DFB-Elf in der Einzelkritik Die Null steht - und Oberdorf immer goldrichtig

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Hattrick verhindert, Halbfinale erreicht: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft befreit sich mit einem Sieg gegen Österreich im EM-Viertelfinale aus dem kleinen Trauma der vergangenen Turniere. Noch immer kassiert das Team kein Tor, Alex Popp schießt dafür bereits ihr viertes. Vor allem die Jüngsten im Team von Martina Voss-Tecklenburg fallen auf. Das findet die Bundestrainerin selbst und auch die UEFA.

Merle Frohms: Das Wichtigste zuerst: Die Null steht weiter. Vier EM-Spiele, noch immer hat die Neu-Wolfsburgerin kein Tor kassiert. Manche erinnern bereits an Nadine Angerer, die bei der WM 2007 auf dem Weg zum Titel im gesamten Turnier keinen Treffer durchließ. Doch davon weiß Frohms nur vom Hörensagen, wie sie nach dem Spiel erklärt - und erst recht will sie sich nicht daran messen lassen. Denn auch sie weiß: Es kann schnell gehen. Gegen Österreich wäre es fast so weit gewesen, gleich dreimal klärte das Aluminium. In der 52. Minute unterlief ihr ein dicker Patzer: Sie spielte einen Pass auf die linke Seite - direkt auf ihre Ex-Mannschaftskollegin von Eintracht Frankfurt, Barbara Dunst. Die Österreicherin schoss aus gut 30 Metern aufs Tor, die Latte klärte. Nur fünf Minuten später faustete Frohms einen Ball direkt auf den Fuß von Sarah Puntingam, deren Nachschuss nicht reinging, weil der Innenpfosten entscheidend ablenkte. Frohms beanspruchte anschließend für sich, den Ball noch minimal an die Latte abgelenkt zu haben. Viel Wirbel gab es um die 27-Jährige, weil sie die große Almuth Schult als Stammtorhüterin ablöste, viel Lob und Anerkennung dann in der Gruppenphase des Turniers. Das Spiel gegen Österreich war nicht ihre beste Leistung, bei dem Ergebnis ist das aber Jammern auf hohem Niveau.

Gwinn war mit Hanshaw gut beschäftigt.

Gwinn war mit Hanshaw gut beschäftigt.

(Foto: dpa)

Giulia Gwinn: Die rechte Schienenspielerin mischt sich bekanntermaßen gern in die Offensive ein. So auch diesmal, mit ihrem ständigen Anrennen sorgte sie für viel Wirbel, ob auf rechts oder in der Mitte. Nur wenige Sekunden nach Wiederanpfiff setzte sie einen Schuss an den Pfosten, auch ihre Pässe sorgten für Offensivgefahr. Doch das eröffnete den Gegnerinnen auch Räume, gerade in der ersten Viertelstunde kam Verena Hanshaw gleich zweimal auf ihrer Seite durch, die Abstimmung zur neben ihr in der Innenverteidigung absichernden Kathi Hendrich fehlte zum Start etwas. In der 69. Minute stand Gwinn dann goldrichtig im Strafraum, blockte einen Ball gekonnt ab.

Kathi Hendrich: Im Zusammenspiel mit Gwinn auf der linken Defensivseite hat sie wieder einmal den absichernden Part, das gelang zu Beginn nicht immer gut. Hendrich lief gleich erstmal hinterher, das Gefühl der Sicherheit schien ihr zu fehlen. Auch im Aufbauspiel leistete sie sich zunächst Fehlpässe, es war allerdings im Verlauf des Spiels eine klare Verbesserung zu erkennen, je länger die Partie, desto mehr wurde sie zur souveränen Ballverteilerin.

Marina Hegering: Für Hegering startete die Partie gleich mit Schmerzen. Schon in der 5. Minute bekam sie das Knie von Sarah Zadrazil in die Seite, konnte nach einer kurzen Behandlung aber aufstehen und weiterspielen. In der 9. Minute sorgte sie für die erste gute Chance für Österreich, nachdem sie sich in die Offensive eingeschaltet hatte, den Ball aber im Mittelfeld verlor. Sie ist die letzte Absicherung vor Frohms, sie dirigierte auch diesmal ihr Team von hinten mit, vor allem ihre Defensivkolleginnen. Allerdings war sie längst nicht so überzeugend wie in den ersten Spielen, als scheinbar niemand an ihr vorbeigekommen wäre. Doch auch diesmal gestaltete sie ihr Spiel mit viel Übersicht und erneut starkem Kopfballspiel. Für eine erneut herausragende Partie unterliefen ihr aber zu viele kleine Fehler.

