Der Bundesliga-Check: FSV Mainz Fußballer, die auf Ziegen starren
20.08.2016, 13:22 Uhr
Worauf kommt es an? Auf die Resilienz. Aha.
(Foto: imago/Martin Hoffmann)
Ist Martin Schmidt ein Jedi-Meister? Weiß Zlatan Ibrahimovic, wo Mainz liegt? Und schlägt der Liverpool-Fluch wieder zu? Die Rheinhessen gehen in eine überaus spannende Saison.
Wer an Omen glaubt, dem musste als Mainzer Fan schaudern beim Höhepunkt der Saisonvorbereitung, dem 4:0 über den großen Liverpool FC und Trainer Jürgen Klopp. So ein Ergebnis gab es schon einmal, als Klopp am Bruchweg noch vor der Bank der Heimmannschaft tobte: Vor der Saison 2006/2007 schenkten freche Mainzer den Liverpooler Abwehrrecken Sami Hyypiä und Jamie Carragher sogar fünf Stück ein. Am Ende stiegen sie ab.
Was gibt’s Neues?
"Erste Runde Chisinau, zweite Runde Bern …", so fängt die Mainzer Version des Stadionklassikers „Europapokal“ an. Dank Platz sechs in der Vorsaison sind die Rheinhessen schon jetzt so weit gekommen wie noch nie in ihrer Vereinsgeschichte, bis jetzt waren sie stets in der Qualifikation zur Gruppenphase gescheitert, nun sind sie bereits gesetzt. Den Nachfolger von Manager Christian Heidel, Rouven Schröder, verleitet das Antrittsgeschenk zu einem, hüstel, feuchten Traum: "Manchester United, Flutlicht, vielleicht ein bisschen Regen – da würde es schon richtig zur Sache gehen."
Übrigens: Wenn Zlatan Ibrahimovic den Routenplaner anschmeißt und die traditionsreiche Coface-Arena als Ziel eingibt, wird er sich wahrscheinlich wundern; die Namensrechte hat sich mittlerweile Opel gesichert. Viel wichtiger als der neue Stadionname ist für Manager Rouven Schröder allerdings die neue Situation: Die Gruppenphase in der Europa League, das bedeutet sechs Spiele mehr in der Hinrunde - die sagenumwobene Dreifachbelastung gibt ihre Visitenkarte erstmals in Mainz ab.
Auf wen kommt es an?
Auf die Resilienz – was für ein Wort. Schweizer Trainer importieren traditionell fantastische Wörter ins Fußballdeutsch, bei Lucien Favre war es die Polyvalenz, Martin Schmidt versucht es also mit Resilienz, der psychischen Widerstandskraft. Das klingt schräg, ein bisschen nach Jedi-Rittern, ein bisschen nach Mainzern, die auf Ziegen starren. Die profane Internetsuche entzaubert diesen Top-Begriff leider recht schnell und fördert den ganzen Horror der Ratgeberliteratur zutage: Über das "Geheimnis innerer Stärke" doziert Dr.med Mirriam Prieß, Martin Seligmann beschreibt "Wie Menschen aufblühen. Die positive Psychologie des gelingenden Leben." Und, raten Sie mal: Genau. Sie sollen positiv denken, das Unvermeidbare akzeptieren, sich an Erfolge erinnern. All diese Dinge, auf die Sie nie selbst gekommen wären, zum großen Glück der Ratgeber-Industrie. FSV-Trainer Martin Schmitt jedenfalls will seine Spieler widerstandsfähiger im Kopf machen. Dafür hat er das Training möglichst intensiv gestaltet und seine erschöpften Spieler in Testspiele und Medientermine gejagt, um die englischen Wochen zu simulieren, die bald auf das Team zukommen.
Was fehlt?
Um es mit Berti Vogts zu sagen: Die Breite an der Spitze ist dichter geworden. Mit Loris Karius hat Schmidt seine Nummer eins an Jürgen Klopp verloren, Hochleistungs-Staubsauger Julian Baumgartner ging nach Leverkusen. Ihre Qualität haben die Mainzer nicht eins zu eins ersetzen können. Torwart Jonas Lössl hat Schwächen beim Mitspielen, Jean-Philippe Gbamins Talent braucht Verfeinerung und José Rodriguez wurde zwar bon Real Madrid ausgebildet, hat sich im Profibereich aber noch nirgendwo etablieren können.
Investiert hat der FSV die Rekordsumme von 21 Millionen Euro eher in die physische Widerstandskraft des Kaders. Für die zwei Plätze auf der Doppelsechs gibt es sechs Bewerber, genauso eng wird der Kampf um die beiden offensiven Außenbahnen. Schmidt und Schröder wollen der Dreifachbelastung mit einer Dreifachbesetzung begegnen. Und für den Fall, dass für Yunus Malli noch ein unmoralisches Angebot aus der Premier League aus dem Fax rattert, laufen laut Schröder schon "Parallelplanungen".
Wie lautet das Saisonziel?
Er hat es wieder getan. „Wir wollen mitten in der Stadt und in den Herzen unserer Fans landen“, sagte Schmidt dem „Kicker“ zu seinem Saisonziel. Exakt diese Worte hatte er auch vor einem Jahr gewählt. Wer an Omen glaubt, kann als Mainzer Fan nun erleichtert aufatmen.
Die n-tv.de-Prognose
Christian Heidel, Spitzname "Don", hat seinem Nachfolger "Kanzler" Schröder ein bestelltes Spielfeld hinterlassen. Seine erste Transferperiode erledigte der Neue ordentlich, einen großen Namen hatte niemand erwartet. Stattdessen verfügt Trainer Schmidt über ein gut ausgebautes Gerüst für ein laufintensives Spiel. Weil aber die Erfahrung mit der Dreifachbelastung fehlt, dürfte es - wie in der Vorsaison in Augsburg – ein harter Kampf in der Liga werden, der im gesicherten Mittelfeld sein Ende finden wird.
Quelle: ntv.de