Fußball

Happy End oder "Scheißsaison" Der FC Bayern muss ins Nervenkitzel-Finale

Nach dem Remis bei RB Leipzig bereitet sich der FC Bayern auf ein Nervenkitzel-Finale "dahoam" vor. Und auch die Leipziger tanken vor dem Wiedersehen beim Pokal-Endspiel Selbstvertrauen, weil sie genau wissen, was sie dann besser machen müssen.

Als alles zum 0:0 zwischen RB Leipzig und dem FC Bayern sowie der vertagten Meisterschaftsentscheidung gesagt war, wünschte Niko Kovac den Müttern aller Anwesenden noch alles Gute zum Muttertag. "Das ist wichtig", sagte Kovac lächelnd und ging gelöst in Richtung Mannschaftsbus. Es gab auch Zeiten in dieser Saison, da war Bayern Münchens Trainer gezeichnet und von Gram gebeugt vom Pressekonferenz-Podium gestiegen. Doch trotz des Remis an diesem 33. Spieltag der Fußball-Bundesliga und der vorerst verpassten Meisterschaft strahlte Kovac Zuversicht aus. Ebenso wie Spieler und Klubbosse des Rekordmeisters.

Das lag vor allem an der Art, wie dominant die Bayern über weite Strecken bei den stets gefährlichen und bravourös kämpfenden Leipzigern aufgetreten waren, das Spiel bestimmt und die besseren Torchancen hatten. Kovac hatte alles gesehen, "was ein Topspiel beinhaltet: Aggressivität, Umschaltspiel, Chancen". Abgesehen vom wieder aberkannten Abseitstor nach Scherenschlag von Leon Goretzka (50.) hatten Serge Gnabry (28., 39.), David Alaba (49.), der spät eingewechselte Franck Ribéry (83.) und Robert Lewandowski per Freistoß (89.) fünf weitere Großchancen. "Wir hätten ein Tor machen können oder besser: müssen", sagte Kovac.

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Technisch blitzsauber, aber vorab Abseits von Mitspieler Robert Lewandowski: Das Tor von Leon Goretzka zählte nicht.

(Foto: imago images / Annegret Hilse)

Dass das nicht gelang, lag auch an der hervorragend eingestellten – taktisch und mental – Leipziger Mannschaft inklusive des derzeit besten Torhüters der Liga. Zum 16. Mal spielte Peter Gulacsi zu Null und hielt seinem Team das Remis mit mehreren Paraden fest. Obwohl der Tabellendritte in der Liga nichts mehr gewinnen oder verlieren kann, presste und warf sich die Rangnick-Elf in jeden Zweikampf, als könne sie selbst noch Meister werden. Der erst 19-jährige Innenverteidiger Ibrahima Konaté etwa bremste den designierten Torschützen-König Lewandowski ein ums andere Mal mit seinem mächtigen Körper aus, drängte ihn vom Feld oder ließ ihn in Richtung Bande abprallen.

"Wir haben den Ball zu früh gespielt"

Der 1,93-Meter-Mann war nicht nur Leipzigs bester Zweikämpfer, sondern eröffnete mit seinen Dribblings nach Balleroberungen auch immer wieder das Angriffsspiel. Zwar hatten die Hausherren auch immer wieder Drangphasen, doch das daraus nicht mehr gefährliche Gelegenheiten entsprangen, lag an der fehlenden Genauigkeit. So war auch RB-Trainer Ralf Rangnick nur teilweise zufrieden. Der 60-Jährige lobte die Verteidigungsarbeit, bemängelte aber das Spiel mit dem Ball. "Was wir hätten besser machen können, waren die Umschaltsituationen, wir haben ein oder zweimal die falschen Entscheidungen getroffen, hätten präziser und zwingender sein müssen bei Ballbesitz."

