Nach Klopp kommt Tuchel Das will Dortmunds Neuer
03.06.2015, 14:27 Uhr
Nach sieben Jahren Klopp beginnt bei Borussia Dortmund eine neue Zeitrechnung. Der neue Trainer Thomas Tuchel präsentiert sich ehrgeizig und umwirbt die BVB-Fanseele. Viel Zeit bleibt ihm nicht.
Was sich an diesem Mittwoch im Dortmunder Stadion abspielt, ist gleichzeitig Ende und Beginn einer Ära. Ein paar Minuten nach zwölf Uhr betreten BVB-Pressesprecher Sascha Fligge und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke den Presseraum. Gleich hinter ihnen Thomas Tuchel, der neue Trainer, der noch dünner wirkt, als man ihn aus Mainzer Zeiten in Erinnerung hat. Das verlorene Pokalfinale liegt nur vier Tage zurück. Aber spätestens jetzt ist das Kapitel Jürgen Klopp, der nach sieben Jahren die Trainerbank des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund geräumt hat, endgültig Geschichte.
"Ja, guten Tag", sagt Tuchel, bevor er Platz nimmt und blickt lächelnd in die Objektive der Fotografen. Pressesprecher Fligge heißt ihn willkommen "in Deutschlands größtem und schönsten Stadion". In seiner ersten Pressekonferenz gewährt Tuchel 45 Minuten lang Einblicke und gibt Auskunft. Was er mit dem BVB vorhat, was er während seines Sabbatjahres gemacht hat und wie er den Traditionsverein in die Zukunft bringen will.
Warum entschied sich der 43-Jährige für den BVB?
Tuchel hat noch nicht eine Minute gesprochen, da sagt er: "Ich bin überglücklich, nun offiziell BVB-Trainer zu sein." Während seiner einjährigen Auszeit habe er immer den Wunsch gehabt, einen Top-Bundesligisten und Traditionsverein zu trainieren. Er erzählt, was in ihm vorging, als er vom Dortmunder Interesse erfuhr. "Es war sonnenklar, dass es das ist. Ich hatte ohne Zweifel das Gefühl, diese Chance ergreifen zu müssen." Auf die fußballbegeisterte Stadt angesprochen, sagt Tuchel: "Ich kenne das nicht, aber ich lasse mich da total drauf ein." Er sei ein sehr emotionaler Coach und freue sich, im Ruhrgebiet zu sein und das hautnah erleben zu können. In Dortmund dürfte man so etwas nach dem Abschied von Klopp gerne hören.
Was sind die sportlichen Ziele von Tuchel?
Zu Zielen will man an diesem Tag eigentlich nichts sagen, raunzt Watzke zu Beginn der Pressekonferenz. Bevor die Personalplanungen abgeschlossen sind, sei es unsinnig, dazu etwas zu sagen. Tuchel ist auskunftsfreudiger. "Wir sind Herausforderer", sagt er mehrfach. Er redet vom Gewinn nationaler Wettbewerbe und dem Angriff auf die Ligaspitze - auf Bayern, Gladbach, Leverkusen und Wolfsburg, "Wir haben auf dieses Quartett einen Rückstand aufzuholen."
Was will Tuchel beim BVB verändern?
Der neue Trainer hat bereits konkrete Erwartungen an sein Team. Der BVB stehe für attraktiven Angriffsfußball, daher müsse er keinen neuen Stil erfinden. Bei der Mentalität sieht er jedoch offenbar noch Luft. Er wolle, dass seine Spieler eine besondere Hingabe und Haltung entwickeln. "Ich wünsche mir, dass diese von Fleiß, Bescheidenheit, Mut, Offenheit und Beharrlichkeit geprägt ist." Tuchel will eine Atmosphäre schaffen, die durchdrungen ist von Leistungsbereitschaft und frei von Egoismen. "Ich möchte, dass die vier Teams uns ständig spüren." Einen Nachteil benennt er jedoch. Tuchel spricht über die durch die Euro-League-Qualifikation verkürzte Vorbereitung. Der BVB hat bereits Ende Juli, also vier Wochen nach dem Trainingsstart, sein erstes Pflichtspiel. "Natürlich hätten wir gern eine längere und ruhigere Vorbereitung. Das ist mit Sicherheit eine massive Beeinträchtigung und nicht gerade ein Vorteil gegenüber den Teams, die wir angreifen wollen."
Wie wirkt Tuchel bei seinem ersten Auftritt?
Tuchel gilt als reserviert und nicht als Menschenfänger wie sein Vorgänger. Ein Problem? Bei seiner Vorstellung nicht. Tuchel, der einen dunklen Pullover mit Hemd trägt, ist auffallend gut gelaunt. Er scheint ausgeruht, lacht viel, gibt bereitwillig und geduldig Auskunft. Auch mit Watzke und Zorc wirkt er eingespielt, spricht bereits von Michael und "Aki". In einer so verlässlichen Struktur agieren zu dürfen, sei ihm wichtig und habe ihm "die Entscheidung leicht gemacht". Am Ende der Pressekonferenz umarmt Tuchel Watzke sogar. Die Chemie stimmt offenbar.
Wie redet Tuchel über Klopp?
Der neue Trainer schwärmt von seinem Vorgänger. Dass dieser im Guten mit dem Verein auseinandergeht, sei für ihn Voraussetzung für sein Engagement gewesen. Die herausragende Trainerleistung Klopps würdigt er mit "größtmöglicher Anerkennung und tiefem Respekt". Gegen dessen Erfolge wolle er nicht ankämpfen. "Jürgen war mehr als nur ein Trainer." Deshalb wolle er dieser Geschichte "neue Kapitel hinzufügen."
Was hat Tuchel auf dem Transfermarkt vor?
Die Transfers der Mittelfeldspieler Gonzalo Castro (Bayer Leverkusen) und Julian Weigl (1860 München) sind fix. Und sonst so? Tuchel erklärt, er spreche fast täglich mit Zorc und Watzke über den Kader. Es gebe von seiner Seite keinen Forderungskatalog. "Wir haben einen tollen Kader. Die Mannschaft ist ausgewogen und hat ein tolles Durchschnittsalter."
Was hat Tuchel während seines Sabbatjahres gemacht?
"Das Leben war hart", sagt Tuchel zu dieser Frage und lacht. Er sei ohne Uhr ins Bett gegangen und wieder aufgestanden, habe seine Kinder in den Kindergarten gebracht, viel Zeit mit der Familie verbracht und gelernt, dass man den Tag nicht durchtakten muss. "Es ging darum, 14 Trainerjahre wirken zu lassen und sich nicht sofort in das nächste zu stürzen." Die WM sei fast vollständig an ihm vorbeigegangen, doch jetzt freue er sich, wieder auf dem Platz zu stehen.
Quelle: ntv.de