Mercedes stellt F1-Protest ein "Hamilton und Wolff haben sich durchgesetzt"
16.12.2021, 17:29 Uhr
Die angekündigte Berufung bleibt nach eingehender Prüfung aus, das Ergebnis der Formel-1-Weltmeisterschaft ist damit endgültig und Max Verstappen bleibt der neue Titelträger. ntv-Reporter Felix Görner sieht darin einen Erfolg für Toto Wolff und Lewis Hamilton.
Das Gefühl der Ungerechtigkeit bleibt, doch für das Wohl der Formel 1 verzichtet Mercedes auf ein juristisches Nachspiel der spannendsten Saison der Geschichte. Das Werksteam wird nach dem diskussionswürdigen WM-Finale in Abu Dhabi nun doch nicht in Berufung gehen. Max Verstappens erster Weltmeistertitel gerät damit nicht mehr in Gefahr. Am heutigen Donnerstag kann der Niederländer damit bei der FIA-Gala in Paris seinen WM-Pokal in Empfang nehmen - in Abwesenheit seines WM-Rivalen Lewis Hamilton und von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Das Duo entschied sich gegen eine Teilnahme am pompösen Event des Weltverbands, obwohl diese eigentlich im sportlichen Reglement vorgeschrieben ist.
"Wir werden beide nicht kommen", sagte Wolff, "ich komme nicht, weil ich loyal zu Lewis stehe, und wegen meiner eigenen Integrität." Stattdessen nimmt Cheftechniker James Allison den Pokal für die Konstrukteurs-WM in Empfang. Wie tief der Stachel bei den Silberpfeilen noch sitzt, war schon zuvor in einer Pressemitteilung deutlich geworden. Man habe Abu Dhabi im "Unglauben" verlassen, teilte Mercedes mit. Rennen zu verlieren, sei Teil des Sports, "aber es ist etwas anderes, wenn du den Glauben an den Rennsport verlierst."
ntv-Reporter Felix Görner hält den Verzicht auf eine Berufung für "eine weise, eine richtige, eine vernünftige Entscheidung". Für ihn wäre es nicht "im Sinne des Sports gewesen", die Weltmeisterschaft nachträglich "am grünen Tisch" auszuverhandeln. Auch der öffentliche Druck dürfte eine Rolle gespielt haben, in den vergangenen Tagen wuchs die Zahl derer deutlich, die Mercedes empfahlen, die Niederlage final anzuerkennen. "Toto Wolff und Lewis Hamilton haben sich durchgesetzt", sagt Görner, insbesondere "Hamilton, der einfach nicht wollte, dass man jetzt nochmal in die Sportgerichtsbarkeit geht".
Protest im Interesse der Fairness
Red-Bull-Pilot Verstappen war am vergangenen Sonntag erst durch eine späte Safety-Car-Phase nah an Rekordweltmeister Hamilton im Mercedes herangerückt. Anschließend erlaubte Rennleiter Michael Masi ausschließlich den zwischen den beiden Piloten platzierten überrundeten Autos, ihre eigentliche Position im Feld einzunehmen, sodass der Weg für einen Angriff Verstappens frei war.
Zudem endete der Einsatz des Sicherheitsfahrzeugs früher als im Reglement vorgesehen: Verstappen hatte auf frischen Reifen noch eine Runde Zeit für die Attacke, ging vorbei und krönte sich damit zum Weltmeister. Mercedes legte wegen Verstößen gegen das Sportliche Reglement Protest ein, beide Einsprüche wurden noch am Rennsonntag von den Rennkommissaren abgewiesen.
"Wir haben protestiert, weil die Regeln in einer neuen Art so ausgelegt wurden, dass der Ausgang des Rennens beeinflusst wurde", so Mercedes: "Lewis lag auf Titelkurs." Man habe im Interesse der sportlichen Fairness protestiert. Anschließend hinterlegte das Werksteam zudem formal seine Absicht, noch einmal in Berufung zu gehen - wird von diesem Recht nun aber nicht mehr Gebrauch machen.
Ein Schaden für die Formel 1 bleibt
Der Automobil-Weltverband FIA hatte am Tag zuvor eine Untersuchung der Ereignisse angekündigt. In die FIA-Analyse sollen die Teams und die Formel-1-Führung eingebunden werden, "um aus dieser Situation zu lernen", wie es hieß. Zudem soll gegenüber Teilnehmern, Medien und Fans für Klarheit über das aktuelle Reglement gesorgt werden. So hätten auch "Missverständnisse" zu dem Unmut beigetragen.
Dieser Schritt auch für ntv-Reporter Görner unvermeidlich: "Wichtig ist, dass man jetzt zusammen mit der FIA für das nächste Jahr festlegt: Wie ist das Safety-Car genau zu definieren? Unter welchen Bedingungen kann man ein Rennen wieder freigeben?" Diese Fragen waren schon während des Rennens in Abu Dhabi aufgekommen, als die Rennleitung zunächst festlegte, dass die überrundeten Autos nicht vorfahren dürften, was den finalen Zweikampf zwischen Hamilton und Verstappen wohl unmöglich gemacht hätte. Zudem hätte laut schriftlichen Regeln das Safety-Car eben noch eine Runde länger fahren müssen, dann aber wäre der Grand Prix ohne Freigabe zu Ende gegangen.
An Max Verstappen und Red Bull richtete Mercedes Glückwünsche: "Wir möchten unseren aufrichtigen Respekt für Eure Erfolge in diesem Jahr zum Ausdruck bringen. Ihr habt diese Saison zu einem absolut epischen Formel-1-Titelkampf gemacht", hieß es in einer Mitteilung: "Max, wir gratulieren Dir und Deinem gesamten Team herzlich. Wir freuen uns darauf, unseren Wettkampf in der nächsten Saison fortzusetzen."
Allerdings betonte Wolff auch, die Formel 1 sei "die wichtigste Unwichtigkeit der Welt. Aber die Welt ist weitermarschiert. Es ist nicht Weltpolitik. Es ist Sport, es ist unser kleiner Mikrokosmos", sagte der 49-Jährige, der seit dem Renntag erstmals öffentlich sprach. Ein Schaden für die Formel 1 bleibt jedoch. Am Ende der wohl besten Saison der Geschichte gibt es zu viele Verlierer. Zumindest hat Mercedes mit seinem Verzicht auf eine Berufung noch Schlimmeres verhindert.
Quelle: ntv.de, tsi/sid