Fußball

Der Bundesliga-Check: RB Leipzig Fußballspektakel gegen die Abneigung

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Ralf Rangnick führte RB Leipzig in die Bundesliga.

(Foto: imago/Picture Point LE)

Sorgt Bundesliga-Debütant RB Leipzig für den Untergang des Fußballs? Nun ja, höchstens am Traditionalisten-Stammtisch. Der Klub ist streitbar, bereichert das Oberhaus aber auch in vielerlei Hinsicht. Nur nicht musikalisch.

Wenn am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison der "Klassiker" TSG Hoffenheim gegen RB Leipzig übertragen wird, wird sich mutmaßlich ein Teil der Fußball-Traditionalisten kopfschüttelnd abwenden. Die andere Hälfte wird vehement vortragen, weshalb diese Paarung im Allgemeinen und RB Leipzig im Speziellen den Untergang des Fußballs bedeuten. Die Worte Retortenklub, Kommerz-auf-die-Spitze-getrieben und Wettbewerbsverzerrung werden dabei voraussichtlich häufiger fallen und noch zu den netteren Vokabeln zählen.

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Ralph Hasenhüttl hat nun den Trainerposten übernommen.

(Foto: dpa)

Dass die Rasenballsportler beim Dorfklub in Sinsheim ihren Einstand in der Bundesliga geben, entbehrt in der Tat nicht einer gewissen Ironie. Schließlich hat Rangnick beide Vereine - jeweils unterstützt von den Millionen mächtiger Mäzene - ins Oberhaus geführt. Nirgendwo steht geschrieben, dass nur Vereine in der Bundesliga spielen dürfen, die schon Turnvater Jahn kannte und die für Mitgliederversammlungen den größten Saal der Stadt mieten müssen. Leipzigs Sprint von der fünften in die Bundesliga muss man nicht gut finden und bietet jede Menge Diskussionsstoff. Doch die DFL hat nun einmal nach Hoffenheim auch RB Leipzig in die deutsche Eliteliga durchgewinkt, sodass es auch für viele RB-Verweigerer an der Zeit ist, sich jenseits der Phrasen und Klischees einmal genauer mit dem 55. Mitglied der Bundesliga zu beschäftigen.

Was gibt's Neues?

Sportlich wird der Neuling die Liga bereichern. Auf Stürmer Yussuf Poulsen, Emil Forsberg und den neu gekommenen Naby Keita, die wie der Großteil der RB-Kaders noch nie in der Bundesliga gespielt haben, dürfen sich die Fans freuen. Und auch bekannte Akteure wie Timo Werner und Davie Selke können sich in der jüngsten Mannschaft des Klassements (Altersschnitt: 23,7 Jahre) im variablen System des neuen Trainers Ralph Hasenhüttl neu entfalten.

"Wir werden in der Bundesliga versuchen, mutig zu spielen und die Wochenenden zum Erlebnis werden zu lassen. Wir wollen mit der Mannschaft auf eine Art und Weise spielen, die begeistert", hatte Ralf Rangnick schon am Tag nach dem Aufstieg gesagt. Möglichst attraktives Spiel ist dabei für RB auch Mittel zum Zweck, um das bundesweit ausbaufähige Image zu verbessern. "Uns bleibt, konsequent unseren Weg zu gehen und möglichst attraktiven Fußball zu spielen, bei dem auch Fans anderer Klubs sagen: Hey, nicht so schlecht, was die spielen." So wie einst in Hoffenheim. Weniger Genuss verspricht die neue, von Prinzen-Sänger und Vorzeige-Leipziger Sebastian Krumbiegel komponierte und gesungene Vereinshymne. Erste Strophe: "Meine Stadt ist meine Lieblingsstadt." Das genügt eigentlich schon.

Auf wen kommt es an?

Auf Ralph und Ralf. Die Verbindung Hasenhüttl zu Rangnick scheint bisher ideal zu passen. Beide haben sich bereits mehrfach öffentlich ihre Zuneigung versichert. Vielleicht auch, weil der aus Ingolstadt gewechselte Fußballlehrer seinen Job im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Pädagoge begreift. Stürmer Yussuf Poulsen sagt über den neuen Cheftrainer: "Er ist wirklich ein wenig wie ein Lehrer, im positiven Sinne. Er mag es zu erklären und kann seine Wünsche hervorragend ausdrücken. Das macht es uns leichter, und das werden wir auch auf dem Platz sehen. Die Automatismen werden sehr gut ineinander greifen." Dem studierten Sport- und Englischlehrer Rangnick gefällt diese Arbeitsweise. Dazu bringt Hasenhüttl etwas Urig-Hemdsärmeliges in die bisweilen zu verkopfte Leistungsgesellschaft bei RB. Entscheidend wird jedoch sein, wie gut Ralph und Ralf auch in Phasen des Misserfolgs harmonieren.

