"So killst du dich selbst" Guardiola kriegt 'ne Krise
16.03.2017, 12:00 Uhr
So sieht Krise aus: Josep Guardiola.
(Foto: imago/BPI)
Mit dem FC Bayern hat er es immerhin dreimal in Serie ins Halbfinale geschafft, mit Manchester City erlebt Josep Guardiola gegen Monaco (s)ein historisches Champions-League-Debakel - auch weil seine Abwehr den Körperkontakt meidet.
Nie zuvor war ein Trainer nach 100 Europapokalspielen so erfolgreich wie Josep Guardiola. Nie zuvor hatte ein Coach in der Geschichte europäischer Fußball-Wettbewerbe eine solche Bilanz vorgelegt: 61 Siege, 23 Unentschieden und nur 16 Niederlagen. Doch ausgerechnet jene 16. Niederlage, kassiert am Mittwochabend im Rückspiel der Champions League beim AS Monaco (1:3), macht den Katalanen so schlecht wie nie. Zum ersten Mal scheiterte Guardiola im Achtelfinale der Königsklasse – nach sieben erreichten Vorschlussrunden in Serie. Dramatisch, bitter und noch ein zweites Mal historisch: Denn noch nie hatten sechs Tore aus Hin- (5:3) und Rückspiel nicht gereicht, um in die nächste Runde zu kommen.
Vier englische Teams waren in dieser Saison in der Champions League vertreten. "Überlebt" hat nach Gruppenphase und Achtelfinale nur eins: Leicester City.
- Ausgerechnet die "Foxes", die nach dem Meisterrausch in der vergangenen Saison dieses Jahr sogar im Abstiegskampf der Premier League stecken. Das Team schaltete am Dienstagabend im Rückspiel den FC Sevilla aus.
- Der FC Arsenal (am FC Bayern) und Manchester City scheiterten hingegen im Achtelfinale.
- Für Tottenham Hotspur war sogar schon nach der Gruppenphase Schluss.
"Der Auftritt in den ersten 45 Minuten macht mich sehr traurig. Ich habe in allen Sitzungen versucht, die Spieler zu überzeugen, hierher zu kommen, anzugreifen und zu gewinnen. Mein Fehler war, dass ich es nicht geschafft habe, sie zu überzeugen. Ich habe es in der zweiten Halbzeit geschafft, aber es war zu spät", erklärte Guardiola. Tatsächlich war der Durchgang nach der Pause für die "Citizens" deutlich erträglicher als die Dreiviertelstunde nach Anpfiff. Denn in Halbzeit eins brachten die Engländer wirklich gar nichts zustande, nicht einmal eine Defensivleistung, der man den Zustand kritisch, aber überlebensfähig diagnostizieren konnte.
Trotz der eindringlichen Warnung ihres Trainers vor einem zweiten Champions-League-Wunder nach dem Barcelona-Irrwitz vergangene Woche, begann Manchester mit dem gleichen Mimimi-Fußball, mit dem sich Paris im Nou Camp ins Ziel zu retten versuchte. So reichte Monaco eine gute, keine grandiose Leistung, um das 3:5 aus dem Hinspiel zu drehen. Kylian Mbappe (8.), Fabinho (29.) und Tiemoué Bakayoko (77.) sorgten bei einem Gegentreffer durch den deutschen Nationalspieler Leroy Sané (70.) für die nötige Zahl an Toren – und einen verspäteten französischen Fußball-Rausch nach dem PSG-Kater. "Wie Fürsten!", jubelt die "L'Equipe" und feierte noch ein bisschen weiter: "Nach einem verrückten Hinspiel dominiert Monaco gegen Manchester zuhause. Es gibt also einen französischen Verein im Viertelfinale - und es ist nicht PSG. Es ist Monaco. Und wenn man sich die Offensivkraft dieser Mannschaft anschaut, ist das absolut verdient."
Der "Pep"-Fluch der Ferne
124 Tore haben die Monegassen in dieser Saison über alle Wettbewerbe verteilt geschossen. 124 Tore, die Guardiola Angst machten. 124 Tore, denen er mit seiner Mannschaft Folgendes entgegenstellte wollte: "Ballbesitz zu haben und Tore zu schießen ist die beste Art, einen Vorsprung zu verteidigen. Es ist der einzige Weg, Monaco zu schlagen."
Doch sein Team wählte einen anderen Weg, einen fatalen, wie der Coach nach dem Knockout mit seinem ritualisiert-übertriebenen Pathos erklärte: "Wenn du nur daran denkst für 90 Minuten zu verteidigen, weil du das Hinspiel 5:3 gewonnen hast, dann killst du dich selbst." Wie schon bei seinem Halbfinal-Aus-Hattrick mit den Münchener Bayern zwischen 2014 und 2016 vergeigten der Katalane und sein Ensemble das Weiterkommen in der Ferne – zwölf der 16 Europapokal-Pleiten für Guardiola gab's auf fremden Plätzen.
Doch der himmelblaue Selbstmord, darin waren sich Ex-Spieler, TV-Experten und Medien in England einig, lag weder am nicht heimischen Stadion und auch nicht an der taktischen Fehleinschätzung einer ausschließlich aufs Verteidigen angelegten Leistung, sondern schlichtweg an der Abwesenheit des ihr zugedachten Personals: "Ich frage mich, ob Pep seinen Verteidigern in der Halbzeit erzählen wird, dass sie tatsächlich mal einen Gegenspieler angreifen dürfen", twitterte "Three-Lions"-Legende Alan Shearer. "Guardiola macht es falsch, die Defensive fehlt unentschuldigt", schimpfte der "Mirror", während die "Sun" einen "erneuten Defensivkollaps" beklagte.
Der "Guardian" spannte derweil den ganz großen Bogen: "Die Niederlage zeigte deutlich das Ergebnis einer Prüfung, welchen Fortschritt das Team unter Guardiola gemacht hat - falls es überhaupt einen gemacht hat." Statt der in Manchester erhofften Titeljagd, droht im ersten Jahr der Zusammenarbeit der nicht eingeplante Titel-Gau. In der englischen Premier League liegt die Mannschaft zehn Punkte hinter Spitzenreiter Chelsea, im Ligapokal war ebenso im Achtelfinale Feierabend, wie nun in der Königsklasse – bleibt nur noch der FA-Cup. Dort geht's am 22. April im Halbfinale gegen den FC Arsenal. Die letzte Chance gegen den bereits um sich greifenden bösen Spott: "Der erfahrene Pep sah wie ein Anfänger aus", lästert der "Daily Mirror" nach dem Monaco-Frust. Der erfolgreichste Trainer der Europapokal-Geschichte, er ist plötzlich unerfolgreich wie nie. Guardiola kriegt die Krise – wenn sich nicht bald was ändert.
Quelle: ntv.de