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Große WM-Revanche in Sotschi Schach-Genie Carlsen steht unter Druck

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Magnus Carlsen bei seiner Ankunft am Adler Airport in Sotschi.

(Foto: dpa)

2013 demütigt Schach-Wunderkind Magnus Carlsen den Inder Viswanathan Anand. Doch seit dem WM-Gewinn bestätigt er den Ruf als schlampiges Genie, die Revanche scheint offen. Für Ärger sorgt der Austragungsort.

Es muss hart sein für Viswanathan Anand, diesen Kerl zu ertragen. Magnus Carlsen, 23 Jahre jung. Der Posterboy der Schachwelt. Model für eine niederländische Modemarke, auf der Liste der 100 einflussreichsten Menschen der "Time" - und zweitjüngster Weltmeister der Geschichte, seit dem November 2013. Da schlug Carlsen den Inder Anand in dessen Heimatland. Oder besser: Er machte ihn fertig. 6,5 zu 3,5 lautete das Ergebnis, die entscheidenden Partien verlor Anand durch leichte Fehler im Endspiel, er schien geistig zermürbt von diesem Genie, das scheinbar mühelos stundenlang ohne Fehler agierte. Doch jetzt bekommt Anand seine Chance auf die große Revanche: beim WM-Duell in Sotschi.

Dass der Inder überhaupt wieder um den Titel kämpft, überrascht viele Experten. Wie so viele andere sah der ehemalige deutsche Schach-Bundestrainer Uwe Bönsch den 44-Jährigen "am Limit". Im Interview mit n-tv.de prophezeite er, Anand werde "sicher nicht mehr besser werden". Trotz der Unkenrufe gewann der Inder das Kandidatenturnier in Chanty-Mansijsk. "Sotschi ist ein neues Spiel, eine neue Herausforderung", sagt er. Und er könnte es den Experten zeigen. Denn Carlsen spielte nach seinem Titelgewinn oft fahrig, verlor gegen schlechtere Gegner wie den Dortmunder Großmeister Arkadij Naiditsch.

Training? Nicht nötig.

So läuft die Schach-WM

Die Schach-Weltmeisterschaft 2014 wird vom 7. bis 28. November im russischen Sotschi ausgetragen. Es stehen sich der Titelträger Magnus Carlsen aus Norwegen und der fünfmalige Weltmeister Viswanathan Anand aus Indien gegenüber. Das erste Match startet am 8. November um 17 Uhr deutscher Zeit. Der Weltverband Fide überträgt live auf seiner Internetseite.
Es gewinnt der Spieler, der zuerst 6,5 Punkte erreicht. Maximal werden 12 Duelle ausgetragen. Wenn es danach unentschieden stehen sollte, werden 4 Tie-Breaks gespielt.

Doch das Selbstvertrauen des Norwegers bleibt intakt: "Wenn ich mein Topniveau zeige, sehe ich mich als Favoriten", sagte er nach seiner Ankunft in Sotschi. Wieder so ein Satz, der nicht gut ankommen könnte bei Anand. Nur: Er stimmt. Was bleibt, ist die große Frage, ob Carlsen sein riesiges Potenzial abrufen kann. Dem 23-Jährigen eilt der Ruf eines schlampigen Genies voraus. Von Training vor dem Computer hält er nicht viel, was seinen ehemaligen Mentor Garri Kasparow schier in die Verzweiflung treibt: "Magnus kann viel besser sein." Sein Rivale Fabiano Caruana, Zweiter der Weltrangliste, hat keine Ahnung, warum Carlsen trotzdem ein so guter Spieler ist: "Für mich ist das ein Mysterium, wie Magnus das macht."

Während die anderen Topspieler stundenlang am Computer Eröffnungsvarianten durchspielt, setzt Carlsen auf seine Kreativität. Er schafft sich Positionen, in denen er sich wohlfühlt, und spielt sie dann gnadenlos durch. "Ich genieße es, wenn ich sehe, dass mein Gegner leidet. Wenn er weiß, dass ich gewinnen werde", sagte er einmal der "Zeit". Kritiker werfen ihm vor, er würde seine Konkurrenten einfach nur aussitzen. Aber diese Taktik erfordert neben Disziplin auch ein gehöriges Maß an Fitness. Die verschaffte sich Carlsen vor dem Showdown in Sotschi in den Alpen. "Wie die Langläufer setze ich auf Höhentraining", sagte der Norweger vor seiner Abreise nach Sotschi.

WM-Titel beinah kampflos verloren

Die russische Schwarzmeerküste hätte Carlsen eigentlich gern gemieden. "Es ist ein seltsamer Zeitpunkt für eine Weltmeisterschaft in Russland", sagte er in Anspielung auf den Ukraine-Konflikt. "Zumal ja kein Russe mitspielt." Das stimmt - allerdings hat ein Russe seine Finger im Spiel. Der Präsident des Weltverbandes Fide, Kirsan Iljumschinow, gehört Wladimir Putins Partei Einiges Russland an. Iljumschinow ist eine Figur für sich: Mitglied der Sowjet-Nomenklatura, dann in der Republik Kalmückien zu politischer Macht und finanziellem Reichtum gekommen. Er behauptet, Aliens hätten ihn einmal am Bord eines Ufos mitgenommen.

Die Fide von Kirsan Iljumschinow jedenfalls nahm Notiz von den Bedenken Carlsens, der erst im Januar 2015 spielen wollte, außerhalb Russlands. Der Weltverband drohte ihm daraufhin den Entzug des Weltmeistertitels an, wenn er nicht in Sotschi antrete. Wenige Stunden vor einem Ultimatum unterzeichnete der Norweger schließlich den entsprechenden Vertrag, nach Rücksprache mit seiner Regierung. Wo er schonmal da ist, will Carlsen nun auch seinen Titel verteidigen. Alles andere wäre auch eine nationale Tragödie: Das Fernsehen in Norwegen überträgt alle Partien live. Der Druck, er lastet in diesem Jahr auf Carlsen.

Quelle: ntv.de, mit dpa/sid

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