Hässlicher Sieg Gold wert? Horror-Halbzeit schreckt deutsche Weltmeister bei EM auf
07.09.2025, 06:33 Uhr
Drei Viertel lang tut sich Deutschland im EM-Achtelfinale gegen den krassen Außenseiter Portugal mächtig schwer. Erst dann kommt der Basketball-Weltmeister ins Laufen. Der schwer erkämpfte Sieg könnte sich als Segen erweisen.
"Was soll ich sagen, ein Spiel sollte nur 30 Minuten dauern", flachste ein zufriedener portugiesischer Coach Mário Gomes nach der Niederlage seiner Mannen gegen den großen Favoriten. "Der Tank war am Ende leer, Deutschland ist eben Deutschland. Sie sind nicht von ungefähr Weltmeister." Drei Viertel lang machte die amtierende Nummer 56 der FIBA-Weltrangliste - nur Zypern war im Vorfeld unter allen 24 Mannschaften bei dieser Basketball-EM noch niedriger gerankt worden - den Deutschen das Leben zur Hölle.
Erst im letzten Spielabschnitt kam das deutsche Team vom an die Seitenlinie zurückgekehrten Alex Mumbru und Top-Assistent Alan Ibrahimagic, die sich gegen Portugal die Aufgabe auf der Trainerbank teilten, ins Rollen und machte den Klassenunterschied deutlich. Dabei verfälscht das Endergebnis in bester Blowout-Manier (85:58) das Geschehen über weite Strecken auf dem Parkett in der Xiaomi Arēna von Riga.
"Wir waren einfach nicht konzentriert genug"
Es war der erste richtige, wichtige Test für das mit Abstand dominanteste Team aller vier Vorrundengruppen. Nachdem Deutschland dort die besten Werte beim Offensiv-Rating, den erzielten Zählern pro Spiel und der Treffsicherheit aufgelegt hatte, fand es lange Zeit überhaupt nicht in diese Partie. Die zwei punkteschwächsten deutschen Viertel im bisherigen Turnier (17 und 14 Zähler) hielten die Underdogs aus nicht nur lange im Spiel, Portugal führte auch unbequem oft und lange: 2:7, 21:26 und selbst zur Pause noch, mit 31:32.
"Es ist manchmal schwierig, in so eine K.-o.-Phase zu gehen und zu wissen, das musst du eigentlich klar gewinnen, das ist der Anspruch von allen", gestand Veteran Johannes Thiemann. "Und dann mit so einem ersten Viertel, das so vor sich her dümpelt, das macht es umso schwieriger. Das ist genau das, was der Gegner wollte, dass wir es einfach nicht geschafft haben, unser Spiel zu spielen. Die 31 Punkte, die wir zur Halbzeit hatten, das machen wir normalerweise in einem Viertel. Wir waren einfach nicht konzentriert genug."
Eine Halbzeit zum Vergessen
"Unsere Taktik war, sie um jeden Preis aus der Transition rauszuhalten", verriet Portugals Travante Williams gegenüber ntv .de - und enthüllte damit auch den Gameplan, den jeder kommende Gegner zu kopieren versuchen wird. "Wir wussten, dass sie brandgefährlich sind, wenn sie ins Laufen kommen, darum wollten wir sehen, ob sie Dreier werfen können. Sie haben viele Spieler, die solide treffen, aber nur einen Spezialisten, Andreas Obst. Das hat auch lange geklappt, bevor der Himmel über uns eingestürzt ist."
Viel funktionierte nicht in den ersten 20 Minuten für den Weltmeister. NBA-Star Franz Wagner, zusammen mit Dennis Schröder Topscorer, hielt seine Farben mit 10 seiner 16 Zähler vor der Pause auf Kurs. "Portugal hat sehr gut gespielt, hat sehr physisch gespielt, hat gut gereboundet, und uns so aus unserem schnellen Spiel rausgenommen. Aber wir haben auch nicht gut getroffen. Wir mussten vor allem unsere Einstellung ändern, bevor es in der zweiten Halbzeit viel besser wurde", erklärte Franz Wagner auf Nachfrage von ntv.de.
Deutschland stellt eigenen Negativrekord ein
Mit insgesamt 26 verfehlten Dreipunktewürfen egalisierte Deutschland seinen eigenen Negativrekord in einem EuroBasket-Spiel der vergangenen 30 Jahre. Der Korb schien wie zubetoniert. Satte 22 Dreier-Versuche in Folge setzten die DBB-Männer an den Ring, ehe Maodo Lo (insgesamt 12 Punkte) im dritten Viertel endlich mal wieder einen durch die Reuse schickte. Das war der de facto Startschuss für ein Offensivfeuerwerk, dem die Portugiesen nicht mehr viel entgegenzusetzen hatten. Zählt man Los Dreier gut 15 Minuten vor Spielende mit, entschieden die Deutschen den verbleibenden Rest der Partie mit 41:15 für sich (33:7 im Schlussviertel).
"Ihr Talentlevel ist einfach unfassbar", fügte Williams hinzu. "Spieler die von der Bank kommen und wichtige Würfe treffen. Franz Wagner ist stark wie ein Ochse, Schröder ist schneller als der Teufel, das ganze Team spielt einfach so, wie man es sollte. Eine echte Mannschaft eben. Du darfst dich nicht eine Sekunde entspannen, sie können jederzeit heißlaufen und Punkte am Fließband erzielen. Und wenn du gegen sie den Ball verlierst, ist sowieso alles vorbei."
Energie hochschrauben, auch hässlich gewinnen
"In der Pause ging es darum, dass wir lockerer sein müssen", erklärte Ibrahimagic gegenüber ntv.de. "Das wussten die Jungs auch selbst, dass sie nicht zu viel nachdenken dürfen über die Quoten, weil wir normalerweise einfach viel besser sind als das, was wir gezeigt haben. Und die Würfe waren ja auch ganz in Ordnung. Von daher ging es nur darum, zusammenzubleiben, weiterzumachen, die Aufgaben in der Defense lösen, und die Offense wird dann schon kommen nach ein, zwei guten Aktionen. Diese Mannschaft ist schon so lange zusammen und weiß mit jeder Situation umzugehen. Wir können auch mal hässlich gewinnen."
Tatsächlich dürfte dieser Test zum genau richtigen Zeitpunkt gekommen sein, nachdem es in Tampere fast zu gut gelaufen war. Ein bisschen Gegenwehr, ein bisschen Zittern ist gut, um den Fokus zu wahren - und die eigenen Stärken nachhaltig zu schärfen. "Ich wünschte, wir wären mit etwas mehr Aggressivität rausgekommen. Aber wir haben gezeigt, dass wir eine sehr tiefe Mannschaft haben", sagte Kapitän Schröder. Und sein kongenialer Pick-and-Roll Partner Daniel Theis ergänzte: "Wir haben gesehen, was uns zu einem so guten Team macht. Unsere Bank kam rein, vor allem Maodo hat uns einen Schub gegeben, Tristan auch. Bonga kann von der 1 bis 5 alles verteidigen, er ist überall, fälscht Bälle ab, holt Rebounds, das hilft uns enorm."
Immer perfekt, das geht halt nicht
Bonga, mit 15 Punkten, sieben Rebounds und vier Steals einer der Besten am Samstag, rückte die Leistung im Achtelfinale ins rechte Licht: "So etwas kann passieren. Es ist schwer, zehn Mal in zehn Versuchen ein perfektes Spiel zu zeigen. Es ist völlig normal, dass man auch mal so eine Halbzeit hat wie wir heute. Das Gute ist, dass wir in der zweiten Halbzeit so entschlossen reagiert und die Partie dadurch entschieden haben." Mit Blick auf die nächsten, schwereren Aufgaben sicherlich beruhigend und den Glauben stärkend.
"Wir haben gerade in der zweiten Halbzeit alles reingeworfen, vor allem defensiv", resümierte Thiemann am Ende. "Dann sieht man schon, dass wir Teams auch schlagen können, wenn vorne mal keinen Sahnetag ist." Deutschland steht zum dritten Mal in Folge im Viertelfinale einer EuroBasket und trifft dort am kommenden Mittwoch auf den Sieger der Partie Italien gegen Slowenien um Megastar Luka Dončić.
Quelle: ntv.de