Formel1

"Eben mal lässig in die Punkte" Super-Rookie raubt Schumacher eine Cockpit-Chance

De Vries und Schumacher kennen sich schon lange. Bislang war der Deutsche dem Niederländer voraus - nun könnte sich das Blatt gewendet haben.

De Vries und Schumacher kennen sich schon lange. Bislang war der Deutsche dem Niederländer voraus - nun könnte sich das Blatt gewendet haben.

(Foto: imago images / Motorsport Images)

Nyck de Vries fährt zum ersten Mal in der Formel 1 - und brilliert, als habe er nie etwas anderes gemacht. Der Niederländer begeistert Fans und Teamchefs gleichermaßen. Für den 27-Jährigen ist es ein Hinweis auf eine große Zukunft, für Mick Schumacher allerdings eine schlechte Nachricht.

Max Verstappen hat mal wieder gewonnen, aber es war nicht alleine der berühmteste unter den Rennfahrern der Niederlande, der am Sonntag die Formel 1 verzückte. Die Herzen im Sturm eroberte Nyck de Vries, der bei seinem Debüt in der Motorsport-Königsklasse direkt in die Punkte fuhr. "Die Niederländer haben eine gute Generation, das ist schon herausragend, was das kleine Land da fahrerisch zu bieten hat", lobte ntv-Experte Felix Görner die Leistung des "fliegenden Holländers". Die war ihm ohne lange Vorbereitung, dafür mit richtig viel Aufregung und einer großen Portion Adrenalin gelungen.

Die niederländische Presse jubilierte: "In Verstappens Schatten war die Leistung seines Landsmanns viel außergewöhnlicher. De Vries holte bei seinem Formel-1-Debüt für die Hinterherfahrer Williams direkt WM-Punkte", schrieb "De Volkskrant". Die Zeitung "Trouw" feierte "zwei niederländische Sieger": "Zum ersten Mal seit 2006 standen beim Großen Preis von Italien zwei Niederländer in der Startreihe. Max Verstappen siegte, Debütant Nyck de Vries fuhr bei seinem Debüt historische Punkte ein."

Eigentlich ist de Vries Testfahrer für Mercedes, Williams und Aston Martin, am Freitag durfte er im Freien Training das Cockpit von Sebastian Vettels Aston Martin übernehmen, ehe er am Samstag plötzlich in den Williams steigen musste. Stammfahrer Alex Albon hatte eine Blinddarmentzündung, der Thailänder musste operiert werden - und für den Rennstall eine Lösung her. De Vries fuhr im Qualifying auf Platz 13, wegen zahlreicher Startplatzstrafen der Konkurrenten konnte er am Sonntag von Platz acht aus ins Rennen gehen.

"Ich habe schlecht geschlafen, mir ist so viel durch den Kopf gegangen", so de Vries beim ORF anschließend. "Aber gleich nach dem Start ist es mir gut gegangen. Ich bin so glücklich, dass ich die Chance ergriffen habe." Der Niederländer überzeugte, als Neunter fuhr er direkt Punkte für Williams ein - und hängte auch den Williams-Stammfahrer Nicholas Latifi problemlos ab, der 15. wurde. Die Fans wählten ihn zum Fahrer des Tages.

"Absolut fehlerfrei"

Der amtierende Formel-E-Weltmeister und frühere Champion der Formel 2 ist bereits 27 Jahre alt, Görner nennt ihn einen "Spätberufenen", der nun womöglich seine letzte Chance auf einen Stammsitz in der Formel 1 nutzen kann. An diesem Wochenende in Monza machte de Vries jedenfalls beste Werbung für sich.

"Unglaublich. Er ist immer ein Teil unserer Familie gewesen, wir haben immer auf ihn geschaut. Nun macht er sein eigenes Ding, steigt in die Kiste ein im dritten freien Training, qualifiziert sich vor seinem Teamkollegen und fährt mal eben lässig in die Punkte. Das ohne Training - richtig gut", lobte Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der den Rennfahrer schon lange begleitet. Auch Williams-Teamchef Jost Capito lobte seinen Überraschungs-Fahrer: Erst um 11 Uhr habe dieser am Samstag erfahren, dass er fahren muss. "Dann das alles absolut fehlerfrei zu machen - da sieht man nicht nur, dass er schnell ist, sondern auch die Rennintelligenz hat. Er musste verteidigen, angreifen, Boxenstopp machen."

