Großer Krampf zum Quali-Abschluss DFB-Elf daddelt sich gegen Georgien zur EM
11.10.2015, 22:35 Uhr
Max Kruse kam, sah und traf zum 2:1-Siegtreffer gegen Georgien. Schön anzusehen war das Spiel der DFB-Elf gegen den Weltranglisten-110. aber wieder nicht.
(Foto: REUTERS)
Die deutsche Fußball-Nationalelf fährt zur Europameisterschaft nach Frankreich - nach einem mäßigen Auftritt gegen den Außenseiter aus Georgien, bei dem die DFB-Elf weiter das Dublin-Syndrom plagt.
Das hat dann nicht so ganz funktioniert. Er wolle "ein bisschen in die Köpfe der Spieler rein", um dort einzumeißeln, "dass sie sich aus der Überlegenheit nicht zu sicher fühlen", hatte Bundestrainer Joachim Löw gesagt. Sagen wir es so: Zumindest im Kopf von Marco Reus scheint er nicht erfolgreich gewesen zu sein. Auch bei dessen Kollegen kam Löws Botschaft bestenfalls fragmentarisch an. Immerhin schoss die deutsche Fußball-Nationalelf in Leipzig zwei Tore - anders als beim verdaddelten Auftritt in Irland. Sie schlug in ihrem letzten Qualifikationsspiel den Außenseiter aus Georgien mit 2:1 (0:0) und fährt nun als Sieger der Gruppe D zusammen mit den zweitplatzierten Polen zur Europameisterschaft 2016 nach Frankreich. Irland muss nach dem 1:2 (1:2) in Polen als Gruppendritter in die Playoffs.
Tore: 1:0 Müller (50./FE), 1:1 Kankawa (53.), 2:1 Kruse (79.)
Deutschland: Neuer - Ginter, Boateng, Hummels, Hector - Gündogan, Kroos - Müller, Özil, Reus (90. Bellarabi) - Schürrle (76. Kruse)
Georgien: Rewischwili - Kwerkwelia, Amisulaschwili, Kaschia - Lobjanidse, Nawalowsky - Kankawa, Kwekweskiri (76. Chisanischwili) - Kasaischwili (90. Kobachidse), Okriaschwili - Gelaschwili (46. Watsadse)
Referee: Kralovec (Tschechien) Zus.: 43.630 (av)
Für Deutschland traf Thomas Müller nach 50 Minuten per Foulelfmeter zum 1:0. Jaba Kankava glich drei Minuten später aus, ehe der kurz zuvor eingewechselte Max Kruse (79.) das 2:1 markierte. Hieß in der Summe: Qualifikation geschafft, Mission erfüllt. Ernsthaft daran gezweifelt hatte niemand, schließlich hätte der DFB-Elf gegen den 110. der Weltrangliste ein Remis gereicht. Dennoch lag an diesem winterlich kalten Abend ein Hauch von Spannung über dem mit 43.630 Zuschauern ausverkauften Zentralstadion, der dadurch ein wenig verstärkt wurde, dass die Gastgeber sich - Dublin lässt grüßen - zwar Chance um Chance erspielten, aber den Ball nicht im von Nukri Revishvili bestens gehüteten Tor unterbrachten. Dennoch dauerte es nur zwölf Minuten, bis der Abend seinen ersten Höhepunkt hatte. Das geneigte Publikum war nach 720 Sekunden bereits so berauscht - allerdings weniger vom Spiel, als von sich selbst - dass es die erste Laola durch das sonst auffällig stille Rund wabern ließ.
Fürchterliche Halbzeit für Reus
Eine gute Idee, um bis dahin recht aufmüpfige Georgier auf ebenso bewegungsarmes Entspannungsyoga herunterzukühlen wie die eigene Mannschaft. Und die empfand das monotone Auf und Ab auf den Rängen so wohltuend, dass sie es sich kurz vor dem Strafraum der Osteuropäer gemütlich machte. Und zwar so gemütlich, dass sie kaum Lust verspürte, sich zu bewegen. Oder sagen wir so: Die deutschen Spieler bewegten sich gerade so viel, dass sie nicht einzufrieren drohten. Wobei das eigentlich nur für zehn Aktive im DFB-Dress galt. Denn es gab eine Ausnahme: Marco Reus. Der wirbelte eigentlich überall rum. Und er machte 45 Minuten überall alles verkehrt. Wohl selten erlebte ein so hoch verlangter Spieler, wie es der Dortmunder unbestritten ist, eine so fürchterliche Halbzeit wie gegen Georgien.
