Problem, der Idioten Herr zu werden BVB belohnt sich und ringt um Harmonie
09.02.2017, 09:46 Uhr
"Die wahren Fans."
(Foto: imago/Revierfoto)
Sportlich ist die Dortmunder Borussia auf gutem Wege, dem Sieg gegen RB Leipzig folgt gegen die Hertha der Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals. Trainer Tuchel hadert dennoch. Und die Randale beschäftigen den Klub weiter.
Thomas Tuchel wirkte recht gelassen, überhaupt nicht so gestresst und mitgenommen, wie sich Fußballtrainer durchaus fühlen dürfen, wenn ihre Mannschaft bis kurz vor Mitternacht gebraucht hat, um sich im Pokal durchzusetzen und sie dabei auch noch die Torturen der Verlängerung und des Elfmeterschießens durchleiden müssen. Es scheint, als sei bei Borussia Dortmund einiges geradegerückt worden innerhalb von nur vier Tagen.
Zumindest gilt das für den sportlichen Bereich. Zwei Siege, zuerst der in der Liga gegen RB Leipzig und nun am späten Mittwochabend das schwer erkämpfte 4:3 (1:1, 0:1) im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Hertha BSC, da gönnte sich Tuchel ein entspanntes Lächeln. Kurioserweise schaltete der BVB nach Union das zweite Team aus Berlin in Folge aus, beide Heimspiele wurden im Elfmeterschießen entschieden, nachdem es nach 120 Minuten 1:1 gestanden hatte. Es ist zuletzt viel spekuliert worden im Umfeld über atmosphärische Störungen zwischen dem Trainer und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Nun haben die beiden so eminent wichtigen Erfolgserlebnisse dafür gesorgt, dass zumindest vorerst Harmonie einkehren dürfte im Arbeitsverhältnis der Dortmunder Protagonisten.
"Die wahren Fans"
Dafür muss sich der börsenorientierte Revierklub umso intensiver mit Teilen seiner Fans beschäftigen. Die schlimmen Ausschreitungen vor der samstäglichen Bundesligabegegnung gegen Leipzig hallen immer noch nach. Vor dem Anpfiff des Pokalspiels gegen Berlin traf der Stadionsprecher im Flutlicht genau den richtigen Ton: Norbert Dickel verzichtete darauf, wie sonst üblich "im schönsten Stadion der Welt die besten Fans" zu begrüßen, sondern sprach stattdessen über "die wahren Fans". Kein Zweifel, die schlimme Eskalation der Gewalt, bei der auch Kinder, Frauen und Familien mit Pflastersteinen, Dosen, Flaschen und Farbbeuteln beworfen wurden, beschäftigt die Menschen in der Ruhr-Metropole weiterhin.
Sie sei "durch nichts zu rechtfertigen", betonte Tuchel, der sich an seine Jugend erinnert fühlte, "als ich oft mit meinem Vater im Fußballstadion war. Es muss doch möglich sein, als Familie mit Kindern friedlich ins Stadion zu gehen". Vor dem Anpfiff meldete sich Kapitän Marcel Schmelzer in einer Videobotschaft und bat im Namen der Mannschaft für die Ausschreitungen um Entschuldigung, wogegen die Ultras ansangen. Dortmund hat weiter viel zu tun, um den Fanfrieden wieder herzustellen. Heute kommt es zu einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung von Watzke mit dem Fanrat. Es wird wohl noch viele Probleme bereiten, der Idioten Herr zu werden, die dem Verein und seinem Ansehen empfindlichen Schaden zufügen.
"Aber uns fehlt der Punch"
Dagegen ist der BVB in seinem Kerngeschäft Fußball ganz offensichtlich auf einem guten Weg. Den merkwürdig mutlosen und verzagten ersten Auftritten nach der Winterpause in Bremen und Mainz ließ die Borussia gegen Leipzig und Berlin zwei resolute Vorstellungen folgen, in der sie viel von dem Tempo und dem enormen spielerischen Potenzial auf den Rasen brachte, das in dieser Mannschaft steckt. "Wir stehen derzeit mit einer sehr guten Ausstrahlung, einem guten Spirit und Qualität auf dem Platz", lobte Tuchel nach 120 ebenso kraftraubenden wie aufregenden Minuten gegen eine sich vehement zur Wehr setzende Berliner Mannschaft. Das Einzige, womit der Schwabe haderte, war der wieder einmal schlampige Umgang mit besten Torchancen. "Wir hatten so viele Möglichkeiten, das Spiel zu entscheiden", haderte Tuchel, "aber uns fehlt der Punch und der allerletzte Wille, die Sache zu entscheiden, wenn sie zu entscheiden ist."
Immerhin fanden die Dortmunder ihren Killerinstinkt, als es zum Showdown vom Punkt kam. Das galt vor allem für den erneut überragenden Ousmane Dembélé, der in der Verlängerung bereits entkräftet mit der Trage vom Platz getragen werden musste, dann zurückkehrte, um beim Elfmeterschießen den ersten Strafstoß mit Eiseskälte zu versenken. "Er hatte einen Ganzkörperkrampf und wurde am Spielfeldrand reanimiert", berichtete Tuchel mit süffisantem Lächeln, "aber als er es bis zum Elfmeterpunkt geschafft hatte, war ich zuversichtlich, dass er ihn auch reinmacht."
Neben Dembélé verdiente sich auch Torhüter Roman Bürki Fleißkärtchen, nachdem er den Strafstoß von Vladimir Darida glänzend pariert hatte, während Fabian Lustenberger (an die Latte) und Salomon Kalou (über das Tor) ohne sein Zutun scheiterten. "Lob an Roman", sagte Tuchel, "er war bei jedem Elfmeter dran, der aufs Tor ging." Mittelfeldspieler Julian Weigl brachte es mit einem Satz auf den Punkt: "Wir haben die Nerven behalten und einen super Torwart." Belohnt für ihre Courage wurden die Dortmunder kurz nach Mitternacht, als die Auslosung ergab, dass im Viertelfinale mit dem Drittligisten Sportfreunde Lotte ein machbarer Gegner wartet. Borussia Dortmund ist also in drei Wettbewerben gut dabei. Wie schnell sich die Stimmungslage doch ändern kann.
Quelle: ntv.de