Felicitas Rauch: Vor allem zu Beginn des Spiels hatte die linke Außenverteidigerin allerhand zu tun, viele Spielzüge versuchten die Österreicherinnen auf ihrer Seite. Nach ihrer Gelb-Sperre gegen Finnland durfte sie nun wieder ran, obwohl Sophia Kleinherne ihre Sache als Vertreterin sehr gut gemacht hatte. Rauch war direkt wieder gefordert, das körperliche Spiel der Gegnerinnen bereitete ihr zunächst Probleme, sie verlor so manchen Zweikampf. Es war auch ein wenig Glück dabei, dass die Österreicherinnen nicht mehr draus machten, wenn sie an Rauch vorbeigekommen waren. Gut gelungen waren ihre Ecken von rechts, auch mehrere scharfe Flanken sorgten für Torgefahr.

Sophia Kleinherne (ab 90. Minute): Stand handgestoppte fünf Sekunden auf dem Feld, bevor der Schlusspfiff ertönte.

Erzielte schon ihren zweiten Turniertreffer: Magull.

Erzielte schon ihren zweiten Turniertreffer: Magull.

(Foto: dpa)

Lina Magull: Wie schon beim EM-Auftakt gegen Dänemark war es die Bayern-Spielerin, die ihr Team in Führung brachte. In der 25. Minute profitierte sie vom feinen Pass von Klara Bühl, die links den Ball auf Höhe des Strafraums erobert hatte und in die Mitte passte. Zudem behielt Alex Popp die Nerven und ließ durch zur besser schussbereiten Magull, die stramm unten rechts traf. Schön freigespielt, trocken verwandelt. Ihr Oberschenkel bereitete Magull weiterhin Probleme, was sie aber nicht an sehenswerten offensiven Aktionen hinderte. Und auch nicht an einer bemerkenswerten defensiven, als sie in der 42. Minute in höchster Not einen österreichischen Schuss weggrätschte. Nach etwas mehr als einer Stunde war dann Schluss für die 27-Jährige.

Linda Dallmann (ab 64. Minute): Sie ist bei diesem Turnier nur Einwechselspielerin, wie bitter diese Rolle ist, zeigt sich allein daran, dass sie aufgrund der Rotation gegen Finnland von Beginn an randurfte - und direkt zur Spielerin des Spiels gewählt wurde. Auch diesmal war sie nach ihrer Einwechslung sofort präsent und setzte im Offensivspiel mit ihrem feinen Ball für Akzente. Das sorgte für Entlastung in einer Sturm-Phase der Österreicherinnen. Die Bayern-Spielerin stand bei einer Kopfballverlängerung von Popp (69.) knapp im Abseits, bei zwei Torschüssen zielte sie beide Male knapp zu hoch.

Lena Oberdorf: Man kann es nicht häufig genug betonen: Lena Oberdorf ist 20 Jahre alt. Erst, immer noch. Was die Wolfsburgerin leistet, sorgt regelmäßig für Jubelstürme. Diesmal sogar bei Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die nach dem Spiel ein Sonderlob verteilte. Sie zog erneut konsequent durch, ging keinem Zweikampf aus dem Weg. Gerade in den fahrigen Anfangsminuten setzte sie damit ein Zeichen - und der Weckruf an ihre Teamkolleginnen gelang. In der 37. Minute grätschte sie einen Ball in letzter Sekunde weg, Österreich hätte sonst freie Bahn aufs Tor gehabt. Aber nicht nur defensiv, auch offensiv arbeitete sie gewaltig mit, auch wenn mal ein Pass ins Leere geht. In der 49. Minute gelang ihr eine erneut starke Balleroberung, ihr Abschluss kam aber zu ungefährlich vors Tor von Manuela Zinsberger. Kein Grund für Gram, ihre Mitspielerinnen nannten Oberdorf anschließend "Maschine".

