Fußball

RTL/ntv-Recherche zur WM 2034 DFB wird für Saudi-Arabien als WM-Gastgeber stimmen

imago1047943879.jpg

Vor genau zwei Jahren sorgt die WM 2022 in Katar für Aufregung in Deutschland. Die DFB-Elf scheidet bei der Winter-WM früh aus und hinterlässt verbrannte Erde. Im kommenden Monat wird die FIFA die WM 2034 an Saudi-Arabien vergeben. Der DFB hat sich entschieden und wird sich nicht dagegen auflehnen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wird im kommenden Monat für Saudi-Arabien als Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 stimmen. Das erfuhr RTL/ntv aus Kreisen des Präsidiums des größten nationalen Fußball-Verbands der Welt.

In rund 30 Minuten hat das Gremium bei einer Klausurtagung im thüringischen Blankenhain Anfang November über die Entscheidung diskutiert. Bei den Gesprächen herrschte dabei Einigkeit über das Abstimmungsverhalten des DFB beim anstehenden digitalen FIFA-Kongress am 11. Dezember. So wird Deutschland für das gigantische WM-Turnier 2030 über drei Kontinente in Spanien, Portugal, Marokko, Uruguay, Argentinien und Paraguay sowie die WM 2034 in Saudi-Arabien stimmen.

Für beide Turniere gibt es keine Gegenkandidaten. FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte den Fußball im Oktober 2023 mit seinen Plänen für die Jubiläums-WM 2030, genau 100 Jahre nach der ersten WM, und die WM 2034 überrumpelt. Mit der CONCACAF für Nord-, Mittelamerika und die Karibik (WM 2026) sowie der CONMEBOL für Südamerika, der UEFA für Europa und der CAF in Afrika (alle für die WM 2030) richten insgesamt vier der sechs Konföderationen die beiden kommenden Weltmeisterschaften aus. Das eröffnet Asien und damit der Arabischen Halbinsel die Möglichkeit auf eine weitere WM nach dem Turnier 2022 in Katar.

Keine Enthaltung, kein Antrag auf getrennte Abstimmung

Die Weltmeisterschaften 2030 und 2034 werden "en bloc" vergeben. Beim online abgehaltenen Kongress wird es entweder nur eine Abstimmung für die 211 Mitgliedsverbände der FIFA geben oder die Gastgeber werden per Akklamation bestimmt. Wollte Deutschland also gegen die WM 2034 stimmen, so müsste der DFB ebenfalls gegen die WM 2030 stimmen. Das wird nicht der Fall sein, auch weil das DFB-Präsidium nach Informationen von RTL/ntv auf der Klausurtagung nicht über einen möglichen Antrag auf eine getrennte Abstimmung oder eine Stimmenthaltung diskutiert hat.

Der Wahlmodus war vom 37-köpfigen FIFA-Rat, zu dem auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf gehört, bereits vor der Klausurtagung einstimmig festgelegt worden. Bereits im Frühjahr hatte die FIFA durch eine Satzungsänderung den Grundstein für eine Doppelvergabe gelegt. Auch damals hat Neuendorf im FIFA-Rat kein Veto eingelegt.

Der DFB teilt auf Anfrage von RTL/ntv mit, die finale Entscheidung sei noch nicht gefallen. "Der DFB hat in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von Gesprächen mit unterschiedlichsten Institutionen und Einrichtungen zum Gesamtkomplex WM-Vergaben 2030/2034 geführt", hieß es. Das DFB-Präsidium werde sich mit der Angelegenheit "im zeitlichen Vorlauf des FIFA-Kongresses final befassen und anschließend selbstverständlich die Öffentlichkeit informieren." Bislang habe man nur den bisherigen Prozess skizziert.

Bundestrainer Julian Nagelsmann sagte auf RTL/ntv-Nachfrage: "Ich habe schon mal betont, bei allen politischen Themen, natürlich habe ich als Privatperson eine Meinung, die ich aber nicht jedem mitteilen muss. Am Ende treffe ich als Trainer und wir als Mannschaft nicht die Entscheidung. Das sind ganz andere Bereiche, andere Sphären, wo diese Entscheidungen getroffen werden. Mit uns hat das nichts zu tun, wir müssen uns sportlich vorbereiten, unabhängig davon, wo das Turnier stattfindet." Er betonte aber auch: "Dass nicht alle Dinge top funktionieren in Saudi-Arabien, liegt auf der Hand."

Sorge, dass die Entscheidung Auswirkungen auf das Team haben könnte, hat Nagelsmann nicht. "Klar, wir haben in Katar gesehen, dass zu viele politische Themen eine Mannschaft schon belasten können. Aber wir haben daraus gelernt oder sollten daraus lernen, dafür haben wir die Fachmänner, die sich um diese Dinge kümmern. Wir sind die Fachmänner für den Sport."

Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für Nahost und Nordafrika bei Amnesty International sagte dagegen im Gespräch mit RTL/ntv über die Stimme Deutschlands für das Königreich: "Das ist eine bittere Enttäuschung und ein schwerer Schlag für die Menschenrechte. Erst vor wenigen Tagen haben wir die FIFA aufgefordert, die Bewerbung nicht zur Abstimmung zu stellen, weil es zum jetzigen Zeitpunkt nicht akzeptabel wäre." Sie betonte: "Wir haben den DFB aufgefordert, diese Bewerbung abzulehnen. Wenn der DFB dieser Bewerbung jetzt zustimmt, dann bleibt das Gefühl, dass trotz aller schönen Worte und Erklärungen die Menschenrechte, wenn es hart auf hart kommt, anderen Interessen untergeordnet werden."

