Die Lehren des 23. Spieltags Bayern sextupelt, Reus zaubert aufm Acker
19.02.2018, 07:27 Uhr
Marco Reus versetzt seinem Ex-Klub Gladbach einen Stich.
(Foto: AP)
Auch mit der C-Elf entführt der FC Bayern am 23. Bundesliga-Spieltag den Sieg aus Wolfsburg. Marco Reus rutscht ein Zaubertor raus und beim HSV sind Idioten am Werk. Der Videoassistent bricht FC-Herzen und Schalke gewinnt das Duell der Supernerds.
Bayern nimmt das Sextuple in Angriff
Ob sich Arjen Robben so langsam wie ein Auslaufmodell vorkommt? Dass diese ganzen Frischlinge aus den Akademien so verdammt jung sind, daran wird sich der 34-Jährige gewöhnt haben. Aber mittlerweile scheint die Generation U20 das Interesse an ihm verloren zu haben. Robben ist für sie wohl schon ein Relikt, etwas, das man nur vom Hörensagen oder aus den Fotoalben der Eltern kennt, wie Festnetztelefone, die Deutsche Mark oder, nunja, Fotoalben. Anders können wir uns jedenfalls nicht erklären, warum der 19-jährige Gian-Luca Itter dem Niederländer allen Ernstes den Arm auf die Schulter legte. Im Strafraum. In der Nachspielzeit. Jeder im Stadion wusste, was kommen würde: Robben sank zu Boden, Elfmeter, Lewandowski verwandelte zum 2:1-Sieg der Bayern gegen Wolfsburg. Und Robben ahlte sich in seiner Rolle als Schulmeister: "Das ist die knallharte Fußballwelt. So lernt man, so wird man ein großer Junge."

Arjen Robben ist cleverer als sein junger Gegenspieler Gian-Luca Itter - und schindet einen Elfmeter.
(Foto: imago/Contrast)
Deutscher Meister wird man, auch das weiß der Grandseigneur des Elfmeterschindens nur zu gut, wenn man Spiele wie jenes in Wolfsburg gewinnt. Nicht, dass es bei gefühlten 82 Punkten Vorsprung auf den ständig wechselnden "Bayern-Jäger" auf Platz zwei wirklich auf diesen einen Sieg mehr oder weniger angekommen wäre, aber: die Bayern zeigten sich gallig. Trotz "Massenrotation", wie es die Kollegen aus der Physik-Redaktion der "Augsburger Allgemeinen" formulierten, trotz Rückstand, trotz fehlender Notwendigkeit erarbeiteten sie sich den Sieg. Dafür braucht es Typen wie Sandro Wagner, der seinen Ausgleich bejubelte wie einen Olympiasieg und den Last-Minute-K.-o. sichtlich genoss: "Da gibt es andere, die mir leid tun, Wolfsburg definitiv nicht."
Es war ein wichtiges Zeichen im Hinblick auf den 27. Spieltag am 18. März, wenn der FC Bayern wohl spätestens die Meisterschaft perfekt machen wird. In der Ära Guardiola verloren die Münchner danach stets das Momentum, das soll diese Saison anders sein, sagte Trainer Jupp Heynckes: "Es wird nicht passieren, dass wir nachlassen." Schließlich träumen sie an der Isar wieder vom Triple, nicht nur in der Allianz-Arena, sondern auch im "Audi Dome": Die Abteilung Basketball feierte am Sonntag den ersten Pokalsieg seit 50 Jahren, in Liga und Europapokal liegen Ulis Lange Kerls aussichtsreich - und lassen die Hoffnungen auf eine Sextuple-Feier am Marienplatz keimen. Und die Fußballerinnen hat der Klub ja auch noch in petto.
Der BVB holpert, kommt aber voran
Wer die ersten, eher mauen Spiele des BVB unter Peter Stöger gesehen hat, konnte sich vieles vorstellen, wohl aber kaum, dass der Österreicher gleich mal einen Rekord bricht. Und doch hat Stöger mit dem 1:0 in Mönchengladbach die ersten acht Begegnungen ungeschlagen überstanden, eine neue Bestmarke für einen Dortmunder Trainer. Zu verdanken hat er das ausgerechnet Roman Bürki, zuletzt das größte Sicherheitsrisiko in Schwarz-Gelb, seit Döner-Weitwerfer Kevin Großkreutz den Verein verlassen hat. In Gladbach vereitelte der Schweizer elf Chancen der Gastgeber, das ist Saisonrekord und eine starke Antwort auf die harsche Kritik der letzten Wochen: "Eine Woche bist du der Held, eine Woche bist du wieder der Idiot."
