Pfiffe und Revolutions-Protest Irans Trainer regt sich über eigene Fans auf
22.11.2022, 11:41 Uhr
Queiroz konzentrierte sich zeitweise nicht aufs Spiel.
(Foto: AP)
Die iranischen Fußball-Nationalspieler setzen bei der WM in Katar ein Zeichen, sie solidarisieren sich mit den Frauen in ihrer Heimat. Mut beweisen auch einige Fans, Frauen mit offenen Haaren oder Fans mit der alten, persischen Flagge sind zu sehen. Doch der Protest passt dem Nationaltrainer gar nicht.
Irans Nationaltrainer Carlos Queiroz hat Teile der Fans nach der 2:6-Niederlage gegen England zum WM-Start kritisiert. "Wenn die Fans uns nicht unterstützen, sollen sie zu Hause bleiben", sagte der Coach in Al-Rajjan. Queiroz hatte in den Schlussminuten des WM-Auftaktspiels immer wieder wie wild mit den Armen gerudert und die Fans dazu aufgefordert, mehr Stimmung zu machen. Zeitweise hatte der 69-Jährige das Geschehen auf dem Rasen aus den Augen verloren, weil er sich so mit den Anhängern beschäftigte.
Auf den Rängen hatten einige iranische Frauen Tränen in den Augen, in einen lauten Aufschrei mischten sich aber auch Pfiffe. Queiroz missfiel das, seine Spieler könnten sich auf der "höchsten Bühne nicht nur auf Fußball konzentrieren. Es gibt Leute, die unser Team stören wollen, mit Themen, die außerhalb des Fußballs liegen", so der Portugiese. Seine Spieler würden nur ihrem "Traum" nachgehen, "Legenden aus ihrem Land zu folgen", erzählte Queiroz. Deshalb sei er "sehr stolz", wie seine Elf trotz aller Umstände gegen England "gefightet" habe und sich mit zwei Ehrentoren "belohnt" habe.
Politische Debatten umgeben das Team um Doppel-Torschütze Mehdi Taremi. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Polizeigewahrsam hatte diese ausgelöst, der Sicherheitsapparat reagierte mit äußerster Härte. Das Entsetzen über die vielen getöteten Demonstranten ist groß. "Jeder weiß, dass es brisante Umstände im Umfeld meiner Spieler gibt. Es ist nicht die beste Umgebung bei so einem Turnier", sagte Queiroz. Er forderte dazu auf, die Spieler, die er "meine Kids" nennt, in Ruhe Fußball spielen zu lassen. "Sie wollen einfach für ihr Land Fußball spielen, wie es alle anderen Spieler auch können. Es ist nicht korrekt, sie Dinge zu fragen, für die sie nichts können. Sie sind hier, um den Leuten in der Heimat Stolz und Freude zu geben", sagte er an die Journalisten gerichtet.
Für Sport auf höchstem Niveau habe sein Team derzeit "nicht das beste Umfeld", führte er aus: "Dinge, die geändert werden sollten, sind nicht unter unserer Kontrolle. Wir können uns nur auf die fußballerische Leistung konzentrieren. Andere Themen liegen nicht in unserer Hand." Seine Spieler hatten vor dem Auftaktspiel gegen England (2:6) die Proteste im eigenen Land unterstützt, indem sie bei der Nationalhymne demonstrativ schwiegen.
Eine Vorentscheidung in Sachen Weiterkommen sieht der Trainer nach der klaren Niederlage noch nicht. "Wir gewinnen oder lernen. Wir hatten das Privileg, viel zu lernen. Jetzt sind wir für die nächsten Spiele gegen Wales und die USA bestens vorbereitet. Für uns ist weiter alles offen, wir können nach wie vor sechs Punkte in der Gruppe holen", sagte Queiroz. Nächster Gegner sind am Freitag (11 Uhr im ntv.de-Liveticker) die USA.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid