Reus-Drama und Rasenfrechheit BVB überlebt die Dresdner Hölle knapp
04.03.2015, 07:28 Uhr
Der BVB bedankt sich bei seinen Fans für die Unterstützung in der "Dresdner Hölle".
(Foto: REUTERS)
"Schiss in der Hose", das prophezeit Pokalschreck Dynamo Dresden dem Favoriten Borussia Dortmund für das Achtelfinale und warnt vor der Hölle. Die erlebt der BVB tatsächlich, sogar zweimal. Aber anders als befürchtet nicht auf den Rängen.
"Wenn hier mal die Hölle losbricht", dann werde auch Dortmund "ein bisschen den Schiss in der Hose" haben. Die Prophezeiung von Alexander Schnetzler vor dem Pokal-Achtelfinale von Dynamo Dresden klang verwegen, aber Schnetzler ist ein verbriefter Fachmann für Dresdner Pokalwunder. 2011 hatte er beim 4:3-Coup gegen Bayer Leverkusen das Siegtor in der Verlängerung erzielt. Auch ohne zwischenzeitlichen 0:3-Rückstand wie damals gegen die Werkself wäre ein Sieg seines mittlerweile drittklassigen Ex-Klubs gegen wiedererstarkte Dortmunder als echte Sensation durchgegangen.

Immobile kann jubeln: Zwei Toren sichern seinem BVB den Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale.
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Doch bevor die Hölle in Dresden am Dienstagabend richtig losbrechen konnte, brach Michael Hefele ein. Im Tennis wäre dessen Ball aus der 50. Minute als simpler unerzwungener Fehler verbucht worden. Punkt für den Gegner, Eintrag in die Statistik, kurz ärgern, weitermachen. Aber Michael Hefele ist eben kein Tennisprofi, er spielt Fußball für Dynamo und dieser Fehlpass war nicht irgendeiner in einem zerfahrenen Pokal-Achtelfinale. Er war die torentscheidende Szene in einem Spiel, in dem sich ein drittklassiger Außenseiter und ein haushoch favorisierter Champions-League-Achtelfinalist ansonsten auf Augenhöhe bekämpften.
Während der BVB den in der Dresdner Hölle am Ende 2:0 gewonnenen Pokalfight zufrieden als erfolgreichen "Charaktertest" (Coach Jürgen Klopp) abhaken konnten, haderten die Dresdner: "Mit dem Ergebnis unzufrieden, mit der Leistung zufrieden", lautete das Fazit von Dresdens Trainer Peter Nemeth. Die verpasste Chance auf den nächsten Cup-Coup nach den vorangegangenen Pokalsensationen gegen Schalke und Bochum wollte nicht aus den Dresdner Köpfen, und am meisten haderte Hefele.
Gekämpft, geackert, gebissen - gepatzt
"Es tut mir für die Mannschaft leid, es tut mir die Fans leid." Diesen Satz wiederholte der Abwehrspieler an diesem Abend mehrfach, sichtlich mitgenommen. Erklären konnte er seine Vorlage zum Dortmunder 1:0, diese komplett überflüssige Flanke am eigenen Strafraum genau auf die Brust von BVB-Stürmer Ciro Immobile, ja auch nicht. Er wusste aber: "Wenn das nicht passiert, steht es noch ein bisschen länger 0:0. Wir haben sehr gut verteidigt, wir haben alle gekämpft, geackert, gebissen."
Den bissigen Dresdner Kampf hatten die Dortmunder früh zu spüren kommen. Mit ihrer äußerst engagierten Zweikampfführung grätschten die Gastgeber sofort alle Assoziationen zum einstigen Weißen Ballett von Real Madrid weg, die der BVB durch sein Pokaloutfit geweckt hatte. Wegen der Farbverwandtschaft zu den Dresdnern spielte die Borussia fast völlig in Weiß, doch die Offensivleistung gegen äußerst defensive Dresdner passte sich dem farblosen Outfit rasch an. Zweck des Dortmunder Tuns war ohnehin nicht, der Gala gegen Schalke eine Gala in Dresden folgen zu lassen. Dem BVB ging es vor allem darum, sich die Hochstimmung nicht nur eine Pokalblamage zu vermiesen.
Das gelang mit dem fünften Sieg aus den vergangenen sechs Pflichtspielen, obwohl der BVB wegen muskulärer Probleme mit "Batman" Pierre-Emerick Aubameyang kurzfristig auf seinen Toptorjäger verzichten musste und der Rest des Teams von den Dresdnern intensiv bearbeitet wurde. In der 2 4. Minute verlor der BVB mit Marco Reus eine weitere Säule seines Angriffsspiels, der Nationalspieler musste nach einem zu engagierten Dresdner Zweikampf ausgewechselt werden. Erste Diagnosen schwankten zwischen Knieprellung und Pferdekuss, ein größeres Drama scheint dem kleinen diesmal nicht zu folgen. Kurz vor der Pause herrschte dann BVB-Stürmer Ciro Immobile an der Seitenlinie wutentbrannt den Vierten Offiziellen wegen eines zum Ellbogenschlag verunglückten Luftzweikampfs von Hefele an. Das weiße Trikot des Italieners war mit Blutspritzern verziert, sein Doppelpack nach der Pause (50./90.) gewissermaßen die Rache.
Gesang auf den Rängen, Hölle auf dem Rasen
Zwischendrin hatten die Dortmunder Glück, dass die wenigen Dresdner Konterchancen leichtfertig vertändelt oder wie kurz vor der Pause zu Unrecht abgepfiffen wurden. Insbesondere nach der Dusel-Führung ließ Dortmund die Dresdner mit Leichtfertigkeiten im Spielaufbau fast noch einmal zurück in die Partie. Zudem bekam der BVB eine Ahnung davon, warum die Dresdner Arena als Stimmungstempel gilt. Der schlecht beleumundete Dynamo-Anhang zeigte sich von seiner besten Seite und vor dem Anpfiff eine hübsche Planierraupe-walzt-Pott-platt-Choreographie. Danach mischte er in sein umfangreiches Dynamo-Gesangsgut den dank Bastian Schweinsteiger bundesweit bekannten Stadionhauer "BVB-Hurensöhne", skandalöser wurde es nicht.
Nur: Ein in Schwarzgelb gewandetes Stadion, das seine Mannschaft bedingungslos unterstützt – das ist den Dortmundern nicht ganz neu. Zumal die rund 3000 BVB-Fans unter den 30.503 Zuschauern im bis auf sechs Bengalos und zwei Böller angenehm friedlichen und pyrofreien Dresdner Gesangswettbewerb unermüdlich mitspielten.
Als Hölle entpuppte sich in Dresden für die Dortmunder dank Hefeles Geschenk am Ende nur der Rasen. Als Sieger dürfe man das ja mal ansprechen, formulierte BVB-Kapitän Mats Hummels seine Kritik am kurzpassfeindlichen Rasenflickwerk noch vorsichtig. Deutlicher wurde sein Coach, der ungefragt zu einer Wutrede ansetzte. "Die Leute gucken draußen zu und wundern sich, warum die Spieler auf einmal nicht kicken können. Das liegt am Platz, das kann ich allen sagen."
Dresden sei eine wunderschöne Stadt, aber: "Dieser Rasen ist eine absolute Frechheit." Und darunter hätte nicht nur sein Team gelitten, darunter würden vor allem Dynamos Ambitionen leiden: "Hier ist vor kurzem ein Kollege entlassen worden, weil man aufsteigen soll. Ich wünsche Peter alles Gute und wünsch ihm zu Ostern einen neuen Platz."
Quelle: ntv.de