Fußball

Letzte Ausfahrt Wembley Diese BVB-Mannschaft hat keine Zukunft mehr

Wie geht's weiter für Niclas Füllkrug bei Borussia Dortmund.

Wie geht's weiter für Niclas Füllkrug bei Borussia Dortmund.

(Foto: IMAGO/kolbert-press)

Borussia Dortmund steht im Endspiel der Champions League. Das gelang zuletzt vor elf Jahren. Beginnt nun eine neue Ära in Schwarzgelb? Eher nicht. Die Mannschaft hat in dieser Form keine Zukunft und somit nur noch ein gemeinsames Ziel. Das macht sie so gefährlich.

Noch ein letztes Mal Wembley. Dazu können sie sich noch aufraffen. Dann werden sie auseinanderfliegen. Die Klammern halten kaum noch. Der BVB schleppt sich in das große Finale der Champions League. Überall zischt und knallt es, noch jedoch ist nichts explodiert. Das wird auch bis zum Abpfiff am Samstag so bleiben.

Einst setzte der BVB auf die Jugend und träumte von der Zukunft, die jedoch niemals eintraf. Jetzt setzen sie auf Erfahrung und leben in der Gegenwart. Die wohl zukunftsloseste Mannschaft von Borussia Dortmund seit langer Zeit kämpft urplötzlich um den Henkelpott, und keiner weiß warum. Dabei ist die Sache ganz einfach. Die vielen Durchschnittskicker in den schwarzgelben Trikots werden nie wieder in diese Position kommen. Sie sind zu alt und wohl auch zu schlecht. Sie waren in dieser Spielzeit hochgeflogen und hatten so tatsächlich die undenkbare Klammer um die Jahre 2013 bis 2024 legen können. Stillstand von Wembley bis Wembley.

Die erfolgreichste Dekade der Vereinsgeschichte hatte den Klub als Dauergast in die Champions League gespült und doch alle verzweifeln lassen. Denn das Geschäftsmodell Zukunft, das Geschäftsmodell Haaland, Bellingham, Dembélé also, hatte zusammen mit dem stechenden Blick zurück auf die wenigen Jahre unter Jürgen Klopp die Gegenwart in einen ewigen Stillstand verwandelt. Alles, was in Dortmund in den vergangenen Jahren passierte, fand entweder in einer fernen, niemals einsetzenden Zukunft oder einer alles lähmenden Vergangenheit statt.

Das "Doktor Gott" -Spin-Off

Erst die radikale, eventuell aus der Not geborene Abkehr von dieser Strategie hatte die Borussia nun ins Finale geführt. Allenthalben setzten in Europa auch die großen Klubs auf junge, aufstrebende Spieler. Die ständig steigende Belastung bei jetzt fünf möglichen Auswechslungen tat ihr Übriges. Die Zwischenstation Dortmund ist nicht mehr zwangsläufig ein Muss. Auch bei Real Madrid gibt es Spielzeit.

Diese letzte Dekade würde schon bald als langatmiger letzter Teil der "Alle am Borsigplatz geboren"-Trilogie in die Geschichte eingehen. Alles kam zusammen. Wembley war das vorherbestimmte Finale für eine der größten Serien des vergangenen Jahrhunderts. Der Pilot lag lange zurück, er war als "Doktor Gott" (Ex-Boss Gerd Niebaum) -Spin-Off umstritten, konnte aber mit der Eröffnungsszene im Vorzimmer der Pathologie punkten.

Nach drei wilden Jahren (Bert van Marwijk, Jürgen Röber, Thomas Doll und den verzweifelten Warnungen der Fanabteilung an die Stadt, die sich hinter dem Klub vereinen müsse) sowie Hans-Joachim Watzkes fast arroganten Versprechungen von kommenden Großtaten, war der Beginn der zweiten Staffel mitten hinein in das Finale der ersten unglaublich. Diese hatte sich ausgerechnet im Vorlauf des April-Endspiels im DFB-Pokal angekündigt. Klopp würde den Verein übernehmen. Da konnte sich Thomas Doll Tage später noch so oft den Arsch ablachen.