Rangnick konkretisierte: "Wir haben den Ball zu früh gespielt, anstatt den Konter zu Ende zu spielen und zu sprinten." Zwar legt es Leipzig wenn möglich auf wenig Ballbesitz an, doch lediglich 38 Prozent und eine Passquote von 70 Prozent sind zu mager, um Dauerdruck auf das Bayern-Tor auszuüben. Offensivspieler Marcel Sabitzer etwa brachte nicht einmal die Hälfte (46,9 Prozent) seiner Pässe zum Mitspieler. Auch, weil Bayern hellwach verteidigte und ebenfalls eine herausragende Defensivleistung ablieferte.

Insgesamt waren beide Teams aber nicht unzufrieden. Eine Meisterschaft am 34. Spieltag und dazu noch "dahoam" haben die Münchner zuletzt im Jahr 2000 gefeiert. Dazu trifft Kovac auf Eintracht Frankfurt. "Das Leben schreibt die schönsten Geschichten, ich darf gegen meinen alten Klub versuchen, die Meisterschaft zu holen", sagte Kovac lakonisch. "Die Stimmung wird außerordentlich gut sein in München. Wenn wir ein Happy End haben, kann ich damit leben, dass ich noch eine Woche warten muss."

"Wenn wir nicht den Titel holen, war es eine Scheißsaison"

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Sven Ulreich analysiert knallhart: "Wir müssen unser Spiel gewinnen, dann müssen wir nicht nach Dortmund schauen."

(Foto: imago images / Picture Point LE)

Keeper Sven Ulreich, der den verletzten Manuel Neuer sicher vertrat, freut sich auf ein "Nervenkitzel-Spiel" und schickte Grüße in den Ruhrpott: "Wir müssen unser Spiel gewinnen, dann müssen wir nicht nach Dortmund schauen." Hinter verschlossenen Türen wird sich der FCB nun auf zwei entscheidende Wochen – nicht zuletzt auch für Kovacs Zukunft – vorbereiten. Nicht umsonst sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic im ZDF: "Wenn wir nicht den Titel holen, war es eine Scheißsaison."

Maximale Anspannung vor Meisterschafts- und Pokalfinale also in München. Doch damit haben die Bayern Erfahrung. "Wir haben nur noch Finalspiele, aber das haben wir schon seit der Winterpause – wir waren neun Punkte hintendran", sagte Abwehrhüne Niklas Süle. "Das ist aber auch geil, jede Woche geht es um was." Und Ulreich sagte cool: "Der Psycho-Krimi wird von außen reingetragen. Wichtig ist, dass wir jetzt ganz normal die Trainingswoche gestalten."

Leipzigs Spieler können mit dem guten Gefühl ins Pokalfinale gehen, offensiv nur einen Teil ihrer Qualität gezeigt und das Spiel dennoch offen gestaltet zu haben. "Wir haben heute gesehen, dass wir Räume bekommen, wenn wir es im Defensivverbund gut machen. Das nehmen wir mit ins Finale", sagte Kapitän Willi Orban. Den nötigen Fighting Spirit hatten die Leipziger schon. "In so einem Spiel geht es um Nuancen, da muss man dagegen halten, körperlich Präsenz zeigen", so Orban. Sabitzer gab die Devise aus: "Das gibt Selbstvertrauen. Wir müssen im Finale die Null halten und irgendwie ein Tor schießen."

Kein aussichtsloses Unterfangen, wenn RB ähnlich stark verteidigt und seine Kontergelegenheiten besser nutzt. Leipzigs Chefcoach setzt zudem auf den zusätzlichen Motivationsschub bei Leipzigs Chance auf den ersten großen Titel der erst zehnjährigen Klubgeschichte. Rangnick kündigte an: "Die letzten fünf Prozent Adrenalin, die dazukommen, wenn es richtig um was geht, haben heute noch gefehlt." Man darf also durchaus annehmen, dass die seit 18 Spielen ungeschlagenen Leipziger die Münchner auch im Pokalendspiel maximal fordern werden. Schönen Muttertag noch.

Quelle: ntv.de

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