Sara Däbritz: Es macht Spaß, der künftigen Spielerin von Olympique Lyon bei ihrem kreativen Offensivspiel zuzuschauen - normalerweise. Die Österreicherinnen aber wussten um Däbritz' Stärke und ließen ihr entsprechend wenig freien Raum. Damit konnte sie offenbar nicht so gut umgehen, wirkte vor allem in der ersten Hälfte engagiert, aber verloren. Statt in der Offensive zu glänzen, musste die 28-Jährige in der Defensive Löcher stopfen. So wie in der 59. Minute als sie Julia Hickelsberger-Füller hinterhersprintete, die schon an der geschlagengen Rauch vorbei war. Däbritz konnte sich nur noch mit einem taktischen Foul behelfen und sah dafür die Gelbe Karte. Als sie in der 64. Minute den Platz verließ, wirkte sie unzufrieden und erledigt.

Lena Lattwein (ab 64.): Die Wolfsburgerin fügte sich erst unauffällig ins Spiel ein, bevor sie in der 82. Minute einen herausragenden Pass auf Popp spielte, der die Großchance von Klara Bühl einleitete.

Svenja Huth: Schnell, ausdauernd, robust, technisch versiert: Gegen Svenja Huth mag niemand gern spielen - sagen ihre Gegnerinnen. Das zeigte sich auch wieder gegen Österreich. Dass sie kurzfristig einen Anraunzer von Alex Popp kassierte, lag an ihrem Egoismus in der 43. Minute, als sie selbst auf rechts frei bis fast an die Torauslinie lief und dann aus scharfem Winkel abzog anstatt die besser postierten Popp oder Bühl zu bedienen. In der zweiten Halbzeit kam dann aber nichts groß Nennenswertes hinzu. Gwinn übernahm auf ihrer gemeinsamen rechten Seite zunehmend das Kommando auch im Flankenspiel.

Sydney Lohmann (ab 90.): Kam zusammen mit Kleinherne auf den Platz, dann war Schluss.

Klara Bühl: Für die UEFA war Klara Bühl die Frau des Spiels - eine sehr vertretbare Entscheidung. Gegen die Münchnerin mag vermutlich keine Gegnerin gern spielen. Sie war auch diesmal ein absoluter Aktivposten auf links, arbeitete viel, erkämpfte und erlief sich immer wieder freie Räume und war im Dribbling pfeilschnell und sicher. Für Magull legte sie das 1:0 wunderbar auf und hätte ihre Leistung mit einem eigenen Tor krönen können. Chancen hatte sie, auch eine als "Hunderprozentig" zu betitelnde: In der 82. hätte sie nach Vorarbeit von Popp freistehend nur noch einnetzen müssen, schoss aber links vorbei. Vier Minuten zuvor hatte sie bereits nach wunderbarem Lauf von halblinks in den Strafraum einen Schuss an die Latte gesetzt (78.). Sie ärgerte sich ganz offensichtlich, wurde aber von Voss-Tecklenburg getröstet, die sie in der 83. Minute auswechselte. Für ein tolles Spiel gab es eine dicke Umarmung. Bühl ist übrigens ebenfalls gerade einmal 21 Jahre jung.

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Jule Brand (ab 83.): Sammelte weitere Spielminuten, mehr gibt es aber nicht zu sagen.

Alex Popp: Es gibt einen klaren Grundsatz im Fußball: Schreibe niemals Alexandra Popp ab. Egal, wie das Spiel verläuft, sie gibt niemals auf. Auch gegen Österreich wurde die Kapitänin für ihre stets vorbildliche Einstellung belohnt, als sie in der 90. Minute mit einem Sprint Richtung Zinsberger deren Fehler provozierte, ihr den Ball abluchste und zum 2:0 einschob. Es war bereits ihr vierter Treffer im vierten EM-Spiel. Zuvor war ihr der Wille niemals abzuschreiben, aber es lief längst nicht alles zugunsten der Wolfsburgerin. Sie hätte schon früh den Führungstreffer erzielen können (9.) als die neben ihr stehende Bühl ihr den Ball auflegte. Doch Popp geriet zu sehr in Rücklage und schoss klar drüber. Sie hielt in der Folge immer wieder ihren Kopf hin und versuchte Bälle von Zinsberger mit frühem Anlaufen abzufangen. Eine Großtat war die Szene vor dem 1:0 als sie eben kein Körperteil in den Pass von Bühl warf, sondern gekonnt durchließ auf Magull, die verwandelte.

Quelle: ntv.de

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