Fußball

Biedere Iren, schludrige DFB-Elf Löw keilt nach unnötiger Pleite gegen alle

"Eine der unnötigsten Niederlagen": Bundestrainer Joachim Löw.

"Eine der unnötigsten Niederlagen": Bundestrainer Joachim Löw.

(Foto: imago/ActionPictures)

Mit ätzender Kritik an Irlands 100 langen Bällen, aber auch an seinen Spielern reagiert der Bundestrainer auf die historische Niederlage. Ihn wurmt, dass sich sein Team vom Gegner übertölpeln lässt. Martin O’Neill kontert lässig.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft konnte gar nicht schnell genug aus dem Dubliner Stadion kommen. Um 22.29 Uhr Ortszeit, keine 60 Minuten nach Abpfiff des blamablen 0:1 gegen Irland, rollte der Teambus bereits aus dem Aviva-Stadion. Die irischen Fans feierten da noch immer den sensationellen ersten Pflichtspielsieg Irlands gegen den Weltmeister, der Irland die Chance auf die direkte EM-Qualifikation erhält und Deutschland zittern lässt. Es war ein Triumph, der die Iren so unerwartet ereilt hatte wie die DFB-Elf das Siegtor durch Shane Long, der Welttorhüter Manuel Neuer bei seiner Chance aus dem Nichts nach 70 Minuten mit einem perfekten Abschluss überwand.

Was wäre, wenn?

Die DFB-Elf qualifiziert sich direkt für die EM 2016, wenn ...

... sie am Sonntag ab 20.45 Uhr ihr Spiel in Leipzig gegen Georgien gewinnt oder zumindest unentschieden spielt.

... sie gegen Georgien verliert und es im Spiel zwischen Polen und Irland einen Sieger gibt.

... sie gegen Georgien verliert, Polen und Irland sich unentschieden trennen und Deutschland bester Gruppendritter wird.

Die DFB-Elf muss in die Playoffs, wenn...

... sie gegen Georgien verliert, Polen und Irland sich unentschieden trennen und Deutschland nicht bester Gruppendritter wird.

Für Bundestrainer Joachim Löw fühlte sich die Niederlage allerdings nicht nach einem jener Lucky Punchs an, die auch im Fußball immer mal wieder vorkommen können. Löws Spielanalyse klang vielmehr danach, dass seine Mannschaft dem Gegner einfach recht naiv in die 90 Minuten lang ausgestreckte Faust gelaufen war. "Es war, glaube ich, eine der unnötigsten Niederlagen, die wir hinnehmen mussten in den letzten Jahren", dozierte der Bundestrainer. Sichtlich angefressen, nachdem er am Vortag im Ballroom des noblen deutschen Teamhotels trotz einer durchaus widrigen Vorbereitung noch eine demonstrative weltmeisterliche Gelassenheit ausgestrahlt hatte.

Der Weltmeister Löw hat es sich zwar angewöhnt, die Gegner vorher nicht mehr künstlich stark zu reden, nur um damit die Fallhöhe für sein Team zu verringern. Der souveräne Umgang mit unnötigen Niederlagen jedoch gehört noch nicht zu seinem Repertoire. Seine Analyse klang auch ein wenig nach schlechtem Verlierer. Das abrupte Ende des jüngsten spielerischen Aufschwungs, das leichtfertig verschluderte vorzeitige Direktticket für die EM 2016, die eigene Inkonsequenz vor dem gegnerischen Tor, all das nagte an ihm. Besonders wurmte ihn, dass er sein Team banal übertölpelt fühlte, nicht von einem genialen taktischen Schachzug überrascht: "Es war eigentlich klar, dass Irland mit neun, manchmal auch mit zehn Mann verteidigt und dann mit langen Bällen operiert von hinten raus, um vielleicht irgendwie eine Chance zu bekommen." Und: "Wir haben die Dinge vorher angesprochen mit den hohen und langen Bällen, weil Irland macht es ganz besonders. Hundert lange Bälle, 99-mal haben wir alles richtig gemacht. Einmal nicht, und daraus ist ein Tor entstanden."

"Er darf seine Meinung haben"

Bei seiner Analyse nahm Löw in Dublin letztlich mehr Fahrt auf als sein Team während der insgesamt 97 Minuten im Aviva-Stadion. "Eine einzige Möglichkeit" attestierte er dem Gegner und betonte "eine einzige" dabei so scharf, wie er es am Vortag auch bei "eine einzige Trainingseinheit" getan hatte. Was seine Mannschaft nun aus dem Spiel lernen müsse, auch angesichts des Endspiels gegen Georgien? Ganz einfach: "Dass wir halt gegen so einen Gegner ein Tor erzielen müssen und keinen Fehler machen dürfen."

Nach Polens 2:2 in Schottland reicht Deutschland ein Punkt gegen Georgien, um sich direkt für die EM zu qualifizieren. Bei einem Sieg beendet man Gruppe D definitiv als Gruppenerster. Thomas Müller fühlte sich nach einem "unnötigen Tor", "viel Schauspielerei" und einem "schwachen Schiedsrichter" nach dem Schlusspfiff im falschen Film, Jérôme Boateng auch: "Dass wir hier ohne Tor wegfahren, ist eine Frechheit." Für Löw waren eher die schludrigen deutschen Abschlüsse eine Zumutung. Vom Kämpferischen könne er der Mannschaft keinen Vorwurf machen, beim Abschluss schon. Man müsse halt "am Ende die Kaltschnäuzigkeit und die Qualität haben, die Tore zu machen".

Den kurzfristigen Ausfall von Kapitän Bastian Schweinsteiger ließ Löw nicht als Ausrede gelten. "Wir waren überlegen, wir waren eigentlich dominant. Aus dieser Überlegenheit haben wir nichts gemacht, weil wir dann zeitweise vielleicht auch in der zweiten Halbzeit in manchen Phasen ein bisschen zu pomadig, ein bisschen zu langsam gespielt haben", betonte Löw: "Einige Möglichkeiten haben wir liegenlassen. Aber das hatte mit Bastian Schweinsteiger nichts zu tun." Fürs Protokoll ergänzte Löw noch, dass er auch einen klassischen Stoßstürmer wie Mario Gomez nicht vermisst habe. "Mit hohen Bällen in den 16er" sei schlicht "kein Staat zu machen gegen Irland".

Irlands Trainer Martin O’Neill nahm die Kritik des Bundestrainers an den 100 langen Bällen seines Teams mit der Gelassenheit des Sensationssiegers hin. Nach vier Punkten aus zwei Spielen gegen den Weltmeister kommentierte er die Lage vor dem Gruppenfinale am Sonntag in Polen ironisch: "Man würde meinen, nicht gegen Deutschland zu verlieren, würde schon dazu berechtigen, das Turnier zu gewinnen. Aber wir haben uns noch nicht einmal qualifiziert." Tatsächlich bringt Irland nur ein Sieg das sichere Direkt-Ticket. Zu Löw sagte er nur: "Er hat die WM gewonnen, er darf seine Meinung haben." Seine Meinung über den historischen Sieg seines ersatzgeschwächten Teams fasste er in drei Worte: "Wir waren brillant."

Quelle: ntv.de

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