Nike-Deal des DFB erregt Politik Bierhoff watscht Merz und Habeck ab
23.03.2024, 09:15 Uhr
Bierhoff hatte schon vor Jahren beim DFB für einen Wechsel zu Nike geworben.
(Foto: IMAGO/Ulmer/Teamfoto)
Ab 2027 laufen die Nationalmannschaften des DFB in Nike auf, der langjährige Partner Adidas ist raus. Dieser Wechsel löst zahlreiche Reaktionen aus. Der ehemalige Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff gibt einen Einblick in die Entwicklung und wählt klare Worte in Richtung empörter Politiker.
Jahrelang hat Nike gebaggert, jetzt hat der "Swoosh" das DFB-Trikot erobert. Wie aggressiv der Weltkonzern aus Beaverton im US-Bundesstaat Oregon bei seinem Kampf gegen Adidas vorging, verriet Oliver Bierhoff im Interview mit dem "Spiegel". 2007 habe Nike dem Deutschen Fußball-Bund "weitaus mehr als das Vierfache" geboten, "was man von Adidas bekommen hat", sagte der frühere DFB-Direktor. Dennoch fiel die Entscheidung zugunsten der Franken aus. "Damals hat man den Sprung noch nicht gewagt. Dass es jetzt geht, zeigt, dass man wirtschaftliche Gesichtspunkte stärker in die Bewertung hineinnimmt als früher", sagte Bierhoff, einst selbst Markenbotschafter für Nike.
Trotz seiner Vergangenheit im Auftrag des US-Unternehmens behauptet Bierhoff, einen neutralen und nüchternen Blick auf den Trikottausch zu haben, der weit über die Fußballszene hinaus für Aufregung gesorgt hatte. "Grundsätzlich bin ich beiden Unternehmen stark verbunden, ich bin in einem adidas-Trikot 1996 Europameister geworden und auch bei unserem WM-Titel 2014 waren sie unser Ausrüster", erklärte Bierhoff.
Der 55-Jährige prophezeit: "Der deutsche Fußball steht vor einer Wende. Er steht vor der Frage: Was ist Emotion und Tradition?" Die Kritik einiger Politiker wie Vize-Kanzler Robert Habeck ("Hätte mir mehr Standortpatriotismus gewünscht") oder CDU-Chef Friedrich Merz ("Die Entscheidung ist unpatriotisch") bezeichnete Bierhoff als "reinen Populismus".
Bierhoff: Deutsch und Tradition sind keine Werte an sich
Auch diverse andere Politiker hatten sich meinungsstark zu Wort gemeldet, darunter Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ("Deutscher Fußball ist Heimat pur"), Thüringens Landeschef Bodo Ramelow ("Reduzierung ausschließlich auf Geld und Dollarzeichen geht mir echt auf die Nerven") und Gesundheitsminister Karl Lauterbach ("Kommerz vernichtet eine Tradition und ein Stück Heimat"). Hessens Ministerpräsident Boris Rhein bezeichnete Nike gar als "amerikanische Fantasiemarke".
Bierhoff zeigte sich von dieser einmal angestoßenen "Heimat"-Diskussion unbeeindruckt. Argumente wie "das ist deutsch und das ist Tradition" könnten "allein auch nicht mehr zählen". Stattdessen werde "der Sport oft von Politikern als Plattform genutzt". Sein Ratschlag: "Politiker sollten sich aus dieser Diskussion heraushalten, die kennen die Hintergründe gar nicht."
DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald sagte "Capital", der Verband habe "faktisch keine Wahl" gehabt, weil die Angebote von Adidas und Nike so weit auseinander gelegen hätten.
Er sagte "in aller Deutlichkeit: Wenn wir bei den Angeboten, wie sie auf dem Tisch lagen, den Zuschlag an Adidas gegeben und dies mit Argumenten wie der langen Partnerschaft, Vertrauen und Treue begründet hätten, dann hätte ich wahrscheinlich schon heute die Staatsanwaltschaft im Haus gehabt. Selbst wenn der DFB Adidas unbedingt hätte halten wollen - es wäre auf der Grundlage der vorliegenden Angebote nicht gegangen." Und richtete dann das Wort direkt an Habeck: "Hier erwarte ich auch von einem Bundeswirtschaftsminister, dass er so etwas weiß."
"Profifußball ist natürlich voll im Kommerz angekommen"
Auch Bierhoff betonte, dass der Deal mit Nike dem klammen DFB aus der Bredouille helfe. "Davon gehe ich in jedem Fall aus. Auch wenn der Deal erst in drei Jahren stattfindet, kann man jetzt durchatmen und kann ganz anders planen. Das wird dem Verband eine Last von der Schulter nehmen", sagte Bierhoff. Der DFB komme "aus einer sportlich und wirtschaftlich schwierigen Zeit. Das Angebot zeigt, dass der deutsche Fußball und die Nationalmannschaft immer noch interessant für Partner sind."
In seiner Zeit beim DFB hatte Bierhoff das Aushängeschild Nationalmannschaft offensiv vermarktet. Dafür zog er teilweise heftige Kritik auf sich. "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass eine Marke wie 'Die Mannschaft' international immer noch Interesse hervorruft. Ich hielt die ganze Debatte darum immer für unsinnig", sagte Bierhoff: "Wir müssen doch ehrlich sein: Natürlich steht der Sport im Vordergrund, aber wir sind auch im Profifußball voll im Kommerz angekommen."
Der frühere Stürmer und zweifache Torschütze im EM-Finale 1996 arbeitete 18 Jahre lang für den DFB. Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM 2022 in Katar musste er den Verband verlassen. Heute ist er für die Anlagefirma Finvia Sports und als Berater für das Deutschlandgeschäft der New England Patriots aus der amerikanischen Football-Profiliga NFL tätig.
Quelle: ntv.de, tsi/sid