Bei Rekord-Transfers machtlos Das elitäre Quengeln des FC Bayern
13.08.2021, 12:46 Uhr
Trainer Julian Nagelsmann sorgt sich um seinen FC Bayern.
(Foto: imago images/kolbert-press)
Mit Romelu Lukakus 115-Millionen-Euro-Wechsel zum FC Chelsea wachsen die Sorgen des FC Bayern, von den europäischen Topteams abgehängt zu werden. Aber Mitleid braucht es nicht: Julian Nagelsmanns Kummer ist elitär. Jetzt wissen die Münchner, wie der Rest der Liga sich fühlt.
Von der Pandemie geplagte Vereine, die kein Geld für Transfers besitzen? Ach quatsch, gibt es nicht! Zumindest nicht in England und Frankreich. Wie wild investieren die europäischen Topklubs, vor allem aus dem Vereinigten Königreich, in Starspieler. Überbieten sich förmlich mit neuen Namen und Unsummen. Und der Bundesliga-Krösus FC Bayern schaut nur gebannt zu, Trainer Julian Nagelsmann und Co. senden täglich Bittgebete gen Himmel an den lieben Fußballherrgott, um bloß nicht zu weit abgehängt zu werden im Kampf um die europäische Fußballkrone. Doch dazu später mehr.
Den größten Coup landete natürlich der französische Vizemeister Paris Saint-Germain, indem er Lionel Messi an Land zog. Zwar kommt der Argentinier ablösefrei zu PSG, wird allerdings mit einem üppigen Jahresgehalt ausgestattet. England pfeift dagegen auf ablösefrei: Manchester City kaufte erst Aston Villa den Linksaußen Jack Grealish für 117,5 Millionen Euro ab. Nun will der englische Meister dazu noch Harry Kane von Tottenham Hotspur loseisen, englische Medien kolportieren eine Ablösesumme von rund 180 Millionen Euro. Stadtkonkurrent Manchester United kaufte dem BVB Jadon Sancho für 85 Millionen Euro ab (Wilfried Zaha könnte auch noch für 45 Millionen Euro von Crystal Palace kommen) und in Spanien kämpft Real Madrid darum, Weltmeister Kylian Mbappé für dann sicherlich eine erneute Rekordsumme von PSG abzuwerben.
Und nun schlägt also auch der FC Chelsea zu. Das Team, das sich letzte Saison bereits zur besten Mannschaft Europas gekürt hat. Für 115 Millionen Euro schnappt sich der Klub von Trainer Thomas Tuchel Romelo Lukaku von Inter Mailand, einen der besten Stürmer der Welt. Sein Können stellte der 28-jährige Belgier gerade erst wieder bei der Europameisterschaft im Sommer unter Beweis, als er lediglich an zwei der acht belgischen EM-Toren nicht beteiligt war. Vier schoss er selbst.
"Es besteht die Gefahr, abgehängt zu werden"
Der FC Chelsea kräftigt mit dem hauseigenen Rekordtransfer (vorher war es Kai Havertz) die Stellung als Mitfavorit um die nationale Meisterschaft und den Henkelpott. "Luka-King" taufte die italienische Zeitung "La Gazzetta dello Sport" den Stürmer einst dank seiner enormen Treffsicherheit bei Inter. Extrem wuchtig und bullig, dabei trotzdem schnell und wendig: Lukaku beschert Tuchels Mannschaft, die mit Havertz, Timo Werner, Mason Mount, Christian Pulisic oder Callum Hudson-Odoi bisher eher fluide und schmächtig unterwegs war, nun ganz neue Optionen. Den Ball mit dem robusten 1,91-Meter-und-93-Kilo-Körper abschirmen, sich anschließend um den jeweiligen Verteidiger drehen und zum Abschluss kommen oder den richtigen Pass finden - das kann im Weltfußball kaum jemand so gut wie Lukaku.
"Romelu ist ein untypischer Fußballer", sagte Inter-Coach Antonio Conte einmal über seinen damaligen Stürmer: "Er agiert als Mittelpunkt, kann aber auch von der Mitte des Spielfeldes aus angreifen, wie ein American-Football-Spieler." Champions-League-Sieger Tuchel erhält nun also zusätzliche Durchschlagskraft, Spitzenklasse und Variabilität und dürfte von den Gegnern noch schwieriger auszurechnen sein.
Zu diesen Widersachern gehört auf europäischer Ebene auch der FC Bayern. "Es besteht die Gefahr, abgehängt zu werden", sorgte sich am Donnerstag bereits Trainer Nagelsmann mit Blick auf die Mega-Transfers. "Da reibe ich mir schon ab und an die Augen, was da in den letzten Wochen passiert. Ich weiß nicht genau, wie die das hinbekommen." Not amused dürften die Münchner Verantwortlichen nun auch bei Lukakus Rekordwechsel auf die Insel geblickt haben. Nagelsmanns Sorgenfalten, sie werden nicht kleiner geworden, sondern zu tiefen Furchen mutiert sein.
Kein Mitleid mit dem FC Bayern
Denn die europäische Konkurrenz rüstet auf und zieht davon. Der deutsche Rekordmeister sieht jedoch seine Hände aufgrund der Einbußen durch die Corona-Pandemie gebunden. Bis auf Innenverteidiger Dayot Upamecano von RB Leipzig (42,5 Millionen Euro) ist auf dem Transfermarkt nichts passiert. Obwohl die vergangene Saison wieder einmal zeigte, dass die Bayern in der Offensive zu dünn besetzt sind, um in Europa etwas zu reißen, gerade wenn Torjäger Robert Lewandowski ausfällt. Einen weiteren Weltklasse-Stürmer wie Romelu Lukaku, die Münchner hätten ihn wohl eher als die Champions-League-Sieger aus London gebrauchen können. Auch, wenn man natürlich weder den Polen noch den Belgier auf die Bank setzen kann.
"Wir müssen alle, insbesondere auch der deutsche Fußball, großes Interesse haben, Regularien zu finden", warnte auch Bayerns früherer Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. "Sonst wird der deutsche Fußball international auf Sicht abgehängt." Nun, Mitleid muss man mit den Münchner Bossen nicht haben. Denn abgehängt ist der deutsche Fußball auf der europäischen Ebene schon lange. Alle bis auf den FC Bayern zumindest (Leipzig und Dortmund sind immer mal wieder in Reichweite). Und vor allem: National liegen alle Mannschaften längst weit distanziert hinter dem Überteam aus München.
Julian Nagelsmanns Kummer aufgrund der Mega-Transfers, er ist nur eine elitäre Version der Sorgen der deutschen Otto-Normal-Bundesligaklubs. Vereine, die jeden Cent umdrehen müssen. Die gegen den Riesen aus München kämpfen, um auch etwas vom TV-Vertrag abzubekommen. Die immer wieder zusehen müssen, wie der neunmaligen Serienmeister die besten und teuersten Spieler an Land zieht. Und den Rest des deutschen Fußballs abhängt.
Quelle: ntv.de