"Wer so spielt ..." Dortmund kapituliert nach 131 Sekunden
19.03.2015, 05:13 Uhr
Alvaro Morata jubelt für Juve, Borussia Dortmund wirkt kraftlos: "Spiele in Dortmund fallen nie in die Kategorie banal."
(Foto: REUTERS)
In den vergangenen Champions-League-Spielzeiten setzt Dortmund Maßstäbe im schönen Scheitern. Gegen Juventus beweist der schockierend abschlussschwache BVB, dass er auch extrem hässlich rausfliegen kann. Mit seiner Blitz-Kapitulation unterbietet er sogar das Donezk-Debakel in München.
153 Sekunden hatte der FC Bayern gebraucht, um in seinem Rückspiel gegen Schachtjor Donezk ins Viertelfinale der Champions League einzuziehen. Borussia Dortmund genügten gegen Juventus Turin 131 Sekunden, um sich selbst zu besiegen. Nach den fußballdramatisch höchst anspruchsvollen Knockouts gegen den FC Bayern (Finale 2013) und Real Madrid (Viertelfinale 2014) setzte der BVB 2015 erneut Champions-League-Maßstäbe, nur diesmal im hilflosen Scheitern. Noch erstaunlicher als das am Ende überdeutliche 0:3 gegen Juventus war nämlich, wie chancenlos der in der Liga kriselnde BVB für mindestens anderthalb Jahre von der großen Bühne Champions League taumelte.
BVB-Coach Jürgen Klopp kommentierte die Dortmunder Offensivimplosion nach dem insgesamt mit 1:5 verlorenen Achtelfinale staubtrocken, es hatte ja nicht mal Dortmunder Alibischüsse auf das gegnerische Tor gegeben. Und "wer nicht aufs Tor schießt, hat relativ große Probleme beim Tore erzielen, das ist nunmal so".
Nach dem 1:2 in Turin hatte Klopp vor heimischer Kulisse auf ein überragendes Spiel seines Teams gehofft, um den dritten Viertelfinal-Einzug in Folge doch noch perfekt zu machen. Geboten bekamen er und ein phasenweise komplett entgeistertes Stadion eine Leistung, die mit unterirdisch noch euphemistisch beschrieben ist und die in einem anderen, unrühmlichen Hattrick gipfelte: Nach den Nullnummern gegen Hamburg und Köln stand gegen Juventus erneut die Null, allerdings am falschen Ende des Platzes.
"Der Ball flog gut, konnte man bei Tevez sehen"
Und das, erklärte Klopp süffisant, könne man nicht einmal "auf den Ball schieben, denn der flog gut, wie man beim ersten Tor von Tévez sehen konnte". Die schöne Hommage-Choreografie an den Champions-League-Sieg 1997 gegen Juventus war gerade erst wieder von der Südtribüne verschwunden, als plötzlich der italienische Fanblock in ekstatischen Jubel ausbrach. Carlos Tevez hatte aus 25 Metern einfach mal geschossen, quasi aus dem Stand, und schon stand es aus Sicht der Dortmunder 0:1. BVB-Torhüter Roman Weidenfeller sah dabei nicht wirklich gut aus, beteuerte aber weltmeisterlich, er habe "den Ball leider erst spät gesehen".

"Den Ball leider erst spät gesehen": Roman Weidenfeller nach dem zweiten Tor von Carlos Tevez in der 79. Spielminute.
(Foto: REUTERS)
Klopp erklärte den Schuss für unhaltbar. Ihn wurmte vor allem, dass so eine Szene wie vor Juves 1:0 auf Dortmunder Seite "heute sicher keine Torchance geworden" wäre – da keiner seiner Profis in dieser Szene abgezogen hätte. Weil aber Tevez schoss und Weidenfeller nicht hielt, war dieses deutsch-italienische Achtelfinalduell schon nach drei Minuten entschieden. Aus dem erhofften Champions-League-Festtag wurde für Dortmund ein quälender Frustabend. Dass Dortmund auch sein viertes internationales Heimspiel gegen Juventus verlor, blieb an diesem Abend eine Randnotiz.
