Fußball

Krisenspiel für den FC Bayern Warum plötzlich alle auf Thomas Tuchel einschlagen

Hatte keine Erklärung für das peinliche Pokal-Aus in Saarbrücken: Thomas Tuchel.

Hatte keine Erklärung für das peinliche Pokal-Aus in Saarbrücken: Thomas Tuchel.

(Foto: IMAGO/Fussball-News Saarland)

Thomas Tuchel soll den FC Bayern wieder erfolgreich machen. Mit der Pleite im DFB-Pokal ist der zweite Titel der Saison allerdings bereits weg. Eine Traineridee ist auf dem Feld nicht zu erkennen, hinzu kommen personelle Sorgen. Die Kritiker schießen sich auf den Trainer ein.

Der FC Bayern bekommt seinen eigenen Zustand in diesen Tagen von allen Seiten um die Ohren gepfeffert. Wie meistens stehen Lothar Matthäus und Dietmar Hamann, zwei Ex-Spieler des Klubs, an der Spitze der Bewegung. Sie sorgen dafür, dass es niemals ruhig wird um den Rekordmeister. Was für den deutschen Fußball eine prima Sache ist, denn so bleibt die Bundesliga lebendig. Der FC Bayern war, ist und bleibt der Verein, der die Menschen im Land bewegt. Und wenn es diesem Verein nicht so gut geht, dann ist die Bewegung um ein Vielfaches größer. Häme sind der Antrieb. Und angesichts dessen waren die Münchner in dieser Woche sehr schnell geflogen.

Erst mit dem Flugzeug nach Saarbrücken und dort am Mittwochabend beim ortsansässigen Drittligisten 1. FC aus dem DFB-Pokal. Nach einer schrecklichen ersten Halbzeit und einer vernünftigen zweiten kollabierten die Bayern spät in der Nachspielzeit. Da hatten sich die längst über das Limit hinaus agierenden Fußballer aus Saarbrücken ein letztes Mal in Richtung Keeper Manuel Neuer aufgemacht, sie spielten den perfekten Konter und warfen den übergroßen Favoriten aus dem Wettbewerb. Das sorgte für miese Stimmung an allen Münchner Fronten. Im Vorstand, beim ratlosen Trainer, im Kader und bei den Fans. Zu denen war nur eine Handvoll Profis nach dem Abpfiff gegangen, um sich zu bedanken. Thomas Müller, einer von ihnen, war so verärgert darüber, dass er seine flüchtenden Mitspieler im Sky-Interview in den Senkel stellte.

Und als wäre der Abend nicht so schon bitter genug, hatte der Fußballgott Stunden nach Abpfiff noch einen Tritt in den Hintern parat: Innenverteidiger Matthijs de Ligt fehlt nach seiner gegen Saarbrücken erlittenen Verletzung mehrere Wochen. Spätestens in diesem Moment war das Zoff-Thema des Sommers wieder mit einem Knall nach München zurückgekehrt: Dem klappernden Kader fehlt es an Fleisch. Tuchel, selbst eher mager unterwegs, hatte auf allen Kanälen SOS gefunkt und laut Verstärkungen gefordert. Er tat das in einer Art, die seinen Bossen gar nicht gefiel, es gab eine Aussprache. Und vor rund drei Wochen nochmals einen nachgereichten Rüffel von Klubpatron Uli Hoeneß. Der befand, Tuchel habe "unkluge Äußerungen getätigt", weil "ich nicht mein eigenes Team schlecht aussehen lasse, indem ich sage, wir sind zu dünn besetzt", so Hoeneß: "Wenn Sie jedes Wochenende sehen, was wir auf der Bank sitzen haben", das seien nur Nationalspieler, "dann haben wir keinen dünnen Kader".

"Wenn du sie jetzt nicht schlägst, schlägst du sie nie"

Nun, da steht nun Aussage gegen Aussage. Und ein Binnenfrieden. Alles sei gut, verkündete Tuchel hernach eilig. Aus seiner Vergangenheit weiß man, das Verhältnis zu seinen Bossen war nicht immer einfach. In Paris rappelte es, bei Chelsea London auch. Und bei Borussia Dortmund. Da kam es nach dem Anschlag auf den Teambus vor dem Champions-League-Duell mit der AS Monaco zum alles zerfetzenden Bruch. Bis heute hallt der Krach mit Klubchef Hans-Joachim Watzke nach. Bis heute hat Tuchel seine alte Heimstätte nicht mehr betreten. Das wird sich am Samstag ändern. Um 18.30 Uhr (bei Sky und im Liveticker bei ntv.de) kommt es im alten Westfalenstadion zum Duell der Giganten. Zum Duell des erwachsen werdenden BVB mit dem wieder einmal kriselnden FC Bayern.

Chef-Kritiker Hamann findet: "Wenn du sie jetzt nicht schlägst, schlägst du sie nie mehr. Die Vorzeichen waren wahrscheinlich selten besser, du musst aber immer noch durch die offene Tür gehen." Wie oft hat man solche Sätze schon gehört und wie oft hat der FC Bayern dann gnadenlos zurückgeschlagen und untermauert: mia san mia. Und wie oft bekamen die Dortmunder plötzlich Panik, wenn man ihnen die Tür öffnete. Auf tragischste Weise am 27. Mai dieses Jahres erlebt, als den zitternden Borussen die Schale noch aus der Hand fiel. Dankbar nahmen die Münchner die unbeschädigte Silberware auf und hoben sie in den Himmel. Tuchel hatte die Bayern-Saison über die Ziellinie geschleppt und gerade so noch gerettet. Als er für Julian Nagelsmann übernommen hatte, war das Triple möglich, am Ende gab's die geschenkte Schale.

