuseeland und Südafrika. Im Showdown der erbitterten Rivalen geht es aber um mehr als nur diesen einen Titel. Einen Favoriten in diesem Fight auszumachen, ist nahezu unmöglich.

Eine letzte Hymne, ein letzter Haka, und am Ende ein Rekord? Mit dem Finale der Rugby-WM endet für Ian Foster eine Reise, die an Turbulenzen kaum zu überbieten ist. "Man hätte kein besseres Drehbuch schreiben können", sagte der Trainer von Neuseelands berühmten All Blacks. Foster stand vor einem Jahr mehrfach kurz vor dem Rauswurf, rettete seinen Job, doch nach dem Endspiel ist trotzdem Schluss. Kurz vor Beginn der WM kassierte er auch noch die höchste Niederlage in der Geschichte der All Blacks. Und überall spielte der Final-Gegner Südafrika eine entscheidende Rolle.

"Diese Leistung nimmt uns den Druck. Niemand wird nun auf uns setzen, was ganz schön ist", sagte Foster nach dem 7:35 gegen Südafrika. Die historische Klatsche setzte es nur zwei Wochen vor dem WM-Auftakt und zudem zu einer Zeit, als man in Neuseeland dachte, das Schlimmste bereits hinter sich zu haben. Fünf von sechs Spielen hatte man zwischen November 2021 und August 2022 verloren. Eine ungeheuerliche Serie für die All Blacks, deren Status in der Heimat weit über den einer Sportmannschaft hinausgeht.

Eine völlig unerwartete Auferstehung

Als man in einem Testspiel in Südafrika kurz vor dem Ende erneut zurücklag, war das Aus von Foster im Prinzip besiegelt. Doch ein erstaunliches Comeback mit zwei Versuchen in den letzten sieben Minuten beendete Neuseelands Alptraum-Serie und der 58-Jährige durfte im Amt bleiben. Allerdings auf Zeit, denn im März wurde öffentlich, dass bereits Scott Robertson als Nachfolger für die Zeit nach der WM gefunden wurde.

Ausgerechnet bei seinem letzten Tanz am Samstagabend (21 Uhr/ProSiebenMaxx) im Pariser Stade de France kann Foster sich unsterblich machen. Er könnte Neuseeland zum vierten WM-Triumph führen und damit vor Südafrika zum alleinigen Rekordweltmeister machen. Eine Chance, die nach der Niederlage zum WM-Auftakt gegen Gastgeber Frankreich die meisten Experten für minimal gehalten hatten. Brisanz birgt auch der Fakt, dass der Sieger zum alleinigen Rekordweltmeister aufsteigt: Beide Nationen gewannen die seit 1987 ausgetragene WM dreimal.

Will Jordan kämpft um Rekord

Doch nicht nur für Foster geht es um den Eintrag in die Geschichtsbücher. Flügelspieler Will Jordan erzielte bei dieser WM bereits acht Versuche und zog mit den Rekordhaltern Jonah Lomu, Julian Savea (beide Neuseeland) und Bryan Habana (Südafrika) gleich. Da Jordan erst 25 Jahre alt ist, wackelt sogar die WM-Bestmarke von Legende Lomu. Der 2015 verstorbene All Black erzielte 15 WM-Versuche in seiner Karriere.

Die Bilanz aus 102 Jahren und 105 Partien spricht derweil recht deutlich für die "Götter in Schwarz" (62 Siege, 4 Remis, 39 Niederlagen). Einige dieser Duelle blieben für die Ewigkeit. Als die Neuseeländer 1976 für eine Länderspielserie trotz des herrschenden Apartheid-Regimes nach Südafrika reisten, forderten viele afrikanische Länder das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf, Neuseeland von Olympia in Montreal auszuschließen. Das IOC gab nicht nach, 16 Staaten aus Afrika boykottierten daraufhin die Spiele.

Vier Jahre nach dem Ende der Apartheid 1991 fand die Rugby-WM in Südafrika statt. Es war ein historischer Moment, traten die Springboks doch erstmals mit weißen und schwarzen Spielern an. Das Turnier sollte das zerrüttete Land einen. Und das gelang. Die Gastgeber gewannen in einem hochdramatischen Endspiel gegen Neuseeland mit 15:12 nach Verlängerung. Die Bilder, wie Präsident Nelson Mandela im grün-gelben Trikot dem blonden Kapitän Francois Pienaar gratulierte, gingen um die Welt. "Als der Abpfiff ertönte, veränderte sich das Land für immer", sagte Pienaar damals nach dem großen Duell in Johannesburg. Fast anderthalb Jahrzehnte später wurde in Hollywood der Film "Invictus" über das Spiel gedreht. Morgan Freeman und Matt Damon spielten die Hauptrollen, Clint Eastwood führte Regie.

"Du debütierst zweimal für die Springboks"

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Ein Erbe der Entwicklung ist Siya Kolisi. Vor fünf Jahren wurde er zum ersten schwarzen Kapitän Südafrikas ernannt, ein Jahr später gewann er mit seinem Team in Japan eher unerwartet den dritten WM-Titel. Am Samstag führt er die Südafrikaner erneut auf das Feld und stellt sich vor dem Anpfiff mit seinen Mitspielern dem Haka, dem maorischen Kriegstanz, den die All Black vor jedem Spiel zeigen. Kolisi kann Geschichte schreiben: Als erst zweiter Kapitän nach Neuseelands Richie McCaw könnte der 32-Jährige seinen zweiten WM-Titel gewinnen. "Wir wissen, dass sich viele Fans die Reise hierher nicht leisten können. Doch jede Nachricht, jedes Video, was wir geschickt bekommen, macht uns stärker", sagte Kolisi. "Hoffentlich können wir den Titel wieder holen."

"Es wird geil, Mann", sagte Neuseelands Kapitän Sam Cane: "Das Team kann es kaum erwarten." Eine größere Rivalität als die der beiden Großmächte gibt es in der Rugby-Welt eben nicht, auch Südafrikas Ikone John Smit fasste das in Worte. "Du debütierst zweimal für die Springboks", sagte der Weltmeister von 2007: "Dein erstes Debüt ist das erste Spiel für Südafrika. Dein zweites ist die erste Partie gegen die All Blacks."

Quelle: ntv.de, tno/dpa/sid

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