Fußball

Umgang mit Personal fragwürdig Die kuriose Seifenoper an der DFB-Spitze

Voss-Tecklenburg und Chatzialexiou stehen vor dem Aus.

Voss-Tecklenburg und Chatzialexiou stehen vor dem Aus.

(Foto: picture alliance/dpa)

Martina Voss-Tecklenburg spricht beim Zahnärztetag, aber die DFB-Frauen trainiert Horst Hrubesch. Das sorgt für Aufsehen - weil alle glauben, sie sei noch krankgeschrieben. Ein Irrtum, den die DFB-Spitze befeuert. Präsident und Geschäftsführer spielen nicht fair, auch mit einer weiteren Person nicht.

Es dauert ein bisschen, bis es Andreas Rettig gelingt, sein Mikrofon anzuschalten. Es läuft die offizielle Vorstellung von Horst Hrubesch als Interims-Bundestrainer der DFB-Frauen. Es ist Freitag, vor einem Wochenende, das alles auf den Kopf stellen wird. Im Nachhinein wird klar: An der ein oder anderen Stelle wäre es für den neuen Geschäftsführer Sport besser gewesen zu schweigen, anstatt in das Mikro zu sprechen. Denn was der 60-Jährige in den folgenden rund 50 Minuten sagt, ist in vielerlei Hinsicht wohl nicht die ganze Wahrheit.

Es geht bei dem Pressegespräch nicht nur um Horst Hrubesch, sondern auch um Martina Voss-Tecklenburg. Die (noch immer) Bundestrainerin, die sich Anfang September 2023 nach einer völlig verkorksten Frauen-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland krankschreiben lässt. Was ihr Mann Hermann Tecklenburg über ihren Gesundheitszustand erzählt, lässt auf Burn-out-Symptome schließen, die sich wohl auch schon während des Turniers gezeigt haben.

DFB sorgt sich öffentlich um Gesundheit

Rettig sagt, er wolle "demnächst" auf sie zugehen. "Selbstverständlich." Und er denke nicht, dass "sie sich verweigern wird. Warum auch?" Dass sich Voss-Tecklenburg zu diesem Zeitpunkt in einem vom DFB genehmigten Urlaub befindet und sogar Vorträge vor Zahnärzten und Fertigbauern hält - also wieder genesen ist - erwähnt Rettig nicht. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf betont vielmehr erneut: "Das Allerwichtigste ist, dass sie gesund wird." Und: "Wir haben eine Verabredung, dass die Dinge erst dann besprochen werden. Es wird in keinster Weise Druck ausgeübt." Der DFB handle in dieser Angelegenheit "vernünftig, manierlich und verantwortungsvoll".

Dass sie sich "seit 14 Tagen in meinem vom DFB genehmigten Erholungsurlaub" befindet, erklärt Voss-Tecklenburg, als es Berichte über ihre Redner-Tätigkeiten gibt. Rettig hingegen erwähnt das nicht. Auch dass die 55-Jährige nach RTL/ntv-Informationen sogar selbst in den vergangenen Tagen das Gespräch mit der DFB-Spitze gesucht hat, lässt Rettig unerwähnt.

Stattdessen gibt er zu Protokoll, der DFB befände sich "durch die Krankheit der Bundestrainerin" in einer "ganz schwierigen Situation". Dabei müsste die Situation gar nicht mehr so schwer sein: Voss-Tecklenburg wird nicht auf die DFB-Trainerbank zurückkehren, das Tischtuch zwischen Mannschaft und Trainerin ist nach dem enttäuschenden Vorrunden-Aus am anderen Ende der Welt zerschnitten. Nach RTL/ntv-Informationen suchen Rettig und DFB-Präsident Bernd Neuendorf aktiv nach einer langfristigen Lösung für die Nachfolge von Horst Hrubesch. Anders ist der Rettig-Satz "Wir müssen vorbereitet sein für den Fall, dass es keine Rückkehr gibt" ohnehin nicht zu deuten.

Da mutet es fast zynisch an, dass sowohl der Präsident als auch sein Geschäftsführer immer wieder von "Fürsorgepflicht" sprechen und der "Verantwortung", die man als Arbeitgeber von Voss-Tecklenburg habe. Wie groß ist die Verantwortung, wenn man vorgibt, keinen Druck auf die 55-Jährige ausüben zu wollen, aber zeitgleich beginnt, ihre Nachfolge zu regeln? Wieso geht die DFB-Spitze nicht auf das Gesprächsangebot der Bundestrainerin ein? Und wie findet man eine Lösung für das Ende des Urlaubs von Martina Voss-Tecklenburg? Ja, ihr "Erholungsurlaub" mit wohl entlohnten Vorträgen kommt zur Unzeit, wo alle sehnlichst auf die WM-Analyse warten. Diesen Vorwurf muss sie sich gefallen lassen. Aber ansonsten: Welch unangenehme Situation für die Vizeeuropameisterin von 2022.

Chatzialexiou wird hingehalten

Wie unwürdig die DFB-Spitze mit verdienten Mitarbeitern umgeht, bekommt aktuell auch Panagiotis Chatzialexiou zu spüren. Offiziell ist der Mann, den im Verband alle nur "Joti" nennen, "Leiter Nationalmannschaften". Dass diese Position in der neuen DFB-Struktur so allerdings keinen Bestand mehr haben wird, erkennen sogar Außenstehende auf Anhieb. Unter Neuendorf und Rettig arbeiten mit Hannes Wolf und Rudi Völler bereits zwei Sportdirektoren, ein dritter - für den Fußball der Frauen - soll noch ernannt werden. Der Kandidatenkreis für Gespräche sei bereits "auf weniger als fünf Personen" eingegrenzt, hatte Rettig gesagt. "Wir sind mit Hochdruck dran." Der Posten solle möglichst noch vor einer Entscheidung zu Voss-Tecklenburg besetzt werden. Die drei Direktoren haben die Aufgaben des ehrgeizigen Chatzialexiou bereits weitgehend übernommen beziehungsweise werden es noch tun. Rettig beteuert trotzdem, an Stellung und Jobprofil von Chatzialexiou habe "sich nichts geändert."

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Das ist unsensibel und irreführend. Denn intern ist längst klar, dass man den unbequemen Chatzialexiou loswerden möchte. Mächtige Landesverbände hat der Sohn griechischer Einwanderer gegen sich aufgebracht, weil er unter anderem das "Projekt Zukunft" energisch vorangetrieben hat. Mit dem Programm will der DFB zurück in die Weltspitze des Fußballs. Beschlossen übrigens vom Präsidium selbst und vom DFB-Bundestag ohne Gegenstimme verabschiedet.

Dabei hätte Chatzialexiou mehr Respekt verdient. Seit 2003 arbeitet er für den größten Sportfachverband der Welt, kennt Abläufe, Strukturen und Personal aus dem Effeff. Von den meisten Spielerinnen des Frauen-Nationalteams wird er hochgeschätzt. Nach dem Vorrunden-Aus hat er sich schützend vor Mannschaft und Trainerin gestellt. Jetzt teilt er wohl ein Schicksal mit Voss-Tecklenburg und muss gehen. Nur offen sagen, wollen das Andreas Rettig und Bernd Neuendorf noch nicht. Dabei wäre hier der Gang vors Mikrofon - im besten Fall gemeinsam - für alle Beteiligten der bessere Weg.

Quelle: ntv.de

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