Leipzigs Torjäger Timo Werner "Die Pfiffe sind kein Thema mehr"
22.07.2017, 10:17 Uhr
Nach zweiwöchigem Urlaub geht's für Leipzigs Timo Werner mit der Saisonvorbereitung weiter.
(Foto: dpa)
Vom "Schwalbenkönig" zum Durchstarter im DFB-Team: Timo Werner hat die Pfiffe gegen sich abgehakt und überzeugt beim Confed Cup als Scorerkönig. n-tv.de erzählt er, warum die Saison für RB Leipzig schwierig wird und was ihm noch zum Weltklassestürmer fehlt.
Seit Mittwoch trainiert Nationalstürmer Timo Werner bei RB Leipzig wieder für die neue Saison. Nach dem Confed-Cup-Sieg mit der Nationalmannschaft spricht der beste deutsche Torjäger über seine Ambitionen für die WM 2018, die Herausforderungen für RB Leipzig und seine Vertragssituation.
n-tv.de: Sie hatten nach dem Confed Cup nur zwei Wochen frei, den kürzesten Urlaub aller Spieler von RB Leipzig. Wie haben Sie die freien Tage verbracht?
Timo Werner: Ich habe den Urlaub genossen. Ich war ein paar Tage in Berlin, in Stuttgart und habe eine weitere Reise nach Thailand gemacht und dort entspannt. Das war ganz schön, aber am Ende habe ich mich doch wieder gefreut, in Leipzig zu sein. Ich habe den Ball mal ganz beiseite gelegt. Umso schwerer ist es, jetzt wieder anzufangen. Aber in zwei Wochen habe ich nicht so viel verloren.
War die Pause in Anbetracht der Herausforderungen der kommenden Saison nicht zu kurz?
Klar, hätte ich mir eine Woche mehr gewünscht, ein paar freie Tage mehr wären hilfreich gewesen. Aber das geht einfach nicht, weil wir mit der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr und der Champions League einen engen Terminplan haben. Aber ich habe mich auch nach den zwei Wochen wieder gefreut, hierher kommen zu dürfen. Das ist nicht nur so daher gesagt. Ich bin noch so jung und kann das doch besser wegstecken als manch anderer.
Hatten Sie im Urlaub auch die Gelegenheit, die ereignisreiche vergangene Saison richtig zu verarbeiten?
Das mit den Pfiffen und so weiter habe ich schon lange weggesteckt. Ich glaube man merkt es mir auch nicht auf dem Spielfeld an. Dann bin ich so drin im Spiel, dass ich eh mein Ding durchziehe. Aber ich habe im Urlaub mal darüber nachgedacht, welch eine verrückte Saison das war. Wenn man überlegt, wo ich herkam: mit dem VfB Stuttgart abzusteigen, und in der nächsten Saison Vize-Meister zu werden, mit RB Tore zu schießen und den Goldenen Schuh beim Confed Cup zu gewinnen, ist schon ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist – ein wenig wie ein Märchen. Aber das war monatelange Arbeit nicht nur von mir, sondern von der gesamten Mannschaft – wir haben dieses Märchen wahr werden lassen.
Wie sehr hat Sie der Confed Cup vorangebracht?
Beim Confed Cup hatten wir weltweite Präsenz. Das war ein hohes Niveau, das mich auf diese Saison eingestimmt hat. Das wird in der Champions League nicht anders sein. Da werden wir genau auf solche Brocken treffen wie mit der Nationalmannschaft auf Chile oder Mexiko. Es hat riesigen Spaß gemacht, dort zu spielen. Am Ende Stammspieler – in Anführungszeichen – zu sein, hat mich gefreut.
Maradona hat Ihnen den Goldenen Schuh als Auszeichnung für den besten Torschützen überreicht. Was hat er Ihnen gesagt?
Er hat mir nicht nur zum Goldenen Schuh gratuliert, sondern zum Titel. Aber er hat gemerkt, dass ich ein bisschen schüchtern und demütig war und hat mich schnell weitergehen lassen, sodass ich das Podium verlassen konnte. Aber Ronaldo und Maradona die Hand zu schütteln, war ein Highlight dieses Confed Cups.
Hat Jogi Löw Ihnen zum Abschied gesagt, dass Sie sich bald wieder sehen?
Nicht direkt. Aber er hat zu uns allen gesagt, dass wir gute Chancen für das nächste Jahr haben. Jeder, der gespielt hat und sich zeigen durfte, hat es sehr gut gemacht. Viele konnten sich nicht nur mit der Mannschaft, sondern auch persönlich in den Vordergrund spielen. Trotzdem haben viele Weltklassespieler daheim gesessen, die bei der WM dabei sein werden. Deshalb gilt: Von Spiel zu Spiel zu gucken und dann hoffentlich nächstes Jahr dabei zu sein.
Was ist denn Ihr Wunsch und Anspruch im DFB-Team?
Wenn es mir scheißegal wäre, ob ich am Ende der Saison bei der WM dabei bin oder nicht, wäre das die falsche Einstellung. Jeder, der beim Confed Cup dabei war, will zur WM. Natürlich steht erst einmal im Vordergrund, wie wir mit RB abschneiden. Aber man spielt in den Spielen mit RB auch für die WM vor. Da will ich mich zeigen, ich hoffe, es gelingt mir so wie in der vergangenen Saison.
Nur Anthony Modeste, Robert Lewandowski und Pierre-Emerick Aubameyang waren in der vergangenen Spielzeit in der Torjäger-Liste vor Ihnen. Wie sehen Sie sich in diesem Vergleich?
