Liga-Krise und Spieler-Revolte?Die bösen Geister umwehen BVB-Coach Terzić

Am Ende einer schwachen Hinrunde in der Fußball-Bundesliga trifft Borussia Dortmund auf den FSV Mainz 05 - ausgerechnet. Die Erinnerungen an das letzte Duell tun weh, sollen aber keine Rolle mehr spielen, sagt Trainer Terzić - der wieder einmal im Fokus steht.
Am 27. Mai stand Dortmund still, dabei hatte die Stadt an diesem Tag eigentlich so laut feiern wollen, wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Borussia, das für die meisten Menschen vor Ort Sinnstiftende, hatte in einem mitreißenden Sprint durch die Rückrunde der Fußball-Bundesliga alles bereitet, um an diesem Tag nun endlich wieder Deutscher Meister zu werden. Und wie gut waren die Vorzeichen: Heimspiel vor über 80.000 hungrigen Fans, dazu mit dem FSV Mainz 05 eine Mannschaft, die in den Wochen zuvor kaum was auf die Kette bekommen hatte. Das Tor stand sperrangelweit offen, die Schwarzgelben mussten nur noch hindurchschreiten.
Doch sie verweigerten den Schritt, sie waren von Tag zu Tag vor dem Grande Finale immer nervöser geworden. Und zitterten in den entscheidenden 90 Minuten wie ein Lämmerschwanz. Die Dramaturgie des Spieltags half ihnen nicht, der eigenen Rückstand, die Führung der Münchner in Köln. Der Rest ist ein schwarzgelber Albtraum, auch wenn es zum Ende noch einmal eng geworden war. In Müngersdorf feierte der überraschte FC Bayern, in Dortmund weinte der BVB, es weinten Kapitän Marco Reus und Trainer Edin Terzić. Die Südtribüne rief seinen Namen, in der schwersten Stunde seine Laufbahn standen der Verein und sein Coach Seite an Seite. Es waren Momente, die Herzen zerrissen, Träume zerfetzten - dem Klub eine tiefe Wunde in die Seele stach.
Matthäus fordert Terzić-Debatte
Nun kommt es im letzten Spiel des Jahres zum Wiedersehen. Und wieder ist Terzić einer der Protagonisten. Er steht mitten im Sturm. In der Champions League führte er seine Mannschaft souverän und als Tabellenführer durch die Todesgruppe, während die Bundesliga zum Ort der Leiden wurde. Der Rückrunden-Rausch ist bloß noch eine spektakuläre Erzählung mit dem denkbar schlimmsten Ende. Wie auch Klubboss Hans-Joachim Watzke bei der Jahreshauptversammlung kürzlich nochmal durchblicken ließ. Mittlerweile haben die Dortmunder ganz andere Sorgen. Aus dem Titelkampf, der Bayer Leverkusen und der FC Bayern führen, hat sich die Mannschaft verabschiedet. 13 Punkte Rückstand auf die Werkself, das ist mehr als ein Brett. Da tröstet auch die ständige Betonung nichts, dass man in der vergangenen Saison neun Zähler auf den Rekordmeister gutgemacht hatte.
Beim BVB wirkt in diesen (Liga)-Wochen vieles zu fragil, zu undefiniert, als dass man Mut schöpfen könnte. Zu viele Spieler kämpfen mit sich und ihrer Form. Fast alle Neuzugänge sind nicht, zumindest nicht konstant und auf dem höchsten Level, die erhofften Verstärkungen und für das Erbe von Superstar Jude Bellingham findet sich keine Lösung. Als Tabellenfünfter ist derzeit sogar die erneute Qualifikation für die Champions League ein Ziel, um das mehr sehr viel mehr kämpfen muss, als man sich das vorgestellt hatte. In der Winterpause soll es nun eine ausführliche Aufarbeitung der ersten Serie geben. Und dabei wird auch die Arbeit des Trainers auf den Tisch gelegt. Experte Lothar Matthäus forderte die Bosse geradezu auf, sich mit der Terzić -Frage zu beschäftigen.
Ob das Mainz-Spiel an diesem Dienstagabend (20.30 Uhr bei Sat1, Sky und im ntv.de-Liveticker) tatsächlich ein Do-or-Die-Spiel wird, also ein Spiel, in dem es um die Zukunft des Trainers geht, der in den vergangenen Wochen mit ständigen wechselnden Aufstellungen und taktischen Ansätzen zunehmend verzweifelt auf der Suche nach der Erfolgsformel wirkte? Wenn nicht alles, so wird aber doch viel davon abhängen, wie dieses Spiel ausgeht und wie Mannschaft es bestreitet. Wieder kommt der Gegner in extrem schwacher Form daher, ein Déjà-vu mit dem 27. März möchte im alten Westfalenstadion niemand erleben.
"Das spielt überhaupt keine Rolle mehr"
Und so bemühen sie sich, die alten Geister, aus dem Umfeld der größten Arena zu vertreiben. Das Drama spiele "überhaupt keine Rolle mehr", behauptet Terzić. Er kann in diesen Tagen vermutlich sagen, was er will, jedes Wort wird auf dem Platz gewogen und die Winterrechnung miteinbezogen. Argumente für sich konnte der junge Trainer abseits der Champions League seit Wochen kaum noch sammeln. Von den letzten sechs Spielen wurde nur eins gewonnen - zur Milde trägt kaum bei, dass es dabei vor allem gegen die Topteams aus Leverkusen, aus München, Stuttgart und Leipzig ging. Die Art und Weise, wie manche Spiele bestritten wurden, sorgte für viel Unmut und Diskussionen in Fankreisen. Die Identität war abhandengekommen, die Stimmung ständig nahe dem Kipppunkt. Niemand wusste mehr, wofür dieser BVB stehen soll. Experten warfen Terzić Angsthasenfußball vor.
Der Trainer verspürt trotz der sich zuspitzenden Lage aber weiterhin das Vertrauen der Bosse. Und auch seiner Spieler. "Ich spüre die Rückendeckung sowohl von den Menschen, mit denen ich zusammen arbeite als auch aus der Kabine. Da hat sich nichts verändert. Wir sind gemeinsam schon zweimal durch solch eine Phase gegangen und haben bewiesen, dass wir das können." Auch die "Bild" berichtet, dass der Trainer bei den Chefs noch Kredit genießt, weil er in der Königsklasse, in der im Achtelfinale die PSV Eindhoven wartet, bewiesen hat, dass es geht, sehr gut sogar. Sky dagegen behauptet, dass mehrere Fußballer nach dem katastrophalen Pokal-Aus beim VfB Stuttgart (0:2) beim Trainer vorgesprochen und sich eine andere Taktik gewünscht haben. Terzic sei, so heißt es, nur gegen seinen Willen zur Anpassung bereit gewesen sein. Auch mit Watzke soll es Gespräche gegeben haben, Spieler sollen die Zusammenarbeit mit dem Trainer infrage gestellt haben. Der BVB-Boss dementierte das.
Nach dem Schlusspfiff am 27. Mai, als die Fassungslosigkeit noch in den Knochen aller steckte, riefen die Fans auf der Südtribüne den Spieler zu, dass sie "aufstehen" sollen. Sie taten es, ihre Trittsicherheit haben sie bis heute in Gänze nicht wiedergefunden. Ausgerechnet gegen Mainz sollen, nein müssen, sichere Schritte aber her, sonst wird es ein trauriges Weihnachtsfest. In schwarzgelber Stille.