Mavs-Champ JJ Barea im Interview "Dirk Nowitzki war ein spezielles Party-Tier"
07.11.2022, 11:39 Uhr (aktualisiert)
J.J. Barea spielte lange an der Seite von Superstar Dirk Nowitzki.
(Foto: picture alliance / AP Photo)
Mit gerade einmal 175 Zentimetern Körpergröße setzte J.J. Barea sich nicht nur gegen NBA-Riesen durch, sondern gewann 2011 mit Dirk Nowitzki die NBA-Meisterschaft. Der ehemalige Point Guard der Dallas Mavericks hat viel erlebt mit der deutschen Basketball-Legende - und plaudert im Interview mit ntv.de bei der der Eröffnung des neuen NBA-Stores in Berlin aus dem Nähkästchen. Der mittlerweile in Rente gegangene 38-jährige Puerto Ricaner erzählt von Meetings, um Nowitzki von zu viel Trainings abzuhalten, einem Foul, das ihn fast "umbrachte" - und von Nowitzkis spezieller Art, Party zu machen.
ntv.de: Herr Barea, die NBA-MVPs der letzten vier Jahre, jeweils zweimal Giannis Antetokounmpo und Nikola Jokic, kommen aus Europa. Dazu dominiert Luka Doncic von den Dallas Mavericks immer mehr. Was ist da denn da los?
J.J. Barea: Als ich 2006/07 in die NBA kam, konnte ich nur Anfänge dessen sehen. Aber man spürte das Momentum, die Rolle der Europäer in der Liga wurde immer größer. Jetzt ist das noch mal ein ganz anderer Level, das ist komplett außer Kontrolle geraten (lacht). Ich hätte aber nicht gedacht, dass es diese verrückten Ausmaße so schnell annimmt. Die starken Europäer sind wunderbar und die NBA freut sich, dass sie wirklich global geworden ist. Bestimmt wird es auch bald ein NBA-Saisonspiel in Deutschland geben.
Sie spielten lange mit dem wohl bislang besten europäischen NBA-Spieler, Dirk Nowitzki, zusammen, doch kamen ausgerechnet als 21-jähriger Youngster zu den Mavericks, nachdem Dallas in den Finals dramatisch gegen Miami Heat verloren hatte.
Dirk hat mich dennoch direkt mich viel Respekt behandelt. Es machte von Anfang an unglaublich viel Spaß mit ihm und wir wurden schnell Freunde. Außerdem erleichterte er mein Leben auf dem Court erheblich. Wir konnten unser Pick-and-Roll-Spiel die ganze Nacht aufziehen. Dirk war der beste Wettkämpfer, mit dem ich je zusammengespielt habe. Er wollte gewinnen, egal was es kostete. Aber das Team stand bei ihm immer an erster Stelle. Die Meisterschaft gegen Miami 2011 war dann der größte Moment in unseren beiden Karrieren.
Welchen Anteil hatte Nowitzki an der derzeitigen Euro-Stars-Entwicklung?
Spieler wie Dirk Nowitzki und Pau Gasol waren die Grundsteine und öffneten die Tür für diese Explosion. Als Dirk 2007 den MVP gewann, als großer, nicht wirklich starker oder athletischer Shooter, zeigte das vielen Spielern außerhalb der USA, dass auch sie es schaffen können. Der Basketball von heute ist um einiges schneller und wird immer besser. Es geht von einem Korb zum anderen in einem rasanten Tempo und alle wollen so schnell werfen wie möglich. Doch für die ganzen europäischen Stars wird es schwer, Nowitzki jemals zu überflügeln. Aber Giannis Antetokounmpo, Luka Doncic und Nikola Jokic haben eine Chance.
Antetokounmpo hat immerhin bereits, genau wie Sie und Nowitzki, einen NBA-Titel in der Tasche.
Viele verstehen nicht, wie schwer es wirklich ist, die Meisterschaft zu gewinnen. Das ist fast unmöglich (lacht). Und viele können auch nicht greifen, wie gut Dirk in diesem Jahr war und wie stark wir als Mannschaft wirklich waren. Wir hatten die perfekte Team-Chemie zum genau richtigen Zeitpunkt.
Es heißt, dass Nowitzkis Training, Vorbereitung und Einstellung wichtige Erfolgsfaktoren waren.
Dirks Vorbereitung war absolut verrückt. Das wurde manchmal sogar zu viel. Ich erinnere mich, dass wir deswegen sogar Meetings hatten, um Dirk zum Relaxen zu bringen am Abend vor Spielen. Wir mussten ihm sagen: 'Bleib in deinem Zimmer und chill mal oder schlaf einfach!' Er hat vor unserem Training am Morgen schon immer ein Extra-Training eingeschoben. Dann hat er das gleiche noch einmal danach gemacht. Nachdem wir anschließend zum Spielort geflogen sind, hat er sich direkt mit Holger Geschwindner ein Taxi geschnappt und ist in irgendeine Halle zum Werfen gedüst.
Wie hat das Team reagiert?
Ich habe mir damals gedacht: Wenn ich auch nur 25 Prozent von Dirks Vorbereitungen und Trainings mache, dann komme ich gut klar (lacht). Dirk war für uns alle ein großartiges Vorbild in diesem Sinne und er machte die Mavericks damit um ein ganzes Stück besser. Alle sahen, wie viel er arbeitet und alle wussten, dass sie auch mehr ranklotzen müssen. Während meinen ersten Saisons in Dallas spielte ich nicht sonderlich viel und ich lieh mir Holger als Coach aus, wann immer ich konnte.