81 Hinrichtungen an einem Tag im Jahr 2022

Sport ist ein essenzieller Bestandteil der saudischen Vision 2030, die laut einer jüngsten Dokumentation des britischen TV-Senders ITV bereits 21.000 Gastarbeiter aus Indien, Bangladesch und Nepal das Leben gekostet haben soll. Saudi-Arabien widersprach den Zahlen und nannte sie eine "Falschinformation". Ganz im Gegenteil betrage die Zahl der arbeitsbedingten Todesfälle nur 1,12 pro 100.000 Arbeitnehmer, eine der weltweit "niedrigsten Raten an arbeitsbedingten Todesfällen", hieß es in einer Stellungnahme des Nationalen Rats für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Die aktiven Fans in der Bundesliga haben eine klare Meinung. Hier ein Bild aus dem Dortmunder Westfalenstadion im Oktober 2023.

Die aktiven Fans in der Bundesliga haben eine klare Meinung. Hier ein Bild aus dem Dortmunder Westfalenstadion im Oktober 2023.

(Foto: IMAGO/kolbert-press)

Mit der Vision 2030 sollen der Bevölkerung Saudi-Arabiens Brot und Spiele angeboten werden, um damit die Macht des Kronprinzen Mohammed bin Salman nach innen abzusichern und das Königreich von der Arabischen Halbinsel zugleich als globalen Player zu inszenieren. Saudi-Arabien soll intern auf eine Zukunft ohne die Einnahmequelle Erdöl vorbereitet werden. Mit dem milliardenschweren Staatsfonds PIF kauft sich der Wüstenstaat dazu unter anderem weltweit in viele Sportarten ein.

Kritik an der Politik des De-facto-Herrschers wird mit tödlicher Willkür beantwortet, wie nicht zuletzt die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 gezeigt hatte. Die Menschenrechtssituation in dem Königreich, in dem im Jahr 2022 an einem Tag 81 und in diesem Jahr bereits weit über 200 Menschen hingerichtet wurden, wird immer wieder scharf kritisiert.

Wird es wieder eine Winter-WM geben?

Zuletzt hatte auch die globale Gewerkschaftsföderation Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) der FIFA "eklatante Missachtung der Menschenrechte" vorgeworfen. Der Verband ignoriere "die Stimmen derjenigen, die Opfer von Zwangsarbeit und Lohndiebstahl geworden sind", hieß es. Mit der Duldung schlecht bezahlter Gastarbeiter verstoße die FIFA gegen ihre eigenen Grundsätze zu Menschenrechten, hatte BHI bemängelt.

Noch ist unklar, ob das Turnier im Sommer 2034 oder in den Wintermonaten ausgetragen wird. Man prüfe beide Optionen, hatte der saudische Sportminister Prinz Abdulaziz bin Turki Al Faisal der BBC im Oktober 2023 gesagt. In den Sommermonaten erreichen die Höchsttemperaturen in Riad, der Hauptstadt des Königreichs, momentan weit über 40 Grad. Weil jedoch im Jahr 2034 der Fastenmonat Ramadan auf die Zeit zwischen dem 11. November und dem 10. Dezember fällt, erscheint eine Austragung zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unmöglich. Spekuliert wird über einen alternativen Termin im Januar und Februar 2034.

Neuer WM-Modus macht alles noch komplizierter

Nach der höchst umstrittenen ersten Winter-Wüsten-WM in Katar im November und Dezember 2022 wird die nächste Weltmeisterschaft im Sommer 2026 in den USA, Mexiko und Kanada ausgetragen werden. Erstmals treten dabei gleich 48 Nationen in zwölf Gruppen mit je vier Teams an. Der im März 2023 beschlossene neue Modus erhöht die Anzahl der Spiele von zuletzt 64 auf insgesamt 104.

Während die Erweiterung des Teilnehmerfelds ab der WM 2026 bereits seit 2017 feststand, wurde der Modus nach der WM 2022 noch einmal modifiziert. Dort waren gerade die letzten, parallel angesetzten Spiele der Vierergruppen während der Gruppenphase sportlich spannend. Diese hätte es im ursprünglich geplanten Format mit 16 Dreiergruppen und insgesamt 80 Spielen nicht gegeben. Ebenfalls kann es in Dreiergruppen leicht zu Absprachen vor den letzten Spielen der jeweiligen Gruppe kommen.

Mehr zum Thema

Durch die Erweiterung des Feldes will die FIFA noch mehr Geld bei der Vergabe der Übertragungsrechte generieren und das Turnier mit 16 zusätzlichen Teilnehmerländern auch für Sponsoren noch attraktiver machen. Während die Mehrbelastung für die Profis durch die neu eingeführte Runde der letzten 32 mit maximal einem Spiel mehr gering ausfällt, erfordern die Anforderungen der FIFA an die Ausrichterländer immer höheren Geldeinsatz.

Das anstehende Turnier in den USA, Mexiko und Kanada wird in insgesamt 16 Stadien ausgetragen werden. Saudi-Arabien hat sich für 2034 mit 15 Stadien in fünf Städten (Riad, Jeddah, Al Khobar, Abha und die gerade noch entstehende und mit allerlei Problemen behaftete Mega-Stadt Neom) beworben. Acht davon sind momentan noch in der Planungsphase.

Quelle: ntv.de, jge/sue

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen