Doppelter Clou des FC Bayern Der BVB leidet an der Hummels-Wunde
18.11.2016, 17:33 Uhr
Einmal ist Mats Hummels schon zurückgekehrt - beim Supercup vor dem Ligastart. Aber erst jetzt wird deutlich, wie sehr der BVB seinen ehemaligen Abwehrchef vermisst.
(Foto: REUTERS)
Regelmäßig muss sich der FC Bayern den Vorwurf gefallen lassen, Spieler nur zu kaufen, um die Konkurrenz zu schwächen. Mit Mats Hummels haben sie das im Sommer wieder getan. Aber diesmal um die eigene Schwäche zu kompensieren.
Wieder einmal hat Borussia Dortmund das Nachsehen. Wieder einmal verlässt ein Spieler den BVB, um beim FC Bayern anzuheuern. Und wieder einmal ist es innerhalb kürzester Zeit einer der ganz wichtigen Spieler, der da geht. 2013 war es Supertalent Mario Götze, der nach München ging, ein Jahr später folgte Topstürmer Robert Lewandowski - und in diesem Sommer schließlich Mats Hummels. Der Fußball-Nationalspieler wollte zurück in die Heimat. Und ja, er wollte dorthin, wo er die ganz großen Titel gewinnen kann, sprich, die Champions League. Und keiner der drei Abgänge Richtung Süden schmerzt die Schwarzgelben so sehr, wie dieser. Am Samstag nun (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) tritt Hummels am elften Spieltag der Fußball-Bundesliga im Westfalenstadion zum zweiten Mal nach dem glanzlosen Sieg im Spiel um den Supercup Mitte August gegen seine ehemaligen Kollegen an.
- Am 16. Dezember 1988 in Bergisch Gladbach geboren, begann der 1,91 Meter große Innenverteidiger seine Profikarriere 2007 beim FC Bayern.
- Nach nur einem Spiel wechselte er 2008 zu Borussia Dortmund, wo er acht Jahre spielte, ehe er in diesem Sommer nach München zurückkehrte.
- Sein größter Erfolg ist der WM-Titel 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft.
- Er wurde zweimal Deutscher Meister mit dem BVB, einmal DFB-Pokalsieger.
"Ich habe bei Bayern das Fußballspielen gelernt, in Dortmund bin ich als Fußballer gewachsen", sagte er vor wenigen Wochen. Und er genieße es, "wieder am Ort meiner fußballerischen Wurzeln zu sein". Acht Jahre organisierte Hummels die Abwehr des BVB, lange Zeit flankiert von Neven Subotic, in seinen vorerst letzten beiden Jahren bei der Borussia stand ihm der Grieche Sokratis Papastathopoulos zur Seite. Aber egal in welcher Konstellation, wenn Hummels spielte, war die Zentrale dicht. Mehr noch: Mit seinen präzisen Diagonalbällen und scharfen Pässen in die Mitte war der 27-Jährige erster Aufbauspieler. Ein genialer Co-Quarterback hinter den taktgebenden Ilkay Gündogan und Julian Weigl. Ein Lenker aus der Tiefe. Der perfekte Packingspieler neben den offensiven Kurzpass- und Individualkünstlern um Marco Reus, Henrikh Mkhitaryan und Gonzalo Castro.
Hummels-Ersatz vergessen?
Die Borussia hat ihren Kader im Sommer tüchtig umgekrempelt - geschuldet freilich auch den ungewollten Transfers von Hummels, Gündogan zu Manchester City und Mkhitaryan zu Manchester United. Weit über 100 Millionen Euro investierte der BVB in neue Spieler. Ihr überwiegend ziemlich ähnliches Profil: schnell, jung und offensivstark. Während der in der vergangenen Saison voll durchgestartete Armenier Mkhitaryan durch Spieler wie Weltmeister André Schürrle, Mario Götze und vor allem Ousmane Dembéle einigermaßen ersetzt werden konnte, und Europameister Raphael Guerreiro - wenn denn mal längere Zeit verletzungsfrei - langsam in die Rolle Gündogans hineinwachsen könnte, gibt's für Hummels noch keinen Ersatz.
Marc Bartra vom FC Barcelona plagt sich immer wieder mit körperlichen Malaisen herum, spielte in seinen bislang fünf Liga-Einsätze allerdings häufig auch allzu riskant und wirkte im Zweikampf (Quote liegt bei nur 47 Prozent) physisch - deutlich kleiner und leichter als Hummels - in neuer Umgebung mehrfach überfordert. Von der sehr selbstbewussten Ausstrahlung und Präsenz des ehemaligen Kapitäns ganz zu schweigen.
Die Spieleröffnung, so der Plan, sollte sich nach den Umwälzungen des Sommers auf mehrere Schultern verteilen. "Es gibt nicht nur einen Ansatz, wie der Weggang von Hummels aufgefangen wird. Jetzt sind mehrere Spieler in der Verantwortung", sagte Sportdirektor Michael Zorc unlängst gegenüber der "Welt". Weil aber bislang weder Bartra noch der Olympia-Silbermedaillengewinner Matthias Ginter im Aufbau überzeugen konnten, bleibt die Eröffnung fast ausschließlich an Jung-Nationalspieler Julian Weigl hängen. Der tut sich damit aber nach zauberhafter Debütsaison an der Seite von Gündogan in dieser Spielzeit als Hauptlastträger - dadurch gut begründet - deutlich schwerer, spielt fahriger und fehlerhafter.
Dortmunds wehmütiger Blick
Und so blicken sie in Dortmund wehmütig nach München. Nicht unbedingt, weil Hummels dort besonders glänzende Spiele abliefert. Nein, weil die Bayern mit Transfer einen doppelten Treffer gelandet haben. Sie haben dem ewigen Rivalen nicht nur das Herzstück entrissen, sie haben auch gleichzeitig eine Lösung für ihre größte Schwachstelle gefunden: den zweiten Mann neben Jéròme Boateng. Denn allzu oft musste der im Sommer abgewanderte Trainer Josep Guardiola vergangene Saison in der Zentrale improvisieren. Neben Boateng, der in der Rückrunde noch lange ausgefallen war, stand mit dem seit Jahren so verletzungsanfälligen Javi Martinez nur noch ein weiterer Innenverteidiger im Kader, der den höchsten Ansprüchen des Klubs folgen konnte – Dauerpatient Holger Badstuber einmal außer Acht gelassen.
In München führte diese schmale Personaldecke mitunter zu den absurdesten Aufstellungen. So formierte Guardiola im Champions-League-Halbfinal-Hinspiel gegen Juventus Turin einen "Zwergenriegel" mit David Alaba und Joshua Kimmich in der Mitte sowie Philipp Lahm und Juan Bernat auf den Außenbahnen. Was zwar ohne Schaden – am Ende aber auch ohne den so ersehnten Königsklassen-Titel blieb, sollte nicht wieder passieren. Die Wahl fiel also auf Hummels. Und sie war die einzig logische. In der Nationalelf bildet der gebürtige Münchener mit Boateng und Keeper Manuel Neuer seit Jahren ein äußerst sattelfestes Konstrukt - so sollte es denn auch im Verein sein.
Dort ist er wieder verstärkt für die Basisarbeit in der Zentrale verantwortlich. Die Gestaltung aus der Tiefe liegt bei Boateng und Altmeister Xabi Alonso, dessen Diagonalbälle wohl nach wie vor noch zu besten der Welt gehören. Hummels soll vor allem grätschen, Zweikämpfe gewinnen, Löcher stopfen (was er gewohnt gut macht) und gerne auch - wie in Dortmund - seine Torgefahr einbringen. Beim BVB traf er in 225 Spielen 19 Mal, für die Bayern noch gar nicht. Am vergangenen Spieltag gegen Hoffenheim war er ganz nah dran, kurz vor Schluss krachte sein Schuss an den Pfosten. Macht er es an diesem Samstag besser, würde er die klaffende Wunde beim BVB vermutlich noch ein kleines bisschen aufreißen.
Quelle: ntv.de