Fußball

Alonso-Dominanz im Schnellcheck Eine Niederlage, die beim FC Bayern nachhallen wird

Bayer gewinnt.

Bayer gewinnt.

(Foto: REUTERS)

Eine Machtdemonstration - anders lässt es sich nicht beschreiben: Bayer Leverkusen fertigt den FC Bayern im Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga ab. Die Münchner sind absolut chancenlos, die Werkself im Rausch eines Topteams.

Was ist im Super-Mega-Giganten-Gipfel der Bundesliga passiert?

Revolution gegen die Tyrannei des FC Bayern! Die Fußballer von Bayer 04 Leverkusen arbeiten weiter fleißig an ihrer Helden-Werdung. Im Topspiel der Fußball-Bundesliga schrumpfte die Werkself den Serienmeister endgültig zum Herausforderer im Titelkampf. Die Lage hätte auch anders aussehen können. Mit einem Sieg wären die Münchner nämlich an der Übermannschaft dieser Saison vorbeigezogen, was viel über die Ergebnisstärke des Rekordmeisters aussagt. Aber so kam es nicht. Der FC Bayern ging in der stimmungsvollen BayArena sang- und klanglos mit 0:3 (0:1) unter. Selten hat man die Münchner so schwach, so ideen- phasenweise auch teilnahmslos und sogar überfordert gesehen wie an diesem Samstagabend. Bayer Leverkusen brauchte zwar etwa 15 Minuten, um die Nervosität abzulegen, dann aber war klar, der aktuell die Nummer im deutschen Fußball ist. Emotional und fußballerisch sind sie das ohnehin seit Wochen.

Auf der anderen Seite war nicht klar, was der Bayern-Trainer Thomas Tuchel seiner Mannschaft mit auf den Weg gegeben hatte. Ein Plan war nicht zu erkennen. Wenn er sein Team auf Jeremie Frimpong, den pfeilschnellen und überragenden Außenspieler der Leverkusener, ausgerichtet hatte, so wurde er klassisch ausgecoacht. Sein Gegenüber Xabi Alonso verzichtete nämlich auf den Niederländer, brachte Stanisic und durfte seinen Aufstellungscoup feiern. Und noch einen zweiten: Patrik Schick blieb draußen, dafür stürmte Amine Adli. Bayer setzt gegen die Ochsenabwehr der Münchner mit Dreierkette auf Tempo, Tempo, Tempo und die Genialität von Wirtz. Im "Hosen-runter"-Spiel, so Tuchel, klemmte beim FC Bayern gewaltig der Reißverschluss. Das Ende der Bundesliga-Tyrannei, so hatte es Bayer-Keeper Lukas Hradecky in der "SZ" genannt, nimmt immer konkretere Formen an.

Wie war es im Hexenkessel, der sich BayArena nennt, Herr Nordmann?

Es dauerte lange, bis die Ränge sich füllten. Das hatte einen Grund: Karneval! Im nahen Stadtteil Schlebusch waren Massen von Menschen unterwegs. Der Weg zum Stadion war gepflastert von Super Marios, Krokodilen und Fokuhilas. Peppa Wutz war da, ein Papst auch. Den klerikalen Beistand hätten die Fußballer von Bayer Leverkusen aber wohl nicht gebraucht. Mit einer Monster-Serie von 30 ungeschlagenen Spielen in Serie hatten sie sich ein unerschütterliches Selbstvertrauen erarbeitet.

Die Fans feierten Karneval.

Die Fans feierten Karneval.

(Foto: IMAGO/Mika Volkmann)

Doch ehe sie das gewinnbringend auf dem Platz umsetzen konnten, dauerte es einen Moment. Die aktive Fanszene beider Vereine nutzte die Weltbühne, in 211 Länder wurde das Duell übertragen, um sich gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu positionieren - durchaus kreativ. Passend zum Karneval flogen Kamelle statt Tennisbälle. Und auch sonst ließ sich der Einfluss der tollen Tagen nicht verstecken. De Höhner trällerten ihr "Jetzt geht’s los vom Band", in der Halbzeit wurde das Lasso rausgeholt. Es wurde jebützt (Anmerk. d. Red.: geküsst), was das Zeug hielt und schließlich flogen auch noch die Hände zu Himmel. Und Bayer Leverkusen dem FC Bayern davon. Alaaf!

Was war nicht so gut?

Tja. Man kann nur hoffen, dass der Transferausschuss des FC Bayern diese erste Hälfte im Spitzen-Giganten-Super-Duell nicht gemeinsam in einem Raum verfolgt hat. Es lässt sich nur mutmaßen, welch unangenehme Stimmung zwischen den sieben Männern geherrscht hätte, die allesamt für den Kader der Münchner zuständig sind. Denn die ersten 45 Minuten zeigen schon alle Probleme auf, die der deutsche Fußball-Rekordmeister derzeit nun mal mit sich herumschleppt - und das trotz der eigentlich starken Punkteausbeute von 50 Punkten aus 21 Spielen.