Ich will mich mit denen nicht vergleichen. Das sind internationale Weltklassestürmer. Es war schön, da in der vergangenen Saison mal heranzuschnuppern, und natürlich muss es mein Ziel sein, das annähernd zu wiederholen. Aber ich spüre nicht die Verpflichtung, dass ich jetzt wieder 20 Tore schießen muss. Es kann auch in diesem Jahr mal der Fall eintreten, dass es nicht so läuft – nicht nur auf die Mannschaft bezogen, sondern auf jeden Einzelnen. Wenn ich mal zwei, drei Spiele nicht treffe, mache ich mich nicht verrückt. Nichtsdestotrotz wollen wir uns an der vergangenen Saison messen lassen und das bestätigen.
Was fehlt Ihnen denn noch zu Lewandowski und Aubameyang?
Sie sind älter und einen Tick erfahrener, vor dem Tor noch eine Spur abgewichster. Ich brauche die ein oder andere Chance mehr, um ein Tor zu schießen. Aber ich gebe mein Bestes, dass ich irgendwann einmal in deren Fußstapfen treten kann.
Sehen Sie RB Leipzig denn erneut als ersten Bayern-Verfolger?
Wir sind vielleicht nicht mehr unbedingt der Verfolger Nummer eins. Vielleicht wird das wieder Dortmund sein oder ein anderer Klub. Dortmund hat gut aufgerüstet, wir auch. Aber wir wollen uns nicht als Bayern-Jäger betiteln. Es ist schwer zu sagen, wohin unser Weg führen wird – gerade wegen der zusätzlichen Belastung in der Champions League.
Worauf wird es dabei ankommen?
Unsere vergangene Saison war einzigartig. Es werden sicher nicht mehr viele Mannschaften darauf hereinfallen, hoch zu stehen und Gegenpressing gegen uns zu spielen, sondern viele werden sich hinten reinstellen. Es wird schwer, dagegen anzukämpfen, das wird eine neue Aufgabe für uns. Aber ich glaube, auch dafür haben wir genügend Spieler, die das lösen können, um nicht nur daheim, sondern auch auswärts zu gewinnen. Wir sind gut gewappnet mit unserer Spielidee. Das ist jetzt nichts Neues mehr, aber wir haben gegen Ende der vergangenen Spielzeit gezeigt – auch gegen Bayern –, dass diese Spielweise nicht zu verteidigen ist.
Kann RB denn angesichts der Dreifachbelastung ökonomischer spielen?
Das ist eine Frage, die wir uns selbst noch nicht beantworten können. Jeder weiß, dass unser Spiel sehr kräftezehrend ist – nicht nur körperlich, sondern auch mental. Man muss ständig auf der Hut sein, man muss erkennen, wann man einen Ball erobern kann und dorthin sprinten. Aber deswegen haben wir unseren Kader erweitert. Wir können jetzt mehr rotieren. Es würde keiner von uns aushalten, dreimal pro Woche die Gegenspieler in vollem Tempo anzusprinten. Wir brauchen unsere Pausen zwischen den Spielen. Im Spiel müssen wir nicht mehr jeden Ball anlaufen, sondern die richtigen. Das wird spannend zu sehen, wie wir das hinbekommen.
Ihre Teamkollegen Naby Keita und Emil Forsberg hegten in der Sommerpause Abwanderungsgedanken. Von Ihnen und Ihrem Berater war diesbezüglich nichts zu hören.
Niemand ist hier ungern. Bei beiden ging es einfach darum, den nächsten Schritt zu einem internationalen Topverein zu machen. Der sind wir noch nicht, können wir aber einmal werden. Ich fühle mich wirklich wohl hier, habe hier die Freude am Fußball wiedergefunden und versuche, mein Bestes für RB zu geben. Man kann nie in die Zukunft schauen und sagen, was in zwei, drei Jahren ist. Aber in der Zeit, in der ich hier bin, werde ich alles für RB geben.
Können Sie sich vorstellen, Ihren Vertrag bei RB Leipzig vorzeitig über 2020 hinaus zu verlängern?
Ich habe noch drei Jahre Vertrag. Aber hierzubleiben wäre auf jeden Fall eine Option. Es gefällt mir hier.
Wer ist Ihr Wunschgegner für die Champions League?
Wir spielen jetzt das erste Mal Champions League, da wäre es nicht so verkehrt, mal im Camp Nou, im Bernabéu-Stadion oder im Old Trafford zu spielen. Das wären Reisen, die man sein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen würde. Aber wir sind da alle in der Mannschaft im Zwiespalt: Auf der einen Seite wollen wir schöne Reisen und gute Gegner, aber auf der anderen Seite wollen wir auch weiterkommen.
Was erwarten Sie vom ersten Bundesligaspiel auf Schalke, wo Sie in der vergangenen Saison wegen Ihrer Schwalbe im Hinspiel ausgepfiffen wurden?
Das war nicht gut, das muss ich zugeben. Aber es hat mir geholfen, mit Druck umzugehen. Doch ohne den Erfolg der Mannschaft und für mich persönlich wäre es mir nicht so leicht gefallen, damit umzugehen. So ehrlich muss man sein. Zwar gibt es noch vereinzelte Pfiffe, aber es ist mittlerweile kein Thema mehr. Schön, dass das Spiel auf Schalke gleich am Anfang stattfindet. Dann habe ich es für diese Saison hinter mir (lacht).
Das Mediengespräch im Teamhotel von RB Leipzig in Seefeld/Tirol mit mehreren Journalisten wurde aufgezeichnet von Ullrich Kroemer.
Quelle: ntv.de