Fußball

HSV zittert sich in die Relegation Ganz viel Demut und ein wenig Größenwahn

Nach dem 1:0 von Ivica Olic schöpfen die Spieler vom HSV Hoffnung.

Nach dem 1:0 von Ivica Olic schöpfen die Spieler vom HSV Hoffnung.

(Foto: imago/MIS)

Die Legende vom letzten Urgestein der Fußball-Bundesliga darf weitererzählt werden - vorerst. Der HSV erhält sich die Chance auf den Klassenerhalt. Die Funktionäre bemühen sich um Demut, derweil HW4 keine Gefühle zulässt.

Sie tickt und tickt und tickt. Die legendäre und älteste Uhr der Fußball-Bundesliga hat ein paar Tage Aufschub bekommen - mindestens neun. Der Hamburger SV erreicht die Relegation. Im Kampf um den Klassenerhalt hat der Klub jetzt selbst wieder die Verantwortung über sein Schicksal. Und diese Verantwortung hat der HSV sich gegen einmal mehr fürchterlich schlechte Schalker mit einem 2:0-Erfolg durch Tore von Ivica Olic (49.) und Slobodan Rajkovic (58.) erarbeitet, erkämpft und am Ende erzittert. Denn als Schiedsrichter Tobias Welz um 17.17 Uhr die Partie in der Imtech-Arena abpfiff, konnte niemand so richtig einschätzen, was die drei Punkte Wert sein würden. Ein Tor des SC Freiburg in Hannover und die Legende des letzten Liga-Urgesteins wäre beendet gewesen. Das Tor aber wollte nicht fallen und die Legende lebt weiter.

Und nun? Euphorie? Eskalation? Partystimmung? Nein, nichts dergleichen. Der HSV übt sich in Demut. Ja, ganz richtig gelesen. Der HSV spricht ganz leise Töne. Neue Dankbarkeit statt lange gehegtem Großmut. Die Erben von Uwe Seeler, Horst Hrubesch und Co. haben offenbar erkannt, zwei Jahre in Folge Relegation, das ist ein bisschen dünn für einen Klub, den der ehemalige Bayern-Boss Uli Hoeneß - und diese Einschätzung ist gerade mal knapp drei Jahre alt - langfristig als einzig echten Konkurrenten für den Rekordmeister aus dem Süden sah.

Und wie bescheiden sie im Norden geworden sind, lässt sich ganz prima an den Worten von Dietmar Beiersdorfer, Vorstandsvorsitzender des Klubs, ablesen: "Wir haben das Maximum aus der Situation herausgeholt. Die Mannschaft hat das klasse gemacht." Klasse war vor allem die Einstellung mit der die Elf von Trainer Bruno Labbadia in den finalen Fight ging. Selbst wenn fußballerisch vieles wenig erbaulich war (was die Fans ihren angespannten Lieblingen von den Rängen übrigens großzügig verziehen), die Bereitschaft Zweikämpfe anzunehmen und sie auch zu gewinnen, war alles andere als versetzungsgefährdend.

Fokus und Tunnel bis zum letzten Kraftakt

Ein Beispiel: Heiko Westermann. Nicht nur in dieser Saison oft gescholten, holte der Außenverteidiger im letzten Spiel der offiziellen Bundesliga-Saison alles aus seinem Körper heraus. Restlos ausgepumpt schlich "HW4" schließlich in der 82. Minute vom Feld - jene Leidenschaft verkörpernd, die es in dieser Endspielsituation brauchte. "Ich weiß gar nicht genau, was Heiko heute nicht wehgetan hat", erklärte sein Trainer später voller Stolz. Und Westermann selbst, ganz Profi, richtete den Blick nach einer erquickenden Dusche bereits auf die Relegationsduelle. Freude, Erleichterung? Nix dergleichen, nur Fokus und Tunnel. "Ich denke nur an Donnerstag."

Dann hat der Hamburger SV zunächst Heimrecht gegen den Dritten der 2. Bundesliga. Wer das sein wird? Völlig offen. Die Kandidaten: SV Darmstadt 98, Karlsruher SC und 1. FC Kaiserslautern. Zu allen Klubs hat HSV-Trainer Bruno Labbadia eine Beziehung. Für alle drei Vereine hat er selbst gespielt. Hat er einen besonderen Wunsch? "Nein, wir nehmen's, wie's kommt", erklärte er und wurde dann fast philosophisch. Er habe sein Herz nur beim HSV, erklärte er. Es sei unglaublich, wie viel Hoffnung er den Menschen habe geben können. Es sei toll, was man bewirke könne, wenn man geschlossen auftrete. Und schließlich: "Ich würde es immer wieder tun." Jetzt aber, Philosophie beiseite und Phrasen auf den Tisch, gelte es, noch einmal einen Kraftakt hinzulegen, um spätestens beim Rückspiel am Montag das ganz große Ziel, den Klassenerhalt zu erreichen.

Und für diesen Kraftakt in zwei Teilen schwört der neue oberste Vorkämpfer des Klubs, HW4, die Mannschaft kurz nach dem Schlusspfiff gegen Schalke ordentlich ein. "Es brauche jetzt keiner denken, dass er müde sei", erklärte er und feuerte selbstbewusst nach: "Ich glaube, das keiner gerne gegen uns spielt zurzeit." Wie war das nochmal mit der Demut? Nun, sind wir gnädig, sie haben ja gerade erst angefangen.

Quelle: ntv.de

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