Über den Kader und dessen dünne Decke wurde ohnehin genug gesprochen, auch vor dem Ligagipfel. Innenverteidiger Kim Minjae ist nach dem Asien-Cup praktisch erst aus dem Flieger gesprungen. DFB-Mann Leon Goretzka musste selbst schon in der Abwehr aushelfen. Der Youngster Aleksandar Pavlovic hat mutmaßlich eine spannende Zukunft vor sich, aber ist im Moment eben noch ein 19-Jähriger, der gegen Leverkusen sein gerade mal zehntes Profispiel macht. Das sind alles Faktoren, die nicht helfen.

Thomas Tuchel verzweifelte.

Thomas Tuchel verzweifelte.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Das nimmt aber nicht Thomas Tuchel aus der Kritik. Trotz aller Schwächen: Das ist immer noch ein sehr guter Kader. Doch der Tabellenzweite spielt im Spielaufbau so uninspiriert wie ein VW Golf. Für den Alltag ist das in Ordnung, die großen Preise räumt man damit nicht wirklich ab. Die Bälle werden von links nach rechts und wieder zurückgeschoben. Gefährlich ist das selten. Das ändert sich erst, als Joshua Kimmich und Thomas Müller eingewechselt werden. Doch dann ist es schon zu spät.

Und auch sonst. Die Bayern begannen plötzlich mit einer Dreierkette, auch das haben sie lange nicht gemacht. Einem daraus wird die bitterste Rolle zuteil: Neuzugang Sacha Boey. 30 Millionen Euro flossen in die Türkei zu Galatasaray Istanbul, um die Kaderlücke bei den Bayern zu füllen - endlich noch ein Rechtsverteidiger. Doch Tuchel bietet ihn auf der linken Seite auf, das überrascht dann doch. Seit nun fast dreieinhalb Jahren hat Boey das nicht mehr gemacht. Zuletzt am 8. November 2020 - da spielte er noch für den FC Dijon, Tuchel war noch Trainer bei PSG, eine Pandemie ging damals um die Welt. So lang ist das her, Boey konnte das nur schwer verbergen. Eine Verstärkung war er nicht wirklich. Erst in der 81. Minute erlöst Tuchel ihn.

Und was war jetzt noch mal gut?

Wieder Grüße an den Transferausschuss: Josip Stanisic. Nicht nur macht der Kroate sein zweites Bundesliga-Tor überhaupt. Stanisic ist auch der Grund, weshalb Boey nicht wirklich gut aussieht - das hat er nicht nur Tuchel zu verdanken. Niemand weiß eigentlich so recht, weshalb Stanisic jetzt nicht beim FC Bayern spielt. Er war in den letzten Tagen des Sommertransferfensters verliehen worden und selbst ganz überrascht, wie es dazu gekommen war. Doch egal. Stanisic kocht Boey ab, offensiv hat sein Nachfolger beim FC Bayern keinerlei Chance. Bezeichnend ist es dann, dass Stanisic sich beim 1:0 auch noch im Rücken des Franzosen wegstiehlt, ohne dass der irgendetwas mitbekommt.

Frimpong krönte den Sieg der Werkself.

Frimpong krönte den Sieg der Werkself.

(Foto: REUTERS)

Und über Bayer Leverkusen müssen eigentlich nicht viele Worte verloren werden. Das war einfach ein guter Auftritt. Nach der anfänglichen Nervosität ist das souverän. Fußball ist manchmal eine Kopfsache, wenn es läuft, dann läuft es - und bei Bayer funktioniert es eben. Das zeigt sich daran, wie selbstverständlich Florian Wirtz die Bälle im Mittelfeld verteilt. Oder auch daran, wie die Doppelsechs aus Granit Xhaka und Robert Andrich den Laden im Griff hat - der eine räumt gnadenlos auf, der andere dirigiert wie ein Feldherr. Oder wie Tausendsassa Álex Grimaldo eben Bayern-Torwart Manuel Neuer (!) herausfordert und eine Ecke auf die Latte setzt. Das macht einfach Spaß.

Wie schätzen die Beteiligten das ein?

Thomas Müller (FC Bayern): "Was mir fehlt von uns Spielern: Im Training zeigen wir deutlich bessere Ansätze, weil wir mutig sind, weil wir frei Fußball spielen. Mir fehlen bei uns, und da können wir Oliver Kahn zitieren, teilweise die Eier und die Freiheit. Wir haben eine Verkopftheit in unserem Spiel vor allem mit Ball."

Robert Andrich (Bayer Leverkusen): "Wir waren von Minute eins bis 90 auf dem Gaspedal, konzentriert und aggressiv. Auch vor dem Tor waren wir richtig gut, ein sehr verdienter Sieg heute."

Xabi Alonso (Trainer, Bayer Leverkusen): "Wir können in jedem Spiel dominant sein. Alle Spieler haben auf höchstem Niveau gespielt, mit großer Mentalität. Wir hatten sehr viele Chancen gehabt und kaum welche zugelassen."

Quelle: ntv.de

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