Das Reus’sche Drama begann in der zwölften Minute, als er ziemlich alleine vor dem in dieser Situation eigentlich ziemlich chancenlosen Revishvili stand. Während sich das Publikum bereits einig war, dass der Gruppensieg nach Vollendung des Angriffs gebucht werden könnte, entschied sich Reus für die Variante: Spiel spannend halten. Er schoss den Ball technisch sehenswert kräftig über das Tor. Und auch knapp 20 Minuten später blieb er seiner persönlichen Leitidee treu: Wenn es schon spannend sein soll, dann bitte eben auch bis zum Schluss. Nach einem eleganten Anspiel seines Klubkollegen Ilkay Gündogan setzte Reus den Ball rechts neben das Tor. Und nur sechs Minuten später entschied er sich für den Option: Torwartanschießen. Özil hatte den Ball zuvor in den Strafraum gelupft, Reus ihn prima verwertet - um dann erneut zu scheitern.
Lieber mal laute Musik in der Pause
Jetzt könnte man meinen, außer Reus nix los in Leipzig? Stimmt, aber nicht! Denn beinahe wäre es so richtig spannend geworden. Das dem nicht so war, hatte die DFB-Elf wieder einmal Welt-Titan Manuel Neuer zu verdanken. Der entschärfte die einzige, allerdings sehr gute Chance der Gäste. Valeri Kazaishvili war Mats Hummels entwischt, hatte den auffälligen Tornike Okriashvili gefunden und der hatte den Ball zwar stark, aber nicht stark genug auf das deutsche Tor geschossen. Hätte er die Georgier in Führung geschossen, Deutschland wäre auf den Playoff-Rang drei abgerutscht, stand es doch zu diesem Zeitpunkt in Warschau 1:1 zwischen den Verfolgern aus Polen und Irland. So aber ging's tatsächlich mit einem kaum für möglichen gehaltenen 0:0 in die Pause. Ob es Unmutsbekundungen des bis dahin höflich-ruhigen Publikums gab? Wissen wir nicht. Denn mit dem Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Pavel Kralovec wurde die Musik sehr laut aufgedreht. Keine ganz schlechte Idee.
Und dann? Deutsches Donnerwetter? Wütender Wirbelsturm? Weder noch. Mit ungetrübter Freude am bewegungsarmen Spiel kehrte das DFB-Team auf den Rasen zurück. Und es wurde zunächst sogar belohnt für die Maxime, wenig Aufwand, ausreichend Ertrag. In der 49. Minute nahm Mesut Özil den etwas robusteren Körpereinsatz seines Gegenspielers Jaba Kankava an, kam zu Fall, Elfmeter. Eine vertretbare Entscheidung, die Müller zum 1:0 nutzte. Jetzt aber, der Eisbrecher? Endlich ein dominanter Auftritt? Ja, absolut. Die Georgier kamen nun richtig gut ins Spiel und ganz schnell zum Ausgleich. Nur vier Minuten nach seinem ungestümen Zweikampf bügelte Kankava seinen Fehler wieder aus und traf zum 1:1. Der deutsche Außenverteidiger Jonas Hector hatte den Ball zuvor passgenau in die Mitte geköpft, wo Kankava per perfekter Volleyabnahme vollendete.
Und es wäre fast noch besser gekommen, für die Georgier. Wäre Valeri Kazaishvili in der 57. Minute nach einem mutigen Dribbling nicht durchaus elfmeterwürdig von Ilkay Gündogan am präzisen Torschuss gehindert worden. Oder hätte Neuer nicht erneut seine Klasse gezeigt, als er einen Schuss von Okriashviliy aus sieben Metern über die Latte lenkte. Und die Deutschen? Die ließen sich von der Aufmüpfigkeit der Osteuropäer letztlich doch nicht provozieren. Sie stolperten sich ganz galant nach Frankreich - sogar als Gruppensieger, weil der erst kurz zuvor eingewechselte Max Kruse elf Minuten vor dem Ende der Partie doch noch einen Weg fand, den Ball gewinnbringend im georgischen Gehäuse unterzubringen.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die DFB-Elf es geschafft hat - auch wenn das Dublin-Syndrom noch nicht ganz aus den Köpfen ist. Aber die EM beginnt ja erst am 10. Juni 2016. Da kann der Bundestrainer vorher noch einmal versuchen, seine Botschaft in die Köpfe seiner Spieler zu meißeln. Vielleicht auch mit Hilfe eines Presslufthammers.
Quelle: ntv.de