Voss-Tecklenburg und das Team - ein Wiedersehen steht in den Sternen.
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Krankgeschrieben ist Martina Voss-Tecklenburg nicht länger, sondern stattdessen nun im Urlaub. Der Zeitpunkt hat Geschmäckle, schließlich gibt es extra einen Interimstrainer, kämpft ihr Team um die Olympia-Qualifikation und die Analyse des WM-Debakels steht aus. Gewinner dieser Konstellation gibt es nicht.
Ein Vortrag beim Bundesverband Deutscher Fertigbau, eine Festrede beim Bayerischen Zahnärztetag, ein Besuch beim Zweitliga-Spitzenspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Kaiserslautern. Martina Voss-Tecklenburg tritt wieder in der Öffentlichkeit auf. Aber ihrem Job als Bundestrainerin der deutschen Fußballerinnen geht sie nicht nach. Sie weilt, wie sie es am Sonntag auf Nachfrage erklärte, "seit 14 Tagen in meinem vom DFB genehmigten Erholungsurlaub".
Das ist, bei allem Respekt und Verständnis für ihre vorausgegangene, mutmaßlich psychische Erkrankung, ziemlich kurios. Schließlich gilt es, eine desaströse, historisch schlechte, Weltmeisterschaft in Australien aufzuarbeiten. Dies ist überfällig, längst hat das Team neue wichtige Aufgaben in der Nations League und der damit verbundenen Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 zu bewältigen. Am Freitag geht es in der Nations League gegen Wales (17.45 Uhr/ARD und im ntv.de-Liveticker), am kommenden Dienstag tritt das Team in Island (20 Uhr/ZDF und im ntv.de-Liveticker) an.
Die WM-Analyse steht noch aus, weil Voss-Tecklenburg seit der Rückkehr krankgeschrieben war, der DFB ihr völlig zurecht alle Zeit für die Genesung einräumte und alles Weitere vertagte. An eine weitere Zusammenarbeit zwischen ihr, dem Team und dem DFB glaubt inzwischen niemand mehr so wirklich, zu viele Gerüchte kursieren darüber, dass es intern mächtig Knatsch gibt. Es schien bislang, der DFB würde mit einer Trennung nur warten, bis es moralisch vertretbar ist, weil sie nicht mehr krank ist. Mit Kenntnis ihrer Auftritte wirkt es nun so, als würden vor allem Voss-Tecklenburg, aber auch der DFB dies unnötig hinauszögern.
Oberdorf kritisiert den Urlaub
"Es gibt mir ein paar Fragezeichen natürlich. Ich hätte mir da durchaus etwas anderes gewünscht. Dass man sagt: Okay, wir klären erstmal, was bei der WM passiert ist", sagte Schlüsselspielerin Lena Oberdorf beim Treffen des Teams in Frankfurt. Ein Erholungsurlaub wäre ihrer Meinung nach auch nach der Aufarbeitung möglich gewesen. Stattdessen soll es jetzt umgekehrt passieren. Eine Entscheidung, die mindestens unelegant wirkt.
Denn die Spielerinnen hatten "Klarheit" eingefordert. Kapitänin Alexandra Popp und ihre Teamkolleginnen hatten dies einhellig formuliert in der Zeit, in der Co-Trainerin Britta Carlson coachte, aber immer betonte, den Job als Cheftrainerin nicht übernehmen zu wollen. Der DFB hatte reagiert und Horst Hrubesch als Interimstrainer präsentiert. Es schien wie ein guter Versuch, die Lage zu beruhigen. Der 72-Jährige war 2018 schon einmal eingesprungen, als das Team verunsichert und führungslos war.
Hrubesch hat einen guten Draht zu den Spielerinnen, hatte den Kontakt zu den meisten nie verloren. "Ich habe die Mannschaft einfach lieben gelernt. Was ich da gekriegt habe, was ich mitnehmen konnte, das war schon sensationell gut. Auch für mein Leben", hatte er am Freitag bei seiner offiziellen Vorstellung erklärt. "Teilweise haben sie mir auch zu Weihnachten eine Karte geschrieben, und ich habe ihnen zum Geburtstag gratuliert."
Er hat offenbar einen Plan, woran er in seiner ersten Phase als Interimscoach arbeiten möchte. Zuletzt habe "Tempo und der letzte Schritt gefehlt", die DFB-Auswahl "mit zu vielen Kontakten" gespielt, hatte Hrubesch auch Kritik an der Arbeit von Voss-Tecklenburg geübt. Er will die Chance nutzen, das verunsicherte Team wieder zusammenzubringen und geht den Weg der schwierigen Olympia-Qualifikation motiviert an. Mit der pausierenden Bundestrainerin, sagte Hrubesch, habe er indes nicht gesprochen: "Wie das jetzt geregelt ist, das muss der DFB dann entscheiden. Das ist jetzt nicht mein Bier."
Ein Interimstrainer für den Urlaub
Trotzdem treffen auch ihn, der die Lage beruhigen soll, die von ausgerechnet von Voss-Tecklenburg ausgelösten Störgeräusche. Erst am Freitag, noch vor der öffentlichen Diskussion über ihre Auftritte, hatte DFB-Präsident Bernd Neuendorf gesagt: "Sie werden nicht ernsthaft erwarten, dass ich Gerüchte kommentiere. Wir sind Arbeitgeber von Martina Voss-Tecklenburg, wir warten in Ruhe ab. Hier wird in keinster Weise Druck ausgeübt. Wir müssen und wollen, dass sie sich gut erholt. Das ist das Allerwichtigste." Da war Voss-Tecklenburg bereits im Urlaub und nicht mehr krankgeschrieben.
Alle dachten, Hrubesch wäre für die erkrankte Bundestrainerin einspringen, stattdessen vertritt er sie, während sie Erholungsurlaub macht. Und in diesem für ihre Auftritte vor Zahnärzten und Fertigbauern mutmaßlich ein für solche Vorträge übliches Honorar kassiert. Bei der Fortuna sitzt sie seit Jahren im Aufsichtsrat, ebenfalls ein offizieller Posten, den sie hatte ruhen lassen. Dass sie nun urlaubt, während ihr Team - noch ist es offiziell ihres - um die Olympia-Teilnahme kämpft, hat mindestens ein Geschmäckle. Es ist eine Konstellation, die das Spiel in den Hintergrund rücken lassen dürfte. Auf Anfrage teilte der DFB nur nüchtern mit: "Über mögliche Veranstaltungsbesuche wurde der Verband seitens Martina Voss-Tecklenburg informiert. Der DFB hat den Auftritt von Voss-Tecklenburg beim Bayerischen Zahnärztetag zur Kenntnis genommen."
Es scheint nicht so, als gäbe es noch eine gemeinsame Zukunft, dabei läuft ihr Vertrag bis 2025. Vielmehr eine mögliche Interpretation: Es handelt sich um ein Schrecken ohne Ende, nicht um ein Ende mit Schrecken. Für dieses wäre der Zeitpunkt direkt nach der WM gewesen.
Quelle: ntv.de
