Fußball

Saudi-WM: Bin Salman am Ziel Der Schurke, der die Welt kaufte

Mohammed bin Salmans Vision 2030 zielt auch auf den Sport ab.

Mohammed bin Salmans Vision 2030 zielt auch auf den Sport ab.

(Foto: picture alliance/AP Images)

Die WM 2034 ist der schillerndste Mosaikstein in den grandiosen Plänen von Mohammed bin Salman. Dass die FIFA Applaus klatscht, während Menschen zerstückelt und gefoltert werden, ist das finale Armutszeugnis des Fußballs. Doch der Machthaber Saudi-Arabiens will noch mehr.

Es ist das finale Armutszeugnis in einem abgekarteten Spiel. Der finale Baustein im Ausverkauf des Fußballs und der FIFA. Jeder wusste, was kommt. Wenige mühten sich, den Untergang aufzuhalten. Niemand vermochte es. Nun ist sie da, die WM in Saudi-Arabien. Zwar ist es erst 2034 so weit, aber schon jetzt ist klar: Der große Gewinner ist neben FIFA-Präsident Gianni Infantino einer der mächtigsten Menschen und härtesten Autokraten auf dem Planeten, Mohammed bin Salman.

"MBS", der Kronprinz und De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens, der als Kind das Strategie-Computerspiel "Age of Empires" und Geschichten von Alexander dem Großen liebte, hat sich mit seiner Vision 2030 für das Königreich unter anderem vorgenommen hat, die Sportwelt zu erobern. Was er nun mit dem Endziel Fußball-WM faktisch in Rekordzeit schaffte.

Bin Salman, seit 2022 auch Premierminister, gilt als gerissen, machtgierig, unberechenbar - und clever. Eine gefährliche Mischung. Das erfährt in Saudi-Arabien jeder, der es wagt, sich ihm auch nur eine Fußbreite entgegenzustellen. Das Leid hinter den Kulissen der WM 2034 ist enorm und eine Schande für den Fußball, der die Schreie der Menschen auf dem Weg zum großen Fest schlichtweg nicht hören will. Die Morde an den Grenzen nicht und genauso wenig die Folterungen und Hinrichtungen (laut AFP 300 allein in diesem Jahr) in den Gefängnissen oder die 30-jährigen Haftstrafen für einen einzigen kritischen Post in den sozialen Medien.

WM als Ohrfeige für Werte des Sports

Der FIFA macht all das nichts aus. Infantino schüttelt schon länger die Herrscher-Hände im Wüstenstaat und öffnet die eigenen für den Geld-Segen. Der Weltverband pfeift mit der WM-Vergabe auf die zerstückelte Leiche von Journalist Jamal Khashoggi. Auf die Frauen, die sich qua Recht in Saudi-Arabien nicht gegen sexuelle Übergriffe wehren können. Auf die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, die dort systematisch missbraucht werden - Menschenrechtsexperten sprechen von moderner Sklaverei - und deren Tod aufgrund von miserablen Arbeitsbedingungen oder Vergewaltigungen nun auch von der FIFA sehenden Auges in Kauf genommen wird. Denn - das machen Menschenrechtsorganisationen deutlich - mit der WM wird sich die Lage drastisch verschlimmern und die Opferzahl erhöhen.

Das saudische Netz der Übernahme des Sports ist sorgfältig und eng gestrickt. Ein neuer Bericht zeigte jüngst das Ausmaß hinter der Sportstrategie bin Salmans auf, mit 1412 Schlüsselpositionen in 209 saudischen Einrichtungen und 910 Sport-Sponsoring-Aktivitäten weltweit.

Die WM ist der bisher schillerndste Mosaikstein im Versuch, das globale Image des Königreichs zu verbessern, den Sport als mächtiges Instrument geopolitischen Einflusses zu nutzen und über Menschenrechtsverletzungen hinwegzutäuschen. Die Integrität des globalen Sports wurde noch nie so offensichtlich untergraben wie in diesem Moment. Werte des Sports wie Demokratie, Fairness und Meinungsfreiheit wurde noch nie so geohrfeigt.

Auch deutsche Firmen mischen mit

Der Fußball ist nur ein Beispiel, wie es nach "MBS" zu laufen hat, ihm ist das nicht genug. Er geht seinen Weg immer weiter - und hat die Welt gekauft. Mit Milliarden von Dollar und einem schnell wachsenden Netzwerk aus Sponsoring, Partnerschaften und strategischen Investitionen attackiert sein Königreich seit Jahren die verschiedensten Bereiche: Wirtschaft, Institutionen, ausländische Gerichtsbarkeiten, Netzwerke, Technologien, Wissenschaften, Kunst und so weiter.

Alle sind dem Geld hörig. Auch deutsche Firmen mischen kräftig mit, etwa beim derzeitigen Bau der Mega-Stadt Neom (Kosten wohl: 1,5 Billionen, nicht Milliarden, US-Dollar) in der Wüste, für die Tausende aus ihren Häusern vertrieben und bereits mehrere umgebracht oder zum Tode verurteilt worden sind. Keine guten Aussichten für die elf Stadien, die für die WM noch aus dem Boden gestampft werden sollen. Selbst Jared Kushner, der Schwiegersohn von Donald Trump, erhielt zwei Milliarden US-Dollar aus Saudi-Arabien für seine Investmentfirma.

Bin Salman zieht die Fäden, seine Nadel ist der Public Investment Fund (PIF), einer der aggressivsten und größten (925 Milliarden US-Dollar) Fonds weltweit. Der Kronprinz verfügt für seine weltweiten Operationen über eine beispiellose staatliche Wirtschaftsmacht unter seiner alleinigen Entscheidungsgewalt - quasi ohne Transparenz und Einschränkungen, wie er den Reichtum seines Landes einsetzt. Ein Großteil des Volkes hat nichts davon - mehr als 20 Prozent der 32,2 Millionen saudischen Bürgerinnen und Bürger leben in Armut. Und die FIFA und der Fußball klatschen Beifall.

Folter unweit vom Finale

"MBS" und Saudi-Arabien gehören nun zu den wichtigsten globalen Playern. Im Sport sind sie mit der WM bereits ganz oben angekommen. Es gibt viele fußballverrückte Fans in arabischen Ländern und in den Golf-Staaten. Sie haben dieses große und schillernde Turnier in der Nähe verdient. Dass das Fest 2034 mit viel Leid einhergeht, will von ihnen niemand. Die Schuld tragen die hörigen Vasallen von der FIFA und ihr König: der Schurke, der den Sport und noch so viel mehr kaufte.

2023 verschwand Manahel al-Otaibi, nachdem sie sich mit Tweets für Frauenrechte einsetzte und auf Snapchat Fotos von sich im Einkaufszentrum ohne traditionelle Gewänder postete. Wenn 2034 das glitzernde WM-Finale in Riad steigt, werden sich Mohammed bin Salman und Gianni Infantino wieder die Hände schütteln - während wenige Autominuten entfernt "Oppositionelle" wie die heute 30-jährige Fitnesstrainerin immer noch im al-Malaz-Gefängnis gefoltert werden.

Quelle: ntv.de

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