Fußball

"Der Unabhängigkeit beraubt" Fifa-Chefaufseher Scala wirft aus Protest hin

Domenico Scala, Ex-Chefreformer der Fifa.

Domenico Scala, Ex-Chefreformer der Fifa.

(Foto: dpa)

Domenico Scala gilt als Architekt des Fifa-Reformprozesses. Nun tritt der Schweizer von seinem Amt als Chefaufseher zurück, weil er die Unabhängigkeit seiner Kommission durch ein neues Wahlprozedere gefährdet sieht. Die Fifa weist Scalas Kritik von sich.

Fifa-Präsident Gianni Infantino erklärte die Krise für endgültig beendet, die Pressestelle des Fußball-Weltverbands verkündete eine "neue Ära". Doch eine unscheinbare, wenn auch vielleicht einfach nur ungeschickte Entscheidung während des Fifa-Kongresses in Mexiko-Stadt stellt den gesamten Reformprozess schon wieder infrage.

Statt sich für die historische Ernennung einer afrikanischen Generalsekretärin feiern lassen zu können, hat sich die Fifa in die Bredouille manövriert und steht plötzlich ohne den so wichtigen "Chefaufseher" da. "Ich bin über diesen Entscheid konsterniert, da damit eine zentrale Säule der Good Governance der Fifa untergraben und eine wesentliche Errungenschaft der Reformen zunichte gemacht wird", sagte Domenico Scala, nun Ex-Vorsitzender der bedeutenden, weil unabhängigen Audit- und Compliance-Kommission am Samstag: "Aus diesem Grund erkläre ich hiermit meinen umgehenden Rücktritt."

In einer ein paar Minuten dauernden Abstimmung gaben die Fifa-Verbände dem neuen Fifa-Council die Erlaubnis, bis zum Kongress 2017 selbst die Ernennung und Abberufung der fehlenden Mitglieder der teils komplett, teils zur Hälfte unabhängigen Kommissionen durchzuführen. Ohne Wahl durch den Kongress. "Dadurch wird es dem Council künftig möglich sein, Untersuchungen gegen einzelne Mitglieder jederzeit zu verhindern, indem die zuständigen Kommissionsmitglieder abgesetzt oder mit der Drohung der Absetzung gefügsam gehalten werden", sagte Scala, der seit Mai 2013 Vorsitzender der Fifa-Überwacher war: "Die Gremien werden damit faktisch ihrer Unabhängigkeit beraubt und drohen zu Erfüllungsgehilfen derjenigen zu werden, die sie eigentlich überwachen sollten."

Fifa argumentiert mit Fexibilität

Fifa-Präsident Gianni Infantino (46) hatte erklärt, dass es nur um die Flexibilität gehe, die offenen Posten in den Kommission schnellstmöglich zu besetzen, und nicht bis zum nächsten Kongress 2017 warten zu müssen. Gleich mehrere Bewerber aus der "Fußballfamilie" sollen den vorgeschriebenen Integritätscheck nicht bestanden haben. Deshalb konnte das Council dem Kongress nicht genügend Kandidaten für eine Wahl präsentieren. Gewählt wurden nur die unabhängigen Mitglieder, die vom Council vorgeschlagen wurden - und zwar im Schnellverfahren en bloc, ohne Nachfragen.

Der Einfachheit halber will nun das Council das Auffüllen der Kommissionen bei der nächsten Sitzung im Oktober eigenverantwortlich nachholen, ehe der Kongress die Entscheidungen im Frühjahr 2017 bestätigen kann. Ein Kandidat für die Governance-Kommission, die zur Hälfte aus unabhängigen Mitglieder besteht, ist dann DFB-Präsident Reinhard Grindel (54), der seinen rasanten Aufstieg in der Fußballpolitik damit fortsetzen würde. Der CDU-Politiker hat seinen Check wohl schon bestanden.

Das Kuriose: Weil die Fifa-Führung mit ihren Integritätschecks alles richtig gemacht, und nicht vorschnell zwielichtige Gestalten zugelassen hat, steckt sie nun in einem Dilemma. Eine Berufung ohne Kongress-Wahl ist kein Zeichen für Unabhängigkeit - auch, wenn die Verbände die vom Council vorgeschlagenen Kandidaten kaum ablehnen würden. Beispiel Scala: Der Schweizer war in seiner Funktion der Aufseher, der die kompletten Prozesse in der Fifa, also auch im Council überwacht.

Infantino gelassen

Jetzt ist das Council gezwungen, im Herbst einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen. Die Überwachten bestimmen ihren Überwacher selbst "Mein Rücktritt soll auch ein Weckruf sein und den Beteiligten, die sich bis heute aufrichtig für die Umsetzung der Reformen eingesetzt haben, den Rücken stärken", sagte Scala.

Infantino blieb am Freitagabend noch gelassen. "Abwarten, sehen - und dann urteilen", antwortete er auf entsprechende Fragen: "Wir werden die richtigen Personen mit hoher Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit berufen." Im neuen Council sitzen allerdings auch noch viele Mitglieder des alten, krisengeschüttelten Exekutivkomitees. "Wir können uns die Fehler der Vergangenheit nicht erlauben", sagte Infantino.

Die Fifa teilte am Samstagnachmittag per Presseerklärung mit, dass Scala die Absicht der Entscheidung fehlinterpretiert habe. Es sei nur darum gegangen, Mitglieder auf Interims-Basis auf mögliche vakante Posten zu berufen. "Das Council respektiert die Unabhängigkeit Audit- und Compliance- sowie des Ethik-Komitees", betonte die Fifa. Als Scala-Ersatz fungiert vorübergehend der bisherige Stellvertreter Sindi Mabaso Koyana.

Quelle: ntv.de, Jan Mies, sid

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