Fußball

Bald Bundesliga in Kiel? Fußballmärchen in der Handball-Hochburg

Immer noch auf Platz drei: Die Störche fliegen hoch in dieser Saison.

Immer noch auf Platz drei: Die Störche fliegen hoch in dieser Saison.

(Foto: imago/Zink)

Die Frage ist gut für jedes Quiz: "Welches Bundesland hatte noch nie einen Fußball-Erstligisten?" Antwort: "Schleswig-Holstein". Doch das könnte sich bald ändern. Holstein Kiel sorgt in der zweiten Liga für Furore - als Aufsteiger. Ein Ortsbesuch.

Auf Abende wie diese haben sie in Kiel lange hingearbeitet. Flutlichtspiel, attraktiver Gegner, 11.844 Zuschauer im ausverkauften Stadion. Und pünktlich zum Anpfiff des Spitzenspiels in der zweiten Fußball-Bundesliga zwischen Holstein und dem 1. FC Nürnberg lieferte die untergehende Sonne hinter der Gegentribüne auch noch ein malerisches Abendrot. Diese Aussicht war ebenso verlockend wie die sportliche: Kiel, der Aufsteiger, konnte mit einem Sieg die Gäste überholen und auf Platz zwei klettern - einem direkten Aufstiegsplatz.

Hat hier jemand Provinz gesagt? Das Holstein-Stadion in Kiel.

Hat hier jemand Provinz gesagt? Das Holstein-Stadion in Kiel.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Doch knapp zwei Stunden später war an diesem Montag deutlich geworden: Kiel hatte in diesem Duell gegen ganz starke Nürnberger zu viel Respekt - und mit Kenneth Kronholm einen unsicheren Torwart. Der Schlussmann trug Mitschuld an den Toren zum 1:2 und 1:3. "Wir haben nicht unseren besten Tag gehabt, nicht unseren besten Fußball gespielt", bilanzierte Trainer Markus Anfang. Er ist seit Sommer 2016 im Amt und einer der Väter des Erfolgs in Kiel. Hier hatten sie 36 Jahre auf Zweitliga-Fußball warten müssen. Dann kam im vergangenen Frühjahr der viel umjubelte Aufstieg und mit ihm die Frage, ob in der Handballhochburg Kiel überhaupt Platz für Profifußball sei?

Die Antwort gibt einer, der beide Sportarten verbindet: Wolfgang Schwenke. Er war Handball-Nationalspieler, hat mit dem THW Kiel unter anderem fünf Deutsche Meisterschaften gewonnen und ist seit 2009 Holstein-Geschäftsführer. "Alle wollen hier zum Fußball. Es ist natürlich etwas Neues. Zweite Liga, das kennt Kiel so ja nicht", sagte der 49-Jährige zu Saisonbeginn. Da sprach er noch stolz über die Aufstiegsfeier im Mai 2017. Die habe sogar "handballähnliche Züge gehabt", so Schwenke, der Holstein Kiel schon seit einigen Jahren als "schlafenden Riesen" bezeichnet hatte.

Trainer Anfang geht nach Köln

Nun könnte es sein, dass sie in einem Monat womöglich eine noch größere Sause in Schleswig-Holsteins-Landeshauptstadt feiern können. Der Höhenflug der Störche hat sich in der Zweiten Liga fortgesetzt. Trotz der Niederlage gegen Nürnberg sind die Kieler drei Spieltage vor Saisonende immer noch Dritte. Der Vorsprung auf den Vierten, Mitaufsteiger Jahn Regensburg, beträgt zwei Zähler und eine um 13 Treffer bessere Tordifferenz.

Von Aufstieg spricht er nicht: Markus Anfang.

Von Aufstieg spricht er nicht: Markus Anfang.

(Foto: imago/Zink)

"Wir gucken, dass wir noch drei gute Spiele machen", sagt Anfang, der den Begriff "Aufstieg" jedoch konsequent meidet. Der gebürtige Kölner hat vor einer Woche einen Vertrag beim 1. FC Köln unterschrieben. Es könnte durchaus sein, dass Anfang kommende Saison mit seinem neuen Klub in der Zweiten Liga spielt, während Holstein Kiel im Oberhaus gegen Bayern München oder Borussia Dortmund antritt.

Holsteins Hoch mag viele außerhalb Schleswig-Holsteins überraschen. Und es mag vielleicht sogar ein wenig Glück dahinterstecken - vor allem aber sind es Strategie und Geld. Mit Gerhard Lütje und Hermann Langness gibt es zwei Millionäre, die dem Verein sehr wohlgesonnen sind. Lütje ist Hauptsponsor und Gesellschafter der Unternehmensgruppe Citti, Langness Geschäftsführer der Bartels-Langness-Gruppe, zu der die Supermarktkette Famila gehört. Im Gegensatz zu anderen Gönnern halten sich Lütje und Langness jedoch im Hintergrund. Das Sportliche überlassen sie Anfang und Schwenke.

In Kiel entstand viel

Mit Letzterem bekam der Verein vor neun Jahren nach vielen Fehlgriffen jemanden, der für professionelle Strukturen sorgte. Auf einem Areal von rund 4,5 Hektar entstand in Kiel ganz viel. Im Vorort Projensdorf wurde für 7,5 Millionen Euro ein vom Deutschen Fußball-Bund ausgezeichnetes Nachwuchsleistungszentrum gebaut. Die Eckdaten: sechs Rasen- sowie zwei Kunstrasenplätze, Kraftraum, zweistöckige Geschäftsstelle, Seminarräume.

Das Holstein-Stadion hingegen versprüht mitunter noch den Charme der Siebziger und Achtziger. Zwar gibt es nach diversen Umbauten drei überdachte Tribünen. Allerdings ist der Begriff "Gästekurve" noch wörtlich zu nehmen. Hier stehen - wie am Montag 2300 Nürnberger - die Anhänger der Auswärtsmannschaft in einem weiten, unüberdachten Bogen hinter dem Tor. Doch diese Kurve soll bald abgerissen und durch eine 5000 Zuschauer fassende Tribüne ersetzt werden. Dann ist das Stadion eine reine Fußball-Arena.

Aber Lütje hat bereits größere Pläne - eine Arena für 25.000 Zuschauer. Kosten: mindestens 50 Millionen Euro. Wenn alles klappt, soll der Ball hier 2023 rollen. Eine Voraussetzung, so sagte Lütje vor der Saison, sei jedoch, dass Holstein "sportlich in der Zweiten Liga Fuß" fasse. Ein Dreiviertel Jahr später lässt sich festhalten: die Kieler sind nicht nur angekommen, sondern womöglich bereits wieder auf ihrem Weg raus aus der Liga. Und zwar nach oben.

Quelle: ntv.de

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