Als Dirk älter wurde, merkte er auch, wie er sein Training umstellen musste, damit er auf seinem hohen Level weiter mithalten konnte. Das war echt nicht einfach. Er achtete noch mehr auf seinen Körper und trainierte eher mit Gewichten außerhalb der Halle.
In einem Podcast erzählten Sie mal, dass Nowitzki 2011 das Team der Miami Heat gehasst hätte. War es Wut, die der deutschen Legende den Titel möglich machte?
Nicht nur Mavs-Fans, Anhänger von vielen verschiedenen Teams haben uns damals die Daumen gedrückt, weil wir gegen dir Großen Drei der Miami Heat (LeBron James, Dwayne Wade, Chris Bosh; d. Red) angetreten sind. Das war besonders. Dirk musste nach dem verlorenen Finale 2006 fünf Jahre warten, um wieder im Finale um den Titel mitspielen zu können. Er wusste 2011: Wahrscheinlich bekomme ich diese Chance nie wieder und ich darf diese Möglichkeit diesmal nicht auslassen. Dass es dann LeBron im Finale war und nicht Kobe Bryant, hat keine große Rolle gespielt. Kobe und seine Lakers haben wir auf dem Weg dahin ja auch geschlagen.
Im Western-Conference-Halbfinale haben die Mavs auch dank Ihrer bärenstarken Leistung damals die Los Angeles Lakers mit 4:0-Siegen vom Parkett gefegt.
Der Sieg in dieser Serie war enorm wichtig für uns. Die Lakers waren der amtierende NBA-Champion und in der regulären Saison konnten wir sie einfach nicht bezwingen. Als wir diese Hürde überwunden hatten, wussten wir, dass alles möglich war.
Dann gab es auch noch diese Spielsituation als ich zum Korb zog und Andrew Bynum (der damalige 2,13 Meter große Center der Lakers; d. Red.) mich fast umbrachte. Das werde ich nie vergessen. Einerseits war ich nur happy, dass ich das unverletzt überstanden habe. Andererseits war diese Aktion super wichtig für meiner Karriere, weil danach mein Selbstbewusstsein noch größer wurde, ich noch besser spielte und alles seinen Lauf nahm.
Nachdem alles seinen Lauf genommen hatte, gab es sicherlich eine riesige Party …
Klar! Und diesmal war es auch nicht schwer, Dirk zum Feiern zu überreden. Normalerweise war es echt schwer, ihn für eine Party zu überreden. Wir mussten ihn förmlich aus dem Zimmer zerren. Er war immer auf seinen Job fokussiert und deshalb hat er es auch zu einem der Größten aller Zeiten geschafft. Aber nach der Meisterschaft ist Dirk genauso ausgeflippt wie wir alle. Dirk ist ein spezielles Party-Tier, das wurde fast zu viel. Er ist fast aggressiv, wenn er dann mal feiert, er packt, schüttelt und schlägt dich schon mal (lacht).
Eine typisch deutsche Art, Party zu machen also. Welche anderen besonderen Nowitzki-Momente sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Dirk mochte es sehr, Essen zu gehen und hat alle immer eingeladen. Das war immer sehr speziell. Wir haben über alles geredet von Familie über Freunde bis hin zur Liebe und haben viel gelacht. Ich glaube, Dirk hat so lange gespielt, weil er es einfach so mochte, mit seinen Teamkollegen Spaß zu haben. Jetzt reden wir über unsere Kinder und welche Sportarten wir ihnen näher bringen wollen.
Der neue Star in Dallas heißt natürlich Luka Doncic, mit dem Sie auch noch bei den Mavs zusammenspielten. Vor einem Jahr sagten Sie, der Slowene hätte noch längst nicht sein volles Potenzial erreicht.
Und ich glaube, sein Spiel wächst noch immer. Es ist normal, dass man einige Zeit benötigt, um sich in der NBA zurechtzufinden. Das war bei Dirk auch so. Luka ist da schneller als die meisten und man sieht, dass er dieses Jahr noch mal besser als in der letzten Saison performt.
Für die meisten Spieler sind 30 Punkte eine Karrierenacht. Für den 23-jährigen Doncic ist es in dieser Spielzeit nur ein weiterer Abend im Büro, als erster Spieler in 60 Jahren hat er in allen seinen ersten sieben Partien mehr als 30 Zähler erbeutet.
Luka ist so unglaublich talentiert. Bei ihm sieht alles so einfach aus, das wird in ein paar Jahren sogar noch stärker der Fall sein. Alles hängt davon ab, ob er auch so hart an sich arbeiten will wie Dirk damals. Aber Dirk ist ja vor Ort in Dallas und hilft ihm. Luka ist ein schlauer Junge, er hat Dirk in ihrem gemeinsamen Jahr genau beobachtet und fragt jetzt sein Wissen ab. Wenn Dallas am Ende der Saison mit einem guten Resultat dasteht, hat Luka eine große Chance, die MVP-Trophäe zu gewinnen.
Reicht es auch für den NBA-Titel zwölf Jahre nach Ihrem Triumph mit Dirk Nowitzki?
Ich hoffe immer, dass die Mavericks gewinnen, aber die Milwaukee Bucks um Giannis Antetokounmpo sind momentan das stärkste Team. Dallas muss noch einen Ersatz für Jalen Brunson (wechselte vor der Saison zu den New York Knicks; d. Red.) finden, jemanden, der aus dem Dribbling Chancen kreieren kann. Aber insgesamt ist es ein echt starkes Team in diesem Jahr und mit Luka hast du eh immer eine Chance.
Mit J.J. Barea sprach David Bedürftig
(Dieser Artikel wurde am Samstag, 05. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de