
Seit 2013 fährt Lewis Hamilton für Mercedes, übernahm damals das Cockpit von Michael Schumacher.
(Foto: imago images/Every Second Media)
Ein einziges Mal ist Lewis Hamilton seit dem Ende der Formel-1-Saison öffentlich aufgetreten. Zu seiner Zukunft äußert er sich dabei nicht. Immer wieder wird diskutiert, ob der Rekordweltmeister aus Enttäuschung zurücktritt. Zumal der Mercedes-Pilot noch auf versprochene Antworten wartet.
So groß wie in diesen Tagen ist die Ungewissheit in der Formel 1 seit Jahren nicht gewesen. Das radikal überarbeitete Reglement sorgt nicht nur für völlig neu konzipierte und entwickelte Boliden, sondern hoffentlich auch für aufregenderes Racing. Weniger Hinterherfahren aufgrund von fragiler Aerodynamik ist das Ziel, stattdessen soll es in der Saison 2022 mehr spannende Zweikämpfe geben. Ob das gelingt, zeigt sich frühestens bei den Testfahrten in Barcelona Ende Februar. Und spätestens dann wird auch geklärt sein, wie viel Wahrheit hinter den Spekulationen um die Zukunft von Lewis Hamilton steckt.
Die Ausgangslage ist dabei vermeintlich eindeutig, wie ntv-Motorsportreporter Felix Görner erklärt: Der siebenfache Weltmeister "hat bei Mercedes einen bis 2023 gültigen Vertrag". Aber eben nur vermeintlich eindeutig, weil das öffentliche Schweigen, das Hamilton sich seit dem dramatischen und erst nach mehreren Protesten zu seinen Ungunsten entschiedenen Weltmeisterschaftsfinale in Abu Dhabi auferlegt zu haben scheint, natürlich Interpretationsspielraum lässt. Ob der 37-Jährige einfach nur ausgiebig regeneriert, um ausgeruht den Angriff auf den achten WM-Titel zu starten - oder tatsächlich ernsthaft überlegt, sich aus der Formel 1 zurückzuziehen.
Indizien dafür sieht Craig Slater von Sky Sports UK. Er habe "von hochrangigen Quellen, die Lewis nahestehen", die Information erhalten, "dass es zum aktuellen Zeitpunkt immer noch unklar ist", ob der britische Rekordweltmeister beim Saisonauftakt in Bahrain (18. bis 20. März/im Liveticker bei ntv.de) in seinem silbern lackierten Dienstwagen an die Startlinie rollt. Slater habe sich mit mehreren Personen ausgetauscht und erfahren, dass die bittere Niederlage in der letzten Runde des letzten Rennens in Abu Dhabi Hamilton "schwer mitgenommen habe", und: "Das hat sich gezogen."
Nur für die Royal Family gibt es eine Ausnahme
Hamilton hatte das Saisonfinale lange souverän angeführt und wie der sichere Weltmeister ausgesehen, bis eine späte Safety-Car-Phase das Feld wieder zusammenrücken ließ. Während Hamilton auf abgefahrenen Reifen auf der Strecke blieb, ging Red Bull ins Risiko und holte Max Verstappen an die Box. Dann übernahm die Rennleitung um Michael Masi die unrühmliche Hauptrolle. Als sich die Autos hinter dem Safety-Car aufgereiht hatten, lagen fünf überrundete Fahrer zwischen den WM-Rivalen.
Masi kommunizierte erst, dass die verbleibende Rundenzahl nicht ausreiche, damit diese am Feld vorbeifahren und aufschließen könnten, änderte dann aber kurzfristig seine Meinung. Als das Rennen für die letzte Runde wieder freigegeben wurde, zog Verstappen auf frischeren Reifen mühelos an Hamilton vorbei und krönte sich zum Weltmeister. Mehr als 57 von 58 Runden hatte Hamilton den Grand Prix angeführt und stand am Ende doch mit leeren Händen da. Sein Funkspruch ("Das ist doch manipuliert") verhallte ebenso folgenlos wie Mercedes' Proteste.
Seitdem aber macht sich Hamilton in der Öffentlichkeit rar, erschien wie auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff nicht zur eigentlich obligatorischen Gala zum Saisonabschluss, gab keine Interviews. Einzig einen Termin auf Schloss Windsor nahm der 103-fache Grand-Prix-Sieger wahr, wo ihn Prinz Charles im Namen der Queen für seine herausragenden Leistungen zum Ritter mit dem offiziellen Titel "Knight Commander of the Most Excellent Order of the British Empire" schlug. Auf den Rennstrecken dieser Welt trägt er derweil schon länger den Spitznamen "King Lewis".
Die FIA hat noch keine Antworten geliefert
Wolff derweil erklärte, dass "Lewis und ich desillusioniert sind" von den Ereignissen, die in diese letzte Runde mündeten, und "niemals darüber hinwegkommen" werden. "Das ist nicht möglich". Der Österreicher, unter dessen Führung Mercedes seit 2014 achtmal in Folge die Konstrukteurswertung gewonnen hat, aber erstmals in dieser Ära nicht auch den Fahrerweltmeister stellt, habe sich in diesem Moment komplett wehrlos gefühlt. Wolff verglich seine empfundene Machtlosigkeit das mit "einem totalitären Regime". Ähnlich dürfte es Hamilton gegangen sein, der Verstappen zwar sportlich fair gratulierte und doch erkennbar geschockt war.
Sky-Reporter Slater vermutet nun, dass die von der FIA angekündigte offizielle Aufarbeitung dieses zwar spannenden, aber zugleich unwürdigen Finales auch unmittelbaren Einfluss auf Hamiltons Überlegungen habe. "Je länger sich das hinzieht", sagt Slater, "je länger wir kein Ergebnis erhalten" und unklar bleibt, "wie sich die Formel 1 in Zukunft verhalten wird, desto schlimmer ist die Lewis-Hamilton-Situation." Hinter dieser Forderung an die FIA steckt weniger der Frust über die Niederlage und viel mehr der absolut verständliche Anspruch an die Regeln und die Regelhüter, konsistente Entscheidungen zu treffen. Die Ereignisse von Abu Dhabi haben selbst bei so manchem unbeteiligten Beobachter eher den Eindruck von Willkür geweckt und der Formel 1 als Ganzes geschadet.
Trotzdem erscheint ein kurzfristiger Rücktritt von Hamilton weniger wahrscheinlich als die Fortsetzung der einzigartigen Karriere. Denn in der kommenden Saison bietet sich ihm die Chance, den gemeinsam mit Michael Schumacher geführten Titel des Rekordweltmeisters alleine zu übernehmen, wenn er am Saisonende zum achten Mal die meisten Punkte gesammelt haben sollte. Seit 2014 gelang dem nach Siegen, Pole Positions, Podestplatzierungen und Führungsrunden erfolgreichsten Piloten der Formel-1-Geschichte das in sechs von acht Jahren, nur Nico Rosberg (2016) und Max Verstappen (2021) durchbrachen die Dominanz. ntv-Reporter Görner vermutet, dass Hamilton die Aufmerksamkeit durchaus Recht ist: "Der König schweigt und alle anderen reden über ihn."
Quelle: ntv.de