"Mehr als eine feste Größe!" Jérôme Boateng bleibt weltmeisterlich cool
12.11.2014, 06:14 Uhr
Mr. Unbesiegbar" der Bundesliga: Jérôme Boateng.
(Foto: dpa)
Er hat sich den Ruf als coolster Innenverteidiger unter dieser Sonne hart erarbeitet. Nun ist es so, dass an Jérôme Boateng niemand mehr vorbeikommt. Im DFB-Team nicht und nicht beim FC Bayern. Er nimmt das mit Fassung zur Kenntnis.
Der Mann ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Überschwang ist seine Sache nicht. Wer Jérôme Boateng etwas fragt, ganz gleich was, dem antwortet er mit Gleichmut in der Stimme. Ein wohltemperiertes Phänomen. Kaum vorstellbar, dass er anders reagieren würde, wenn man ihn damit konfrontierte, dass der FC Bayern ihn rauschmeißt und Bundestrainer Joachim Löw ihn nie mehr aufstellen wird. Wobei das natürlich nicht passieren wird. Schließlich ist es so, wie es Manager Oliver Bierhoff sagte: "Er hat einen unglaublichen Sprung gemacht und ist mehr als eine feste Größe in der Nationalmannschaft."
Dabei war das mit dem Überschwang zumindest auf dem Rasen früher sein Problem. Er sei immer für einen Aussetzer, einen Fehlpass, eine wilde Grätsche gut, hieß es. Kritiker unterstellten ihm einen Hang zur Tollpatschigkeit. Er selbst hat das nie so gesehen und sich stets gegen diesen Ruf gewehrt. Ganz ruhig, aber bestimmt. Die Zeiten der Kritik sind nun vorbei. Oder wenn, dann ist sie positiv. "Er ist unheimlich konzentriert und diszipliniert", konstatierte Bierhoff am Dienstag in Berlin, wo sich die DFB-Elf auf die EM-Qualifikationspartie am Freitag in Nürnberg gegen Gibraltar und das Freundschaftsspiel am Dienstag kommender Woche in Vigo gegen Spanien vorbereitet. Oder anderes ausgedrückt: Jérôme Boateng ist einer der coolsten Abwehrspieler dieses Planeten.
Das Finale war das Spiel seines Lebens
Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien, sagte Bierhoff, habe Jérôme Boateng eine beeindruckende Leistung geboten. In der Tat war er als Innenverteidiger eine Bank, er versteht das Spiel, ist schnell, ballsicher, kraftvoll, ebenso umsichtig wie kompromisslos im Zweikampf. Er steht fast immer dort, wo er stehen soll und glänzt auch immer öfter mit klugen Pässen beim Spielaufbau. Beim 1:0 im Finale gegen Argentinien machte er in Rio des Janeiro das Spiel seines Lebens und war einer der besten Spieler im Maracanã. "Fast noch beeindruckender aber war, wie er danach einfach weitergespielt hat."
Jérôme Boateng lässt sich halt nicht aus der Ruhe bringen. Erst recht nicht, seitdem er dort spielen darf, wo er sich am wohlsten fühlt. Vor der Weltmeisterschaft war es so, das er gerne in der Innenverteidigung gespielt hätte, häufig aber auf der rechten Abwehrseite aushelfen musste. Er tat das ohne zu murren, hat aber immer wieder mal erwähnt, dass er lieber ins Zentrum möchte. 26 Jahre ist er alt und, so scheint es, am Ziel. Sein Trainer Pep Guardiola hat das so ausgedrückt: "Er ist jung, schnell, super mit dem Ball, rechts und links. Er hat alles, eine große Persönlichkeit, er ist ein guter Typ. Jedes Jahr wird er ein besserer Spieler."
Er selbst hängt das nicht so hoch. Das mit dem Leistungsloch nach einem großen Erfolg ist für ihn Thema. Während andere schwächeln, dreht er auf. "Ich denke, der WM-Titel hat jedem Spieler einen Schub gegeben. Ich habe einfach Lust auf Fußball, Lust darauf, mich weiterzuentwickeln und Erfolge mit der Nationalmannschaft und dem FC Bayern zu feiern. Ich freue mich auf jedes Spiel, auf jedes Training." Hier spricht der Musterprofi. Verlieren ist übrigens sein Ding nicht. In der Bundesliga ist er mit dem FC Bayern seit 50 Spielen ohne Niederlage. Das ist ein Rekord. Zum bisher letzten Mal ein Spiel verloren hat er am 28. Oktober 2012, vor mehr als zwei Jahren. Damals unterlagen die Bayern mit 1:2 in Leverkusen. Bei den Niederlagen in Augsburg (0:1) und gegen Dortmund (0:3) in der vergangenen Saison stand er nicht im Kader.
"Da wollen wir ein Zeichen setzen"
Umso mehr hat er sich über die, wie es Bierhoff formulierte, verkorksten Qualifikationsspiele geärgert. Und bei aller Gelassenheit ist es nicht so, dass er nichts zu sagen hätte. Nach der Niederlage in Warschau gegen Polen und dem unglücklichen Remis in Gelsenkirchen gegen Irland war er es, der deutliche Worte fand für das, was geschehen war. Er forderte die Kollegen unmissverständlich auf, sich zu hinterfragen und an sich zu arbeiten. "Wir müssen den Ernst der Lage erkennen."
Nun geht's gegen Gibraltar. Wie Bierhoff keineswegs exklusiv erkannt hat, "nicht der Gegner, der alle vom Hocker haut. Aber wir hoffen, dass wir viele gute Aktionen haben und viele Tore schießen". Das ist kein verwegener Wunsch, die Amateure von der Südspitze der Iberischen Halbinsel haben bisher alle drei Qualifikationsspiele verloren, kein Tor geschossen, dafür aber 17 kassiert. Jérôme Boateng mahnte in Berlin dennoch: "Es ist wichtig, sich auf das Spiel zu konzentrieren, wir wollen dort ein Ausrufezeichen setzen. Wir bringen jedem Gegner den gleichen Respekt entgegen." Und wieder sprach er davon, wie wichtig es sei, "dass wir uns als Mannschaft noch mal ein Stück weiterentwickeln".
Und er hat auch schon einen Plan, wie das auch gegen Spanien klappen könnte. Diese Partie sei ein "Topspiel, ein Highlight. Der alte gegen den neuen Weltmeister - auch da wollen wir ein Zeichen setzen". Sein Vorschlag: "Wir müssen als ganze Mannschaft nach vorne und nach hinten arbeiten. Wir müssen defensiv wie offensiv zusammenzuarbeiten - dann ist vieles einfacher." Der Mann hat was zu sagen, auch wenn die Idee vielleicht nicht ganz neu ist. Soll sich nur niemand von seinem Gleichmut täuschen lassen. Selbst auf die Frage, ob er einen Spieler Gibraltars kenne, antwortete er ungerührt: "Noch nicht."
Quelle: ntv.de