Denn was nach dem 0:1 folgte, wird als Chronik eines angekündigten Champions-League-Todes in die BVB-Annalen eingehen – und als Plädoyer für die Einführung des technischen K.o. im Fußball. Der BVB brauchte zwar unbedingt zwei Tore, die Fans auf den Rängen brüllten immer wieder verzweifelt "Laaaauuuf", "Spiiiiieeeeeel" und "Schiiiiieeeß". Aber der BVB lief, spielte und schoss nicht, er war gegen einen extrem robusten und selbstbewussten Gegner mit seinem behäbig-verzagten Offensivspiel einfach nicht in der Lage, sich überhaupt Torgelegenheiten zu erspielen.
Sturmspitze Pierre-Emerick Aubameyang war wie Spielmacher Henrikh Mkhitaryan ein Totalausfall, Nationalspieler Marco Reus völlig indisponiert und Mittelfeldstratege Ilkay Gündogan vom Gegner komplett abgemeldet.
Fluchtbewegungen auf den Rängen
Echte Chancen boten sich nur dem Team von Juventus, das in der 70. Minute per Konter durch Alvaro Morata auf 2:0 erhöhte. Die massiven Fluchtbewegungen der BVB-Fans, die daraufhin einsetzten, wurden vom Juve-Fanblock mit hämischen "Auf Wiedersehen!"-Sprechchören begleitet. Es war auch sonst erstaunlich, wie oft die mitgereisten Italiener die berüchtigte Gelbe Wand übertönten. Die sang erst wieder trotzig, als erneut Tevez (79.) für den demütigenden 0:3-Endstand gesorgt hatte.
Vom eigenen Team wurde dem BVB-Anhang nichts Erbauliches geboten. Dortmunder Abwehr- und Angriffsversuche endeten immer wieder in hanebüchenen Aktionen, die jeden Anfeuerungsruf ad absurdum führten. Juventus-Coach Massimiliano Allegri zählte letztlich zwei Dortmunder Chancen, wohlgemerkt Hin- und Rückspiel zusammengerechnet. Wobei, dieser Hinweis war Allegri doch wichtig, das Dortmunder Tor im Hinspiel ja eigentlich nur einem Ausrutscher des Turiner Abwehrchefs Giorgio Chiellini geschuldet war.
In Dortmund dauerte es 63 Minuten, bis Juve-Keeper Gianluigi Buffon den ersten Ball halten musste. Jener Buffon, der vor dem Spiel noch orakelt hatte: "Spiele in Dortmund fallen nie in die Kategorie banal." Dass die Borussia im Angriffsspiel dann schockierend banal agierte, darüber gab es keine zwei Meinungen. Warum das so war, darüber schon. Juve-Coach Allegri fand: "Meine Mannschaft hat es geschafft, schwere Dinge leicht umzusetzen. Es waren keine Schwächen des BVB, sondern unsere Meriten."
Klopp sah das etwas anders und nicht den Gegner übermächtig, sondern sein Team unterwürfig und alles andere als überzeugend. "Juve verteidigt es gut und die Spielentwicklung war natürlich nicht so toll für uns mit dem frühen 1:0", sagte der BVB-Coach: "Aber ich kann mich jetzt nicht hinsetzen und sagen, aufgrund dessen dürfen wir dann in den restlichen 87 Minuten nur zweimal aufs Tor schießen. Das ist ja Quatsch." Man müsse einfach sagen, dass es Juventus "wenige Mannschaften so leicht machen werden wie wir". Aber, so Klopp: "Wir sind vollkommen zu Recht rausgeflogen. Wer so spielt, der darf natürlich nicht weiterkommen."
Quelle: ntv.de