Apropos Kevin Großkreutz: Erinnern Sie sich an die Meisterschaft des BVB im Jahr 2011? Der Mittelfeldmann hatte versprochen, sich eine Glatze rasieren zu lassen, die Kollegen kamen aber nur bis zur Hälfte und ließen auch sonst noch so einige Stoppel stehen. Nun: So ungefähr sah am Sonntag der Rasen im Borussia-Park aus. Hier und da ein paar Streifen feinstes Grün, dazwischen ein Acker wie auf der Grasbahn in Lüdinghausen nach dem Westfalenring-Rennen. Ein denkbar schlechter Untergrund für die begnadeten Techniker in der Angriffsreihe des BVB, umso bemerkenswerter Marco Reus' kunstvoller Vollspann-Stoß genau unter die Latte zum Siegtreffer - noch bemerkenswerter seine Ehrlichkeit: "Ich habe den überhaupt gar nicht gut getroffen. Sieht schön aus, aber ich wollte ihn links oben reinschießen."
Der Videoassistent hat ein echtes Grundproblem
Gladbachs Coach Dieter Hecking schaute nach Abpfiff noch in der Schiedsrichter-Kabine vorbei, aber nicht, um Bastian Dankert um einen Eintrag in sein Poesiealbum zu bitten. Der Referee hatte in der Nachspielzeit ein elfmeterwürdiges Foul übersehen, und die Kölner Zentrale ihn auf Nachfrage nicht korrigiert. "Vielleicht war in Köln wieder einer eingeschlafen", ätzte Hecking. Zum wiederholten Male verweigerten die Videoschiedsrichter der Borussia einen eigentlich klaren Elfmeter, wie schon am 18. Spieltag beim Rheinderby in Köln. Schwacher Trost für die Gladbacher Fans: Der ungeliebte Rivale hatte am Samstag auch mal wieder Pech mit der Technik, zum brutalstmöglichen Zeitpunkt. Quasi mit Abpfiff köpfte Claudio Pizarro das 2:1, die Hoffnungen der Kölner auf den Klassenerhalt lebten genau 86 Sekunden, dann zeichnete Schiri Markus Schmidt ein Rechteck in den Himmel. Kein Treffer, Risse stand vorher im Abseits. Eine richtige Entscheidung, aber keine faire: Wegen der Probleme mit den kalibrierten Linien sollen eigentlich keine Abseitsentscheidungen zurückgenommen werden, der HSV profitierte davon bei seinem 1:1 in Leipzig Ende Januar - Wettbewerbsverzerrung also, ein heftiger Vorwurf, den sich DFB und DFL dank ihrer weiterhin katastrophalen Kommunikation gefallen lassen müssen. Die wütenden FC-Spieler plädierten außerdem auf ausgleichende Ungerechtigkeit: Zweimal hatte Schmidts Team zu Unrecht Kölner Angreifer wegen Abseits zurückgepfiffen, kein Videobeweis der Welt kann das rückgängig machen.
Drei Fehlentscheidungen wären vielleicht tatsächlich gerechter gewesen als zwei. Ein Grundproblem, das bleibt. Genau wie die Möglichkeit, dass auch nach Ansicht der Fernsehbilder Fehlentscheidungen getroffen werden, siehe die sehr gönnerhafte Gelbe Karte für Franck Ribery für seinen Schlag gegen den Wolfsburger Renato Steffen. Und ganz zu schweigen von den Situationen, die auch in der x-ten Wiederholung nicht zweifelsfrei zu bewerten sind. Es ist das unauflösbare Dilemma des Videobeweises: Er minimiert die Anzahl der Fehlentscheidungen, das ganz sicher. Aber er macht das Spiel und die Liga dadurch nicht unbedingt gerechter. Ziemlich wenig Ertrag für den hohen Preis, den der Fußball dafür zahlt - die heftigen Diskussionen bleiben, die Wartezeiten auf die endgültigen Entscheiden zerstören die spontanen Emotionen, was Spieler wie Fans gleichermaßen verärgert. "Jeder, der den Fußball liebt, ist in dieser Saison davon abgerückt", sagte FC-Torwart Timo Horn noch voller Emotionen. Wenn der erste Ärger verraucht ist, sollte man ihn nochmals befragen. Und dann sollten DFB und DFL genau hinhören.
Beim HSV ist nicht nur das Team abstiegsreif
Der Kollege mit dem rautenförmigen Herzen muss sich so langsam einen neuen Spruch überlegen. "Nicht mal absteigen können sie", sagt er gerne dann, wenn die Situation beim HSV mal wieder Galgenhumor erfordert, und wann tut sie das nicht? Am Samstag lieferten sich das Team auf dem Rasen und ein paar Dutzend Fans ein Duell um den lächerlichsten Auftritt, am Ende ein klarer Punktsieg für die Vollpfosten in der Kurve, die ein Banner zeigten mit der Aufschrift: "Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir Euch durch die Stadt." Die Spieler rafften sich wenigstens in den letzten 20 Minuten auf, da hatten die Leverkusener ihre zwei Tore allerdings schon gemacht respektive geschenkt bekommen von einem erschreckend schwachen Gastgeber, der nach dem 1:2 nun die schlechteste Bilanz der Rückrunde aufweist.
