Von Beckenbauer bis Schuster Die Mär vom dopingfreien Fußball
03.03.2015, 13:51 UhrDas Gerede davon, dass der Fußball ganz ohne Doping auskomme, da leistungsfördernde Substanzen eh nichts brächten, ist spätestens jetzt so gut wie widerlegt. Offen darüber sprechen will aber kaum einer der Ex-Profis, auch nicht die ganz großen Stars ihrer Zeit.
Die Aufklärung der Märchen, die vom dopingfreien Fußballer erzählen, beginnt bei Franz Beckenbauer - und da endet sie auch gleich wieder. In einem inzwischen zum Internet-Kult gewordenen ZDF-Interview sprach der Kaiser im August 2013 frei und offen von "Vitaminspritzen" und offenbar blindem Vertrauen in die Ärzte. "Keine Ahnung. Der Doktor hat gesagt: Das ist eine Vitaminspritze." Aber Doping? Was ist das?
Das Unrechtsbewusstsein, das heute junge Profisportler von illegalen leistungssteigernden Substanzen fernhalten soll, "war ein anderes als heute", sagt der Doping-Experte Fritz Sörgel im ZDF-Morgenmagazin. Der Pharmakologe ist Mitglied der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin, deren - wenn auch vorzeitig - veröffentlichte Ergebnisse am Montag ein mittelschweren Doping-Beben im Fußball ausgelöst hatten. "Fairerweise muss man sagen", betont Sörgel, "dass im Fußball bisher keine spektakulären Fälle aufgetreten sind, sodass man mit irgendwelchen Verdächtigungen sehr vorsichtig sein muss." Die Vergangenheit aber sei "ein ganz anderes Kapitel".
Bernd Schuster: "Irgendwelchen Sachen"
Die Aussagen zahlreicher Alt-Star lassen das erahnen. "Es wäre vermessen, wenn wir Fußballer sagen würden, dass das Thema Doping, und ich rede von 1986/87, also von den Jahren, in denen ich ein bisschen was mitbekommen habe, keines war", sagte Paul Breitner einst bei Servus-TV. Auch Bernd Schuster berichtete von "irgendwelchen Sachen", die von Ärzten verabreicht wurden. Breitner hat seine Karriere 1983 beendet, über Doping in den 80er Jahren schrieb Toni Schumacher in seinem Skandalbuch "Anpfiff". Trainer-Legende Otto Rehhagel wird wiederum folgendes Zitat zugeordnet: "Wer mit links nicht schießen kann, trifft den Ball auch nicht, wenn er 100 Tabletten schluckt." Dass Doping im Fußball nichts bringt, ist sportmedizinisch indes längst widerlegt. "Die Fußballer haben auch kräftig experimentiert", sagt Sörgel beispielsweise über die Praxis mit der Stimulans Captagon: "Das war über drei, vier Jahrzehnte einfach etwas, was nebenher lief. Was die Fußballer angewendet haben, um am nächsten Sonntag wieder spielen zu können."
Andreas Singler, Mitglied der Evaluierungskommission, schrieb am Montag von teils umfangreichem Anabolikadoping in den "späten 1970er und frühen 1980er Jahren" beim Bundesligisten VfB Stuttgart und auch beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder für den Anti-Doping-Kampf stark gemacht hatte, sprach von "gravierenden Vorwürfen, die selbstverständlich umfänglich aufgeklärt werden müssen".
Vorwürfe gab es im Fußball immer wieder, auch gegen die 54er-Weltmeister oder das Beckenbauer-Team von 1966. Fakt ist, dass etliche der WM-Helden von Bern nach dem Turnier an Gelbsucht erkrankten. Über die WM zwölf Jahre später in England wurde wegen den Nachweises von Ephedrin bei mindestens drei Nationalspielern diskutiert. Damals sollen es die Folgen von Nasenspray gewesen sein, heute wäre es ein Doping-Vergehen.
Über unerlaubte Mittelchen von damals wird aber größtenteils beharrlich geschwiegen, Kontrollen waren kaum vorhanden. Auch zu den neuesten Vorwürfen äußern sich die damals aktiven Sportler und Funktionäre unisono: Hat es nicht gegeben, kann ich mir nicht vorstellen - nicht bei uns im Fußball. Die Doping-Jäger sehen das anders, und die Fans vielleicht langsam auch.
Quelle: ntv.de, Jan Mies, sid