Fußball

Sebastian gegen Ulis Imperium Der FC Bayern und die Stolperfalle aus dem eigenen Haus

Sebastian Hoeneß coacht mit dem VfB Stuttgart ein Spitzenteam.

Sebastian Hoeneß coacht mit dem VfB Stuttgart ein Spitzenteam.

(Foto: dpa)

Sebastian Hoeneß ist in dieser Saison Erstaunliches gelungen: Aus dem Abstiegskandidaten VfB Stuttgart hat er eine Mannschaft geformt, die aus der Spitzengruppe der Bundesliga nicht mehr zu verdrängen ist. Nun kommt es zum hoch spannenden Duell mit dem FC Bayern.

Dieter Hoeneß sitzt zwischen den Stühlen und bemüht sich um größtmögliche Diplomatie. Dem FC Bayern, dem Klub, den sein Bruder Uli zu einer Weltmarke formte, wünscht er im kommenden Sommer den Meistertitel. Dem VfB Stuttgart, dem sein Sohn Sebastian derzeit zu erstaunlicher Größe verhilft, wünscht er dagegen den Sieg am Sonntag im Bundesliga-Spitzenspiel (19.30 Uhr bei DAZN und im Liveticker bei ntv.de). Das Wiedererstarken der Schwaben ist die sportlich größte Geschichte der Saison, gemeinsam mit jener der immer noch ungeschlagenen Leverkusener, die an der Spitze stehen und ihren Vorsprung auf die Münchner weiter ausbauen können.

Wenn die Werkself denn ihr Heimspiel gegen die rätselhafte Eintracht aus Frankfurt gewinnen sollte (am Sonntag, ab 17.30 Uhr). Die Hessen hatten den FC Bayern am vergangenen Wochenende auf furiose Weise vermöbelt und mit einer 1:5-Niederlage in eine wilde Woche entlassen, der die Münchner gegen das aufkommende Krisengerede mit einer Top-Leistung in der Champions League gegen Manchester United jeglichen Schwung nahmen. "Es hat Spaß gemacht", befand Trainer Thomas Tuchel. Die Reaktion auf die Klatsche hatte ihm sehr gefallen. "Das war vom Team-Level auf dem höchsten Niveau. Es war unser bestes Spiel in der Gruppenphase." Er lobte Energie und Konzentration.

Und so gehen beide Teams beschwingt in dieses Duell, das nicht nur Fußball-Deutschland interessiert, sondern ganz besonders auch Bundestrainer Julian Nagelsmann. Der kann nicht nur seine etablierten Kräfte einmal mehr unter Spitzenspiel-Anspannung erleben, sondern auch die potenziellen "Neuzugänge" fürs DFB-Team casten.

Ein Gigantenduell als Belohnung

Und die Liste jener Spieler, die Deutschland auf dem Weg zum Sommermärchen weiterhelfen können, ist in den vergangenen Wochen immer länger geworden. Da wären etwa Abwehrchef Waldemar Anton, Außenverteidiger Maxi Mittelstädt oder Antreiber Chris Führich. Und natürlich Sturmentdeckung Deniz Undav. Torwart Alexander Nübel und Mittelfeldmann Angelo Stiller dürften angesichts der großen Konkurrenz im DFB-Team vorerst keine Rolle spielen. Aber wer weiß, was Nagelsmann plant. Doch der Bundestrainer und seine Pläne sind das kleinste aller Themen, wenn es zu den Hoeneß-Festspielen in der wieder schneebefreiten Allianz Arena kommt.

Für den VfB Stuttgart ist dieses vorweihnachtliche Duell und seine Bedeutung für die Bundesliga eine Belohnung für eine bärenstarke Hinrunde, die so niemand erwarten konnte. Dass die Gäste am Rekordmeister mit einem Sieg vorbeiziehen könnten, wäre die denkbar schönste Bescherung. Und Dieter Hoeneß, der Mann zwischen den Stühlen, findet: "Dem VfB kann man im Moment alles zutrauen." Also auch den großen Coup in München. Der Familiensegen, so viel Entwarnung muss sein, hängt vom Ergebnis der Partie allerdings nicht ab. "Das sieht man alles sportlich. Wenn Uli es einem gönnt, dann Sebastian." Auf große Kampfansagen an den Onkel vor diesem für ihn "besonderen Spiel" verzichtet der 41-Jährige derweil.

