Aufstellungspoker vor dem EM-Halbfinale Löw tönt und heizt Spekulationen an
28.06.2012, 08:53 Uhr
Er weiß schon, wer spielt: Joachim Löw.
(Foto: dpa)
Vor dem EM-Halbfinale gegen Italien gibt sich Joachim Löw frech, mutig - und verschlossen. Der Bundestrainer ist sich zwar sicher, dass die DFB-Elf die Partie gewinnt und am Sonntag im Endspiel die Spanier herausfordern darf. Nur in Sachen Startelf hält er sich bedeckt. Maulwurfgefahr!
Joachim Löw ist ein freundlicher Mensch. Wer ihn etwas fragt, der bekommt meist eine Antwort. Der Bundestrainer erklärt auch gerne und geduldig, vor allem, wenn es um Fußball geht. Nur wenn es darum geht, welche elf Spieler denn im nächsten Spiel auflaufen, hält sich Joachim Löw bedeckt. Nun ist das nächste Spiel bereits heute Abend, Deutschland spielt in der polnischen Hauptstadt Warschau im Halbfinale der Europameisterschaft gegen Italien. Es geht darum, wer am kommenden Sonntag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew im Finale gegen die Spanier spielen darf. Und da möchten natürlich alle wissen, mit welcher Mannschaft der Bundestrainer dieses große Ziel erreichen will.
Der sagt Sachen wie: "Wichtig ist, dass wir selbstbewusst sind, frech und mutig." Und: "Wir sind uns unserer Stärken bewusst." Und auch: "Wir haben eine sehr, sehr starke Mannschaft, die absolut in der Lage ist, auch Italien zu bezwingen." Das ist gut zu wissen. Aber wie genau diese sehr, sehr starke Mannschaft aussehen wird, die heute beim Anpfiff um 20.45 Uhr vor mehr als 58.000 Zuschauern auf dem Rasen des neuen Nationalstadions steht, das nachts am Weichselstrand rot-weiß zur Altstadt am anderen Ufer hinüberblinkt - da will Joachim Löw sich da partout nicht in die Karten schauen lassen.
Sechs Profis müssen noch zittern
War doch zuletzt vor dem 4:2 im Viertelfinale gegen Griechenland die Aufstellung durch ebenso mysteriöse wie dunkle Kanäle bereits am frühen Nachmittag an die Öffentlichkeit gelangt - sehr zum Unwillen des Bundestrainers, der betonte, dass dies nun ganz und gar nicht in seinem Sinne sei. Schließlich sei es wenig hilfreich, die Karten frühzeitig auf den Tisch zu legen. "Von den Spielern kommt es auf jeden Fall nicht", hatte er gemutmaßt. Um dann aber einzuschränken, dass der eine oder andere seiner Schützlinge eventuell mit seinem Berater telefonierte habe. Danach hagelte es Maulwurfscherze, die Quelle blieb aber, zumindest offiziell, unentdeckt.
Ein Ärgernis, auf das die Mannschaftsleitung nun in Warschau reagieren will, wie die "Bild"-Zeitung zu berichten weiß. Demnach wolle Joachim Löw die Aufstellung so lange wie möglich geheim halten. Vor dem Publikum, vor Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli - aber auch vor seinen eigenen Spielern. So soll die Teamsitzung erst um 17.30 Uhr stattfinden und nicht wie üblich um halb drei. Bis dahin müssen einige Spieler also zittern. Mutmaßlich sechs an der Zahl, die sich um drei freie Plätze streiten. Das heißt andersherum auch, dass acht Spieler ihren Platz in der Startelf sicher haben: Torwart Manuel Neuer ist gesetzt, wie überhaupt die Alternativen in der Defensive rarer sind als im Mittelfeld und Angriff. So spricht alles dafür, dass die Viererkette wieder in der bewährten Besetzung, von rechts nach links, mit Jérome Boateng, Mats Hummels, Holger Badstuber und Kapitän Philipp Lahm aufläuft. Bastian Schweinsteiger - "Ich bin hundertprozentig fit" - hat sich gestern quasi selbst aufgestellt, ohne dass der Bundestrainer ihm widersprochen hat. An Schweinsteigers Seite, der vor den Italienern "Respekt, aber keine Angst" hat, wird der bei diesem Turnier überragende Sami Khedira spielen, das Mittelfelddreieck komplettiert Mesut Özil auf der offensiveren Position.
"Dieses Mal werden wir als Sieger vom Platz gehen"
Jetzt aber wird es spannend. Es geht um die beiden Außenpositionen und den einen Stürmer in der Mitte. In den drei siegreichen Gruppenpartien spielte Thomas Müller rechts und Lukas Podoski links. Im Viertelfinale gegen Griechenland nominierte Joachim Löw überraschend Marco Reus und André Schürrle, die ihre Sache sehr gut (Reus) und gut (Schürrle) machten. Für Reus und Schürrle spricht ihre Jugend, ihre Schnelligkeit und ihr unübersehbarer Drang, auf des Gegners Tor zu stürmen und dort nach Möglichkeit den Ball auch hineinzuschießen. Für Müller und Podolski spricht, dass sie das auch können, sich sehr in der Defensive engagieren und über einen Fundus an internationaler Erfahrung verfügen - in einem Halbfinale gegen Italien keine Sekundärtugend. Der Bundestrainer sagt dazu nur: "Griechenland ist nicht unser Maßstab. Italien ist eine ganz andere Hausnummer." Der Rest ist Spekulation.
Auch in Sachen Mittelstürmer: Mario Gomez stand zu Turnierbeginn dreimal in der Startelf und erzielte drei Tore. Konkurrent Miroslav Klose spielte im Viertelfinale von Beginn an und traf ebenfalls. Für ihn spricht, dass er spielerisch wesentlich mehr zu bieten hat als Gomez und seinen Kollegen stets als prima Doppelpasspartner zur Verfügung steht. Für Gomez spricht, dass er seit Jahren regelmäßig Tore schießt. Beides ist, wir wiederholen uns, nicht ganz unwichtig für eine Mannschaft, die doch so gerne nach Kiew möchte. Was bleibt? Die Erkenntnis, dass der Bundestrainer es sich aussuchen kann, wen er spielen lässt, ohne dabei einen erkennbaren Qualitätsverlust zu riskieren. Joachim Löw jedenfalls sagt: "Dieses Mal werden wir als Sieger vom Platz gehen." Gut zu wissen.
Quelle: ntv.de