Zum sportlichen Elend auf dem Platz gesellt sich Unruhe auf der Führungsebene - am Sonntag wurde Bernd Hoffmann mit knapper Mehrheit und unter "Hoffmann raus!"-Rufen zum neuen Präsidenten gewählt. Der 55-Jährige hat in seiner ersten Amtszeit von 2003 bis 2001 einen Ruf als guter hanseatischer Kaufmann und gnadenloser Trainer-Killer erworben. "Ich halte Kontinuität für die falsche Strategie", sagte er gleich nach seiner Wahl. Noch hat er nicht die Hausmacht, Vorstandschef Heribert Bruchhagen oder gar Trainer Bernd Hollerbach zu feuern. Für Ruhe dürfte sein Statement allerdings nicht sorgen - und das vor den zwei vielleicht entscheidenden Spielen der Saison. Am kommenden Wochenende reist der HSV zum Nordderby nach Bremen, danach kommt Mainz, ein Geschenk der Spielplaner. Denn wenn die vergangenen Spielzeiten etwas Gutes hatten, dann die Gewissheit: Abstiegsendspiele können sie beim HSV.
Tedesco ist der größte Streber der Bundesliga
War ja klar: Domenico Tedesco hat den DFB-Trainerlehrgang mit 1,0 abgeschlossen, Julian Nagelsmann "nur" mit einer 1,3 - also haben die Schalker das Topspiel gegen Hoffenheim knapp mit 2:1 für sich entschieden. Weil Tedesco seine asymmetrische 4-4-2-Raute gegen Nagelsmanns 3-1-4-2-Aufbau probierte und zur Halbzeit auf ein 3-4-2-1 umstellte. "Es gab zu große Distanz von unserer Kette zum Block von Schalke", monierte Nagelsmann. Tedesco erklärte den Gegentreffer seiner Schalker damit, dass Daniel Caligiuri "nochmal rausverlagert wurde, und dann fehlt's in der Box". Alles ganz logisch, alles ganz rational. Aber was sich nach Fußball für Vulkanier anhörte, war ein flotter Kick - mit einfachen Erklärungen für die Schalker Tore: Beim Kopfball von Kehrer kann die TSG eine Ecke nicht klären, das 2:0 von Breel Embolo geht zu 100 Prozent auf Kevin Vogt, der einen Pass in den Fuß des Schalkers spielt. Und auch, wenn die Ausführungen der beiden "Trainer-Superhirne" ("Bild") so verkopft daherkommen, als trainierten sie nebenbei noch für das Schach-Kandidatenturnier in Berlin im März: Wenn am Ende so ein Spiel dabei rauskommt, haben wir nichts gegen Laptoptrainer.
Korkut kann es doch
Nicht nur, dass Nagelsmann von Tedesco ausgecoacht wurde - angeblich wurde er auch noch von den Schiedsrichtern beleidigt. Mit geballter Faust brüllte er nach dem Spiel Benjamin Brand und sein Team an, was genau ihn störte, sagte er lieber nicht: "Das müssen Sie die Schiedsrichter fragen." Sein Augsburger Kollege Manuel Baum erzählte Referee Tobias Stieler noch während des Spiels, was ihn stört, und landete prompt auf der Tribüne. "Ich habe mich ganz normal mit dem Vierten Offiziellen unterhalten", meinte Baum, klassischer Fall von Meinungsverschiedenheit. Die Wortwahl des Augsburgers sei "nicht akzeptabel" gewesen, sagte Schiri Stieler, die Causa wird vom dem Sportgericht entschieden. Grund für Baums Ärger übrigens: Stuttgarts Siegtorschütze Mario Gomez ("Wer ihn kennt, der fällt beim kleinsten Windhauch um.") und der Videobeweis, der die Augsburger sowohl den vermeintlichen Ausgleich als auch einen Elfmeter kostete. Beides korrekte Entscheidungen, aber auch in Augsburg gewinnt der Videoschiedsrichter keinen Beliebtheitswettbewerb.
Das dachte man in Stuttgart auch von Tayfun Korkut. Als er Ende Januar zum Nachfolger von Hannes Wolf bestimmt wurde, reagierte die Stuttgarter Anhängerschaft ungefähr so begeistert, als hätte der Klub Alex Zorniger wieder zurückgeholt. Der Punkteschnitt von 1,0 aus seiner Zeit in Leverkusen sprach auch nicht unbedingt für Korkut, sein Start mit dem VfB umso mehr. Zwei Siege aus drei Spielen, nun sogar der erste Auswärtserfolg der Saison - so macht man sich in Rekordzeit sehr beliebt, und nebenbei einige Twitter-Experten lächerlich.
Quelle: ntv.de