Hoeneß hatte den Krisen-Klub im April übernommen, half ihm zum Klassenerhalt und ist plötzlich Trainer eines Spitzenteams. Das wiederum zeigte am vergangenen Wochenende beim 1:1 gegen Leverkusen und zuvor beim Pokal-Sie gegen den BVB (2:0) eindrucksvoll, dass es auf dem höchsten Niveau mithalten kann. Gilt das auch schon für den Trainer? Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen sagte Anfang Oktober über eine mögliche Rückkehr von Hoeneß, der die Münchner Reserve 2020 zum Drittliga-Meister gemacht hatte: "Wir beobachten seine Entwicklung. Man wird sehen, was die Zukunft bringt: Warum nicht irgendwann! Langfristig darf man so etwas niemals ausschließen." Hoeneß selbst sagt bei DAZN: "Ich werde sicherlich nichts ausschließen, aber aktuell ist es für mich kein Thema und ich finde es gehört sich nicht, konkret darüber zu sprechen."

Stürmerduell euphorisiert Matthäus

Die Stuttgarter überzeugen in dieser Spielzeit mit einer stabilen Defensive, mit reichlich Spielfreude und einer beeindruckenden Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor. Die strahlt vor allem Serhou Guirassy aus, der einst beim 1. FC Köln gar nicht auf die Beine kam, und nun zur größten Offensivattraktion der Liga gereift ist, Hand in Hand freilich mit Harry Kane, dem Superstürmer des FC Bayern. Auf den Showdown der beiden Hünen freut sich einer ganz besonders: Lothar Matthäus. Der versteigt sich schon vor dem Anpfiff in Schwärmereien. Kane sei mehr Führungsspieler. "Er ist unglaublich präsent und hat Einfluss auf die Mitspieler. Guirassy ist mehr auf sich konzentriert, aber dadurch, dass er so viele Tore schießt und so wichtig für die Mannschaft ist, schätzen ihn die Mitspieler sehr", betonte der Weltmeisterkapitän von 1990, der nun Herzensexperte der Nation ist.

Der VfB-Torjäger, so begeisterte sich Matthäus weiter, sei "körperlich stärker und schneller. Gegen ihn hätte ich früher ungern gespielt. Kane hat dafür ausgezeichnete Laufwege und die Erfahrung auf allerhöchstem Niveau. Es wäre eine Beleidigung, wenn ich aktuell sage, einer von ihnen wäre besser. Das wäre unfair. Man bräuchte von beiden etwas, dann hätte man den perfekten Stürmer." Es seien unterschiedliche Stürmertypen. Was sie indes gemeinsam haben, so Matthäus: "Sie schießen viele Tore und sie sind keine reinen Strafraumstürmer. Beide sind keine Angreifer, die nur vorne drinstehen und auf Bälle warten. Sie versuchen, mitzuspielen und sich auch von ihren Gegenspielern loszueisen."

VfB muss Guirassys Abgang fürchten

Kane, der im Sommer nach einem zähen Ringen von den Tottenham Hotspur losgeeist worden war, ist einer der Gründe, warum der FC Bayern in der Champions League souverän mit sechs Siegen in sechs Spielen durch die Vorrunde gekommen war und in der Bundesliga weiter voll ins Titelduell mit Bayer Leverkusen (vier Punkte und ein Spiel Rückstand aktuell) involviert ist. In einer Hinserie, in der die Münchner nie wirklich Ruhe in und um den Klub bekommen haben, war er die Konstante. Wenn die Abwehr wieder mal patzte, es im Mittelfeld enthemmte Diskussionen um die richtige Besetzung der Sechs und der Rolle von Thomas Müller gab, war das Sturmzentrum der Ort der Debattenlosigkeit. Kane blieb Kane. Und damit Weltklasse.

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Im Sturm wird sich der Rekordmeister in der Winterpause nicht verstärken, so viel scheint sicher. Nicht so sicher ist dagegen, ob die Stuttgarter eventuell nachlegen müssen. Um Guirassy ranken sich wilde Gerüchte, Newcastle und Manchester United sollen dringend interessiert sein. Auch der BVB wurde kurz gehandelt, ehe Sportdirektor Sebastian Kehl am Mittwochabend amüsiert dementierte. Was natürlich auch Teil eines Pokerspiels sein kann. Das Problem für die Stuttgarter: Der Mann aus Guinea wird nicht nur wegen der Teilnahme am Afrika-Cup für einige Wochen fehlen, er kann den Verein im Winter auch für knapp 20 Millionen Euro verlassen. Wie die "Bild" berichtet, sind Versuche des VfB fehlgeschlagen, dem Stürmer seine Ausstiegsklausel abzukaufen.

Nun aber erstmal Topspiel. Der "kleine" Hoeneß gegen das Imperium des "großen" Hoeneß und ein letzter Gruß vor dem Anpfiff vom Chefdiplomaten zwischen den Stühlen: "Es ist alles möglich. Der VfB hat auf der einen Seite in dieser Saison bewiesen, dass er gegen alle bestehen kann. Auf der anderen Seite wissen wir, dass der FC Bayern an einem guten Tag sehr schwer zu schlagen ist."

Quelle: ntv.de, tno

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