Fußball

"Ausputzer" hasst Fußball-Völlerei Grätschen Sie die unendlichen Affen ab!

Satt. Sie auch?

Satt. Sie auch?

(Foto: picture alliance / dpa)

Dieses fulminante Hackentor aus der usbekischen 2. Liga, schon gesehen? Nein? Fußball ist wohl nicht so Ihrs?! Oder es geht Ihnen wie dem "Ausputzer": Sie leiden an akutem Völlegefühl. Dagegen hilft nur: Blutgrätsche gegen die unendlichen Affen.

Kennen Sie das Infinite-Monkey-Theorem? Das ist ein Denkmodell aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung und geht ungefähr so: Wenn ein Affe unendlich lange auf einer Tastatur herumtippt, kommt irgendwann einmal "Hamlet" dabei heraus. Wenn unendlich viele Affen auf ihren Schreibmaschinen tippen, bringen sie sogar recht schnell Shakespeares gesammelte Werke zustande. Was das mit Fußball zu tun hat?

Das letzte Mal, als die Fifa zählte, spielten 265 Millionen Menschen weltweit aktiv Fußball. Das war im Jahr 2007, mittlerweile dürften es mehr sein, und all die Käfigzauberer und Parkwiesenbolzer sind nicht einmal in die Statistik eingespeist. Übertragen wir das Infinite-Monkey-Theorem auf diese riesige Menge an Spielern und Spielerinnen, ergibt sich: Die Wahrscheinlichkeit, dass auf irgendeinem Hinterhof dieser Welt gerade irgendein atemberaubendes Tor fällt, ist gar nicht mal so gering. Das ist schön und gut so – solange wir es nicht mitbekommen. Aber etwas nicht mitbekommen, diesen Luxus haben viele Menschen in Zeiten des Internets eingebüßt. Nun gibt es die tollsten Tore aus allen Winkeln des Erdballs überall zu sehen. Eine gewaltige Inflation mit der zwangsläufigen negativen Folge: Der Fußball verliert an Wert.

1000 Tore, die Sie gesehen haben müssen ...

Das Fußball-Magazin "11 Freunde" hat in einem Essay mit dem Titel "Warum der Fußball sich überflüssig macht" einen allgemeinen Fußball-Überdruss diagnostiziert - und eine Erklärung für das Phänomen mitgeliefert: "Weil heute eben jedes Spiel als Kracher, Top-Spiel oder zumindest wegweisendes Duell inszeniert wird." Das trifft einen wichtigen Punkt: Wenn sich im Montagsspiel der 2. Liga der Sechste gegen den Elften zu einem 0:0 würgt, bezeichnet der Kommentator den Kick mit ziemlicher Sicherheit trotzdem als "unfassbar intensiv" und "bis zur letzten Sekunde spannend".

Was die "11 Freunde" ironischerweise bei ihrer sehr richtigen Analyse vergessen, ist ihr eigener Anteil an der Misere. Über Facebook und Twitter haut das Magazin quasi im Zwei-Stunden-Takt Videos raus, jedes das neue große Ding, das man unbedingt gesehen haben muss. Eine kurze Auswahl: Ein gewisser David Ball von Fleetwood Town (und, wissen Sie, in welcher Liga die spielen?) gibt den "Mini-Bergkamp" und lupft den Ball aus 20 Metern in den Winkel. Einem Jungen aus Cloppenburgs (!) U19 (!!) gelingt ein veritabler Sonntagsschuss. In irgendeiner griechischen Amateurliga fällt ein Schiedsrichter eine kolossale Fehlentscheidung.

Um nicht unfair zu werden: Auch auf dieser Seite können Sie kuriose Fußball-Videos mit verheißungsvollen Titeln finden. Und das gesammelte Youtube-Filmmaterial von schönen Toren, heftigen Fouls und lustigen Stolperern könnten sich wahrscheinlich nicht einmal unendlich viele Affen komplett anschauen. Vielleicht sollte man es einfach ignorieren. Sonst könnte das Gefühl dafür verloren gehen, was ein Moment wirklicher fußballerischer Größe ist - wenn eben nicht der "Mini-Bergkamp" in der dritten englischen Liga trifft, sondern der echte Bergkamp. Kurz vor Schluss, zum 3:2. In einem WM-Viertelfinale.

Alles so spannend hier

Es wäre übrigens ohnehin falsch, die Schuld nur auf die bösen Medien und das noch bösere Internet zu schieben. Zur Entwertung des Fußballs tragen Fifa, Uefa, DFL und die Vereine schon selbst genug bei. Den überflüssigen Supercup braucht bei Lichte besehen selbst in Dortmund kein Mensch, die sportliche Aussagekraft liegt nahe null. Nur zur Erinnerung: In dieser Saison gewann die Borussia mit 2:0 gegen die Bayern. Der Uefa-Pokal wurde durch die Aufblähung der Champions League fast völlig entwertet, dann in Europa League umbenannt und seinerseits aufgebläht. Die langatmige Gruppenphase interessiert wirklich nur Hardcore-Fans mit Faible für exotische Vereine.

Und die EM-Qualifikation? Auch wenn in Deutschland vor dem Georgien-Spiel leichte Unruhe herrschte – das Risiko eines Scheiterns hat die Uefa vorsorglich minimiert, sie lässt bei der Endrunde 24 statt wie früher 16 Teams antreten. Von den 53 Mannschaften in der Qualifikation kommt also fast jede zweite durch. Was für eine Spannung. Oder, um es mit David Foster Wallace zu sagen: Unendlicher Spaß.

Quelle: ntv.de

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