Was fehlt?

Neben jahrzehntelanger Tradition, einer vernünftigen Vereinshymne und Mitgliedermitbestimmung fehlen bei RB Leipzig übrigens auch verklärte Vereinslegenden mit Ratschlägen von anno dunnemals, Grabenkämpfe in den Vereinsgremien sowie gewaltbereite und diskriminierende Fangruppierungen. Fehlende Tradition kann bisweilen herrlich erfrischend sein. Sonst ist bei RB Leipzig vieles so, wie man sich das bei einem Bundesligisten vorstellt: Das knapp 43.000 Zuschauer fassende Stadion wird oft voll sein (bei 20.000 Dauerkarten stoppte der Verein den Verkauf) und die Stimmung wird von Jahr zu Jahr besser. Inzwischen gibt es etwa 80 organisierte Fanclubs mit etwa 7000 Mitgliedern. Ach ja: Im Gegensatz zu Schwesterklub Red Bull Salzburg fehlen in Leipzig glücklicherweise Klatschpappen für die Fans. Konzeptionell verfolgt der Verein ebenso einen klaren Plan wie die Mannschaft auf dem Platz. Was den Kader angeht, stünde RBL noch ein bundesligatauglicher Verteidiger gut zu Gesicht. Aber nach dem fahndet Rangnick bereits. Und was die Vereinsstrukturen angeht: Falls jemand Erfahrung als Geschäftsführer in der Bundesliga vorweisen kann, sollte er sich bei RB melden. Der Klub sucht verzweifelt, findet aber einfach kein Personal für den Posten, sodass Boss Oliver Mintzlaff als Vereinspräsident, Red-Bull-Fußballchef und RBL-Geschäftsführer gleich drei Jobs auf sich vereinigt.

Wie lautet das Saisonziel?

Die offizielle Sprachregelung bei RBL lautet: die Spielphilosophie konsequent umsetzen, Spieler und System weiterentwickeln, nie mit den Abstiegsplätzen in Berührung kommen und einen Mittelfeldplatz einfahren. Zwar werden viele nur mitleidig abwinken und den "Roten Bullen" mindestens Ansprüche auf die Champions-League-Qualifikation unterstellen. Doch das vom Verein formulierte Ziel ist keineswegs Tiefstapelei, sondern aufgrund des nur punktuell verstärkten Kaders mit wenig Erfahrung ein durchaus ambitioniertes Vorhaben. Zwar haben drei Wochen vor Ligastart nur fünf Klubs mehr für Transfers ausgegeben als RBL, das bislang 27,5 Millionen für vier Spieler investiert hat. Doch mit einem geschätzten Marktwert von 62 Millionen Euro und einem Gehaltsetat von etwa 40 Millionen Euro – kein Spieler soll inklusive Bonuszahlungen mehr als drei Millionen pro Jahr verdienen – bewegt sich Rasenballsport nur in der unteren Tabellenhälfte.

Wie lautet die n-tv.de-Prognose?

Von Platz 15 bis Rang acht ist für RB Leipzig alles drin. Teams wie Bayern, Dortmund, Leverkusen, Gladbach, Schalke, Wolfsburg und auch Mainz sind über eine ganze Saison hinweg wohl noch nicht zu schlagen für den Neuling. Die Kostüme für die Rollen "Europapokal-Aspirant" und "Neuer Bayern-Jäger" sind RB in dieser Spielzeit also (noch) deutlich zu groß. Mit dem Abstieg wird die Hasenhüttl-Elf aber auch nichts zu tun haben. Dafür sind Klasse des Kaders, Spielidee und Klubkonzept zu gut. Vorausgesetzt freilich, RBL strauchelt nicht. Wenn das junge Team die Erwartungen nicht erfüllen, könnte Investor und Sponsor Dietrich Mateschitz über Weihnachten genügend Kleingeld locker machen, damit die Sachsen personell nachbessern können. Dann werden die Traditionalisten wieder schimpfen: Wettbewerbsverzerrung! Retortenklub! Kommerz-auf-die-Spitze-getrieben!

Quelle: ntv.de

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