
Da ist jemand gehörig wütend.
(Foto: dpa)
Aus im Viertelfinale: Die deutsche Handball-Nationalmannschaft verspielt die Chance auf eine WM-Medaille. Dabei stemmt sich der überragende Torhüter Andreas Wolff mit aller Macht gegen die Portugiesen. Es reicht nicht - und das macht ihn richtig wütend.
Erst saß Andreas Wolff an den Pfosten seines Tores gelehnt da, dann brach es aus dem Torhüter der deutschen Handball-Nationalmannschaft heraus. Er schlug wie wild auf den Hallenboden, stand auf und brüllte lautstark. Der Frust musste raus beim 33-Jährigen, der im Viertelfinale der Weltmeisterschaft gegen Portugal überragend gespielt hatte, die Niederlage aber nicht verhindern konnte. 30:31 (26:26, 9:13) nach Verlängerung hieß es am Ende für das DHB-Team.
"Ich bin frustriert und verärgert, aber ich gebe ihnen nicht die Schuld. Es tut weh, so auszuscheiden. Ich werde jetzt aber nicht über mein Team herziehen", sagte Wolff und forderte Konsequenzen aus der Niederlage, durch das die erste WM-Medaille seit dem Gold-Triumph vor 18 Jahren verpasst wurde. "Wir müssen einiges aufarbeiten. Ich habe meine Gedanken dazu, warum es nicht gereicht hat. Aber die werde ich öffentlich nicht teilen."
Rune Dahmke, Teamkollege beim THW Kiel und bester Freund im Team, war auf den Torhüter zugegangen, wollte ihn augenscheinlich trösten, aber es war kein Herankommen an den wütenden Wolff, der mit hochrotem Kopf herumschrie. So lief Dahmke nur neben und hinter ihm her. Kurz darauf liefen dann die Tränen bei Wolff, als er die Ehrung zum Spieler des Spiels entgegennehmen durfte - oder in diesem Fall eher musste. Mit glasigen Augen und unbewegter Miene klatschte er seine Teamkollegen und kurz darauf die feiernden Portugiesen ab.
21, teils spektakuläre Paraden hatte Wolff geliefert, eine Weltklasse-Quote von 42 Prozent steht für ihn zu Buche. Eigentlich ein Garant für den Sieg. Und doch reichte es nicht, um das DHB-Team im Alleingang ins Halbfinale zu zerren. Weil sein Team - anders als er - keinen Top-Tag erwischte, viel zu viele Fehler machte und Tore ausließ. Nach fünf Minuten hatte Wolff bereits fünf Würfe abgewehrt und so überhaupt dafür gesorgt, dass Portugal noch nicht meilenweit enteilt war.
Im Gesicht getroffen und doch geht's weiter
Bundestrainer Alfred Gislason sagte in der ARD: "Natürlich ist das sehr bitter. Nach einem sehr schlechten Start hat die Mannschaft großartig gekämpft. Andi war überragend, aber wir machen im Angriff zu viele Fehlwürfe." Der Traum von der ersten WM-Medaille seit dem Wintermärchen 2007, als die Deutschen im eigenen Land sensationell die Goldmedaille gewannen, ist geplatzt.
Zur Halbzeit lag das DHB-Team mit 9:13 hinten, kämpfte sich ran, dann gab es mit 19:18 sogar die erste Führung. Wolff bekam zwischenzeitig einen Wurf mit voller Wucht ins Gesicht, er klappte angeknockt zusammen und musste kurz mit einem Eisbeutel behandelt werden. Doch aus dem Tor war er nicht zu bekommen, der Keeper schüttelte sich - und weiter ging es. In der Schlussphase aber gaben die Deutschen den Vorsprung und das Momentum wieder aus der Hand. Wolff hielt, was ging, doch die Tore fielen vorn ebenfalls nicht. Die zehnminütige Verlängerung endete mit dem Wutanfall und Tränen.
Doch schon in der Mixed Zone hatte sich Wolff wieder gefangen, gab sich nach außen hin ruhig und gefasst und vermied es wie bereits erwähnt ausdrücklich, seine Teamkollegen zu kritisieren. "Ich denke, dass wir bravourös gekämpft haben, wir haben eine tolle Abwehr gespielt." Doch gegen starke Portugiesen, die erstmals überhaupt in einer WM-Endrunde spielen, reichte es nicht.
Einer der Abwehrrecken ist Kapitän Johannes Golla, der in der Mixed Zone sagte: "Dass wir uns auch bei diesem Turnier wieder auf unsere Torhüter verlassen konnten, ist natürlich stark. Da sind wir sehr stolz, aber auch angewiesen darauf, dass wir so einen starken Rückhalt haben." Und weiter: "Das ist natürlich für uns alle und auch für Andi eine Enttäuschung."
Auf Vater-Zeit für WM verzichtet
Wenn Deutschland bei dieser WM spielte, war auf Wolff und seinen kongenialen Partner David Späth Verlass. Die beiden überboten sich mit Super-Quoten, bis auf bei der deutlichen 30:40-Niederlage im Hauptrundenspiel gegen Dänemark heimste immer einer der beiden deutschen Torhüter die Auszeichnung zum Spieler des Spiels ein.
Dabei spielt bei Wolff auch das richtige private Timing mit. Der dänische Schlussmann Kevin Möller, der in der Bundesliga für die SG Flensburg-Handewitt spielt, musste vom WM-Team abreisen und ist zu seiner hochschwangeren Frau ins Krankenhaus geeilt. Dort war er schon während der Hauptrunde, schaltete munter ins dänische Fernsehen, war wieder beim Team und fehlte nun beim lockeren Viertelfinalsieg gegen Brasilien erneut. Wolff hatte da etwas mehr Glück mit den Vaterfreuden.
Kurz vor dem WM-Start war er zum ersten Mal Vater geworden, noch am Tag der Geburt saß er im letzten Vorbereitungsspiel gegen Brasilien aber schon wieder auf der Bank. Statt Zeit mit seiner kleinen Familie zu haben, stellte er sich ganz in den Dienst der deutschen Handball-Familie. Am Donnerstag wird er seine Familie nun früher wiedersehen als erhofft - wohl ein Trostpflaster.
Wolff war nach seinem Wutanfall aber auch schon reflektiert genug, das dramatische Aus einzuordnen. Diesmal würden sie auf der Verliererseite stehen, so der Keeper. Das sei der Unterschied zum Olympia-Viertelfinale, als das Team sich mit dem Sechs-Sekunden-Drama gegen Frankreich sensationell ins Halbfinale gekämpft hatte. Vor einem halben Jahr gewann sein Team mit einem Tor Vorsprung nach Verlängerung. Es kann so eng sein im Handball - für Wolff hat sich das Aufopfern diesmal nicht gelohnt.
Quelle: ntv.de