Watzke hatte recht behalten

Der ehemalige Hamburger verschwand mit seinem Porsche aus der Tiefgarage. Niemand weinte ihm eine Träne nach. Die Titeljahre begannen mit einem fast erstunkenen 3:3 im Derby. Von da an gab es kaum noch ein Halten. Watzke hatte mehr als recht behalten, die Internet-Zeitenwende half massiv. Der Name Borussia Dortmund verbreitete sich auf der ganzen Welt. Redet man heute im Ausland von Dortmund, redet man ausschließlich von der Borussia. Es gibt wohl kaum eine andere Stadt weltweit, die so sehr nach Fußball riecht. Liverpool hat noch die Beatles, Manchester hat Madchester und danach kommt nichts. Dortmund ist Borussia. Basta.

Serienfinale in Wembley jetzt. Die ganze Welt schaut zu. Das war nicht immer so in den letzten Jahren. Sie sind wieder da und letztmals sind alle versammelt. Manche kommen gerade und andere gehen. Lars Ricken, der in der Tragödie "Doktor Gott" 1997 den maximalen Erfolg brachte, ist zurück. Watzke, der Retter, steht vor dem Ende. Der scheidende CEO hat mit seinem Deal mit Rheinmetall, mit seinem kaum dezenten Hinweis auf die Zeitenwende, spektakulär unnötige Unruhe in die Vorbereitung gebracht. Neben ihm wird wieder Matthias Sammer sitzen, der gemeinsam mit Ricken schon immer da ist, aber 2013 noch auf der anderen Seite stand.

Der von Bundestrainer Julian Nagelsmann verstoßene Mats Hummels hat gegen seinen derzeitigen Trainer Edin Terzić derart nachgetreten, dass eine weitere Zusammenarbeit kaum noch vorstellbar ist. Marco Reus wird den Verein verlassen. Sein Leben in der Profimannschaft reicht von Wembley zu Wembley. Er wird nicht nachtreten. Den üblichen Transfermedien ist dann zu entnehmen, dass mit Sébastien Haller, Youssoufa Moukoko, Karim Adeyemi und sogar Niclas Füllkrug die nahezu gesamte Angriffsreihe den Klub verlassen könnte. Was aus den starken Leihspielern Ian Maatsen und Jadon Sancho wird? Sie haben sich für ihre eigentlichen Arbeitgeber wieder interessant gemacht oder auch für den internationalen Transfermarkt. Sportdirektor Sebastian Kehl könnte an den Mittellandkanal wechseln.

Ein Team zerfällt. Ein Verein erfindet sich neu.

Kaderplaner Sven Mislintat, das gefallene Diamantenauge, hat zurück an den Borsigplatz gefunden. Er hatte sich vor langer Zeit mit Thomas Tuchel überworfen. Wembley ist das letzte Zusammenkommen der wohl seltsamsten Dortmunder Mannschaft der letzten 20 Jahre. Für einen kurzen Moment sind auch sie alle am Borsigplatz geboren. Ein letztes Finale und dann ist es endgültig vorbei. Ein Team zerfällt. Ein Verein erfindet sich neu.

Mit dieser maximal auf die Gegenwart getrimmten Mannschaft will der Ballspielverein Borussia aus Dortmund dem wohl größten Favoriten jemals, Real Madrid, eine gigantische Niederlage zufügen. Nur ein Jahr nach dem 2:2 gegen Mainz, der dramatisch hergeschenkten Meisterschaft, dem tiefsten sportlichen Tiefpunkt der letzten 15 Jahre, könnten sie die wohl größte Erzählung der weit über 100-jährigen Vereinsgeschichte mit dem größten Triumph abschließen und sich danach in alle Winde zerstreuen.

Vorher aber will Marco Reus am Ende von "Alle am Borsigplatz geboren" den Henkelpott in die Luft stemmen, sich ein letztes Mal mit den Fans vereinen. Er hatte es so lange verpasst. Dabei war das seine Bestimmung. Er war einer von ihnen. Bis es so weit ist aber, wird es überall zischen und knallen. Das größte Finale der Vereinsgeschichte. Danach wird nichts mehr sein, wie es über zwei Jahrzehnte war.

Quelle: ntv.de

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