Schachgenie kontert nebulös Niemann erhebt Vorwürfe gegen "Tyrann" Carlsen
27.09.2023, 20:09 Uhr
Magnus Carlsen (l) war von Hans Niemann verklagt worden.
(Foto: Crystal Fuller/Saint Louis Chess)
Seit rund einem Jahr wird die Schachwelt vom Betrugsskandal um den US-Amerikaner Hans Niemann erschüttert. Nun hat sich der 20-Jährige in einer TV-Show gegen die Vorwürfe von Magnus Carlsen zur Wehr gesetzt. Der Norweger kündigt derweil an, sich demnächst äußern zu wollen.
Der umstrittene Schachprofi Hansi Niemann hat die Anschuldigungen, er habe im September 2022 im Spiel gegen Magnus Carlsen betrogen, deutlich zurückgewiesen. Dies tat er in der Sendung "Talk TV" von Moderator Piers Morgan. Niemann hatte im vergangenen Jahr die Serie des mehrfachen Weltmeisters von 53 nicht verlorenen Spielen beendet.
Niemann bekräftigte nun erneut, "natürlich nicht" betrogen zu haben. Die Anschuldigungen seien haltlos und "lächerlich", ebenso wie die von "chess.com". Die Online-Plattform hatte Anfang Oktober des vergangenen Jahres einen Bericht erstellt, demzufolge Niemann in bis zu 100 Online-Partien betrogen haben soll. Daraufhin wurde er von der Plattform gesperrt. Einen Nachweis, dass Niemann auch in Spielen betrogen hat, die in Präsenz gespielt worden waren, konnte "chess.com" nicht liefern.
Carlsens Geschäftsinteressen bedroht?
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"Um klarzustellen: Der Bericht von 'chess.com', in dem ich beschuldigt werde, in über 100 Partien betrogen zu haben, ist völlig diffamierend. Wie ich in meiner Klage dargestellt habe, hat mir Danny Rensch, die Person, die den Bericht erstellt hat, erzählt, dass sie wussten, dass ich nie während eines Live-Streams betrogen habe", entgegnete Niemann nun.
Die "schwerwiegendsten Anschuldigungen in dem Bericht" bezögen sich auf Spiele, die Niemann live über seinen Account auf der Streamingplattform Twitch gespielt habe. Niemanns Vorwurf: "Der einzige Grund, warum sie mich gesperrt haben, war, weil sie kurz vor einer Fusion mit der Play Magnus Group standen und sie wussten, dass sich ihr Star-Botschafter (Carlsen, Anm. d. Red.) zum Gespött machte. Sie mussten seine Anschuldigungen decken und mich diskreditieren."
Niemann führte aus: "Dies ist einfach ein Fall, in dem Tyrannen gegen jemanden vorgehen, weil er ihre Geschäftsinteressen bedroht." Auf Nachfrage, ob Carlsen ein Tyrann sei, antwortete er: "Natürlich ist er ein Tyrann. Er nutzte sein komplettes Imperium und seine Verbindungen zu 'chess.com', nutzte die Tatsache, dass eine Fusion anstand und brachte all diese Leute dazu, mich zu attackieren. Ich lasse mich aber nicht tyrannisieren und wehre mich gegen ihn." Seine 100-Millionen-Dollar-Klage gegen Magnus Carlsen, "chess.com", Daniel Rensch und Hikaru Nakamura war unterdessen Ende Juni von einer US-Bundesrichterin abgewiesen worden.
Die verbale Attacke von Niemann wollte Carlsen derweil nicht auf sich sitzen lassen. Vom norwegischen Sender "TV2" auf die Aussagen des US-Amerikaners angesprochen, sagte der Superstar auf die Frage, ob er ein Tyrann sei: "Grundsätzlich kann ich sagen: nein." Genauer ausführen wollte Carlsen seinen Standpunkt nicht. Allerdings kündigte der 32-Jährige an: "Ich werde darüber früher oder später wahrscheinlich reden." Was genau Carlsen damit meint, blieb im Verborgenen. Fakt ist, dass er seine schweren Betrugsvorwürfe gegen Niemann bis heute nicht mit konkreten Beweisen untermauert hat - zumindest nicht offiziell.
"Ihre Neugierde ist ein wenig beunruhigend"
In der Talk-Sendung setzte sich der Schach-Großmeister zudem gegen noch immer kursierende Gerüchte zur Wehr, er habe Analperlen eingesetzt, um in Partien betrügen zu können. "Ihre Neugierde ist ein wenig beunruhigend, vielleicht sind Sie persönlich interessiert", sagte Niemann zu Moderator Morgan: "Aber ich kann Ihnen antworten: Nein." Die Geschichte mit den Analperlen sei etwas gewesen, auf das sich die "Medien" gestürzt hätten. Bei Turnierspielen kämen ohnehin Metalldetektoren zur Anwendung, um nicht erlaubte Hilfsmittel bei den Spielern auszuschließen.
Der US-Amerikaner hatte derweil längst zugegeben, im Alter von 12 und 16 Jahren insgesamt zweimal bei Onlinepartien fremde Hilfsmittel genutzt zu haben. Beim ersten Betrug nutzte er ein iPad, um Tipps zu erhalten. "Es war ein kindischer Fehler, ich stehe dazu. Ich habe damals nicht einmal die Tragweite dessen verstanden", räumte Niemann ein. "Als ich mit 16 betrogen habe, war es nicht bei einem Preisgeld-Event. Für mich hatte die Partie keine Bedeutung, es war auch kein Geld im Spiel. Ich war auch mit 16 noch ein Kind, lebte allein. Ich habe großen Druck verspürt und wollte einfach ein höheres Ranking auf der Webseite bekommen. Ich möchte klarstellen: Duelle im Online-Schach und persönliche Schachspiele sind zwei sehr unterschiedliche Dinge."
Hans Niemann hob abermals hervor: "Ich habe nie bei Partien in Präsenz betrogen. Das ist nicht nur mein Wort, das hat auch 'chess.com' gesagt. Das ist ein unumstößlicher Fakt."
Quelle: ntv.de, tno/sport.de