Tuchel stand unter dem Schutz der Ereignisse einer turbulenten Bayern-Saison. Kaum etwas Kritisches fiel auf ihn zurück. Das ändert sich nun mit Wucht. Der "Spiegel" warf nach dem Pokalspiel sogar die Frage auf, ob es für den Trainer eng werden könnte. Bei Sport1 hieß es, dass es Dissonanzen zwischen Coach und Mannschaft gebe. Mit seinen vermeintlichen Lieblingsspielern Harry Kane, Leroy Sané und Jamal Musiala soll er sehr viel sprechen, mit anderen dagegen kaum bis gar nicht. Hat er womöglich jetzt schon die Kabine verloren? So wie angeblich auch sein Vorgänger Nagelsmann? Feuer frei gegen Tuchel. In bester Krisenmanager, obwohl er das Wort Krise mit Nachdruck ablehnt, bekannte er: "Alles gut im Innenleben. Es ist wichtig, dass wir zusammenbleiben und die Ruhe bewahren". Kritik, fügte er an, "muss man aushalten. Wir wissen, was wir tun".

Hamann bereitet die Trainer-Diskussion vor

Ein Schicksalsspiel für den Trainer wird das Duell in Dortmund nicht. Wohl aber ein Wegweiser, wohin es für den FC Bayern in den kommenden Wochen gehen wird. In noch turbulentere See oder erstmal wieder in ruhigeres Gewässer. Denn bis zu diesem Mittwoch stimmten ja zumindest die Ergebnisse und die Mannschaft wirkte peu à peu ein wenig stabiler. Aber Zwischentöne gab es fortwährend. Zur Rolle Joker Thomas Müller etwa, zur immer noch kaum bis nicht erkennbaren Spielidee, zum Verzicht des offenbar leicht angeschlagenen Superstars Harry Kane im Pokal. Sollten die Münchner das Spiel nun verlieren, womöglich deutlich, hat der Rekordmeister endgültig eine Trainer-Diskussion an den Hacken.

Den Teppich dafür hat, wer sonst, Didi Hamann sorgfältig ausgerollt. Eine langfristige Weiterentwicklung kann er sich beim besten Willen nicht vorstellen. "Mir fehlt die Fantasie, ich wüsste nicht wie." Er habe große Bedenken, "ob das in dieser Konstellation funktioniert." Als Tuchel am Freitag auf die knallharte Kritik der bayrischen Ex-Profis angesprochen wurde, unterbrach er die Frage, konterte eiskalt und süffisant: "Ich sehe bei den beiden auch keine Weiterentwicklung."

Noch genießt Tuchel den höchstinstanzlichen Schutz beim Rekordmeister. Uli Hoeneß verkündete in dieser Woche, allerdings noch vor dem Pokal-Knockout: "Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat vor allem der Trainer hier einen super Job gemacht, dass er mit einem kleinen Kader so weit oben steht. Ich muss sagen, das ist die Qualität eines Trainers, mit einem kleinen Kader so weit oben zu stehen." Mehr geht nicht. Oder doch? Doch! Tuchel bekommt im Winter endlich seine herbeigesehnten Verstärkungen. "Wenn da gute Argumente, und die wird er wohl haben, auf uns zukommen, dann sind wir da nicht grundsätzlich total dagegen", sagte Hoeneß. "Wenn wir bis dahin auch weiter in drei Wettbewerben sind, so wie es ausschaut, dann muss man analysieren, was notwendig ist. Und unser Trainer kriegt bei uns alles, was notwendig ist."

Upa, Leon, Leon, Upa?

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Bis dahin aber wird Tuchel weiter extrem herausgefordert. Er muss die Unwucht, die durch die Verletzungen noch unwuchtiger geworden ist, irgendwie ausbalancieren. Er muss die verfehlte Kaderplanung des Sommers, als sich alles auf Harry Kane konzentrierte und das Thema Absicherung sträflich vernachlässigt worden war, kreativ auffangen. Und das unter dem steigenden Druck.Der zweite Titel, zu Saisonbeginn gab es ja bereits eine Klatsche im Supercup gegen RB Leipzig (0:3) ist nun futsch und in der Bundesliga sind mit dem BVB, mit Bayer Leverkusen und RB Leipzig gleich drei richtig starke Konkurrenten erwachsen.

Jetzt aber erstmal die Dortmunder und das nächste komplizierte Personalpuzzle. Und die Ausgangslage für das Puzzle ist so: De Ligt fällt aus, Joshua Kimmich ist gesperrt, Dayot Upamecano, Leon Goretzka, Raphaël Guerreiro sowie Noussair Mazraoui sind angeschlagen. Man werde, so Tuchel, "ganz, ganz spät entscheiden". Am ehesten rechnet er mit Mazraoui, gar nicht mit Guerreiro und bedingt mit Upamecano und Goretzka. "Der natürliche Schritt" sei es nicht, beide einzusetzen, meinte der Trainer, aber: "Wenn Upa nicht kann, dann Leon, wenn Leon nicht kann dann Upa, so in etwa ist der Plan." Doch eine Sache machte der Coach auch in aller Deutlichkeit klar: "Unabhängig von der Wichtigkeit des Spiels haben wir trotzdem noch eine Verantwortung für die Spieler, für die Gesundheit, für die weitere Saison. Wir müssen schlau sein und das Risiko gut abwägen." Lothar Matthäus und Dietmar Hamann werden ganz genau hinschauen.

Quelle: ntv.de

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