Fußball

"Beschissenste Vorrunde" Katastrophaler BVB reizt Klopp

Und jetzt? Die Dortmunder nach der Niederlage in Bremen.

Und jetzt? Die Dortmunder nach der Niederlage in Bremen.

(Foto: imago/Laci Perenyi)

Was ist nur in Dortmund los? Nach der Niederlage in Bremen muss der BVB auf einem Abstiegsplatz überwintern. Doch Klopp denkt nicht ans Aufgeben. Er formuliert schon die ersten Kampfansagen. Oder sind es Durchhalteparolen?

Als die "beschissenste Vorrunde unseres Lebens" besiegelt war, stand BVB-Coach Jürgen Klopp reglos im Bremer Regen. Die Schirmmütze tief im Gesicht, eine Hand vor dem Mund. Sein Kapitän Mats Hummels hockte auf dem Rasen, einsam, das Gesicht vergraben in seinen Händen. Die übrigen BVB-Profis wankten ziellos über das Spielfeld. Der Schock über die erneute Leistungsimplosion schien sich in diesem Moment nicht nur durch das Wissen zu potenzieren, was dieses in der Höhe höchst glückliche 1:2 (0:1) beim bisherigen Schlusslicht Werder Bremen bedeutete: einen direkten Abstiegsplatz während der Winterpause, erstmals seit 30 Jahren. Im Regen über dem Bremer Stadion hing auch die Frage, ob Schiedsrichter Manuel Gräfe zusammen mit diesem Spiel eine Ära abgepfiffen hatte: die des BVB-Trainers Jürgen Klopp.

Rücktritt, Rauswurf - nach Klopps vermeintlichen Abschiedsworten im Anschluss an das 2:2 gegen Wolfsburg und der von der "FAZ" kolportierten Unruhe im BVB-Aufsichtsrat schien angesichts des fußballerischen Kollapses in Bremen kurzzeitig alles möglich. Als Klopp gut eine Stunde und einige TV-Interviews später vor die Presse trat, war sein nach der zehnten Saisonniederlage längst obligatorischer Glückwunsch zum Sieg, diesmal "an Viktor und Werder Bremen", kaum hörbar, mehr gehaucht als gesprochen. Doch anders als in Frankfurt und Berlin, wo ihn die Niederlagen sichtlich mitgenommen hatten, wirkte der Verlierer Klopp diesmal nicht verloren, sondern erstaunlich gefasst. Und er benutzte wie selbstverständlich diese eine entscheidende Vokabel, als er den Bogen von der katastrophalen Vor- zur bevorstehenden Rückrunde schlug, von der Problemanalyse zur Lösung. Klopp sagte: wir.

Zum Beispiel: "Wir sind sehr unzufrieden mit uns und der Situation", was bei einer Ligabilanz von 15 Punkten aus 17 Spielen bei 18:26 Toren nicht sonderlich überrascht – und BVB-Kapitän Mats Hummels gern bestätigte