"Man hat ihm keine Nervosität angemerkt, obwohl er das innerlich natürlich ist. Er hat es so professionell gemacht, als hätte er nie etwas anderes gemacht, als Formel 1 zu fahren", so Capito weiter. Obwohl für de Vries in Wirklichkeit alles neu war. "Der Ingenieur hat zu ihm gesagt: 'Mach die und die Einstellung.' Da hat er gefragt: 'Wie geht das?'", erzählte der Williams-Teamchef. Aber dann habe er es einfach "fantastisch gemacht".

"Hoffe, das Schicksal ist gut zu mir"

Capito lobt - und hat vermutlich seinen neuen Fahrer für die kommende Saison gefunden. Latifi konnte in diesem Jahr noch gar nicht überzeugen, hat als einziger Stammfahrer im Feld noch keinen einzigen WM-Punkt gesammelt. Sein Vertrag wird wohl nicht verlängert. Zuletzt galt Mick Schumacher noch als potenzieller Kandidat für Williams, da Capito ihn vor Monza ebenfalls lobte. Ob er Interesse an dem Deutschen habe, hatte Sky ihn gefragt. Seine Antwort: "Na klar. Ich glaube, der Mick ist sehr schnell, ist ein guter Typ und ich glaube, er müsste auf jeder Liste stehen, von den Teams, die noch einen Sitz freihaben." Das sind neben Williams auch noch Alfa Romeo, AlphaTauri, Alpine und eben Schumachers derzeitiger Arbeitgeber Haas.

Doch es scheint sehr wahrscheinlich, dass de Vries nun für eine absolute Schock-Überzeugung bei Williams gesorgt - und sich selbst das Cockpit gesichert hat. "Nach außen ist er ein Sunnyboy, aber er pusht natürlich und ist knallhart. Wie er das Team pusht und seine Aussagen sind knallhart. Es ist eine gute Kombination", sagte Capito.

"Wenn ihn nicht einer von denen, die noch einen freien Sitz haben, aufschnappt, verstehe ich die Welt nicht mehr", urteilte Wolff über die Chancen des Niederländers auf ein Cockpit im Jahr 2023. Und Williams ist nun einmal am nächsten dran. "Es ist die wahrscheinlichste Lösung, dass er bei Williams an den Start gehen wird", sagte auch Görner. Der Rennfahrer selbst gab sich zurückhaltend: "Ich habe keinen Einfluss darauf. Ich kann nur meinen Job machen und mein Bestes geben. Ich hoffe, das Schicksal ist gut zu mir."

Schumacher muss weiter bangen

Das hofft nach wie vor auch Schumacher, doch für ihn konzentriert sich nun alles auf Alpine oder Haas. Der 23-Jährige konnte in Monza nur 17 Trainingsrunden drehen, musste ansonsten seinen Wagen an Antonio Giovinazzi weitergeben - oder ihn wegen Defekten in der Box abliefern. Er konnte nur von Platz 17 aus starten, dass er am Ende als Zwölfter ins Ziel kam war im Grunde ein Erfolg. Einer allerdings, der ihm wieder keine Punkte brachte und der ihn in Sachen neuer Vertrag auch nicht voranbrachte. Zwar lobte Teamchef Günther Steiner ihn für einen "fantastischen Job", stichelte aber auch: "Ihm fehlt die Konstanz."

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"Es ist schwer, seine Leistung zu beurteilen am Wochenende", sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto, dessen Nachwuchsakademie Schumacher (noch) angehört. "Wir haben noch ein paar Rennen, dann setzen wir uns zusammen, ziehen Bilanz und finden hoffentlich die beste Entscheidung für seine Zukunft." Sollte Ferrari ihn ziehen lassen, würden sich die Chancen auf ein Nicht-Ferrari-Cockpit für Schumacher erhöhen. Wobei die Luft langsam dünn wird.

"Bei Alpine ist es so, dass Pierre Gasly als Franzose die besseren Karten hat und sicherlich auch der erfahrene Fahrer ist. Da sehe ich Schwierigkeiten, dass Schumacher da unterkommen wird", sagte ntv-Experte Görner. Damit bliebe noch Haas, bei dem Steiner ihn seit Wochen hinhält. "Für Mick wird die Hängepartie weitergehen. Wir werden da noch zwei, drei Rennen warten müssen", glaubt Görner daher. Fast jeder würde es Schumacher gönnen, auch ein drittes Jahr in der Formel 1 zu fahren. Doch die Plätze auf dem Arbeitsmarkt sind knapp.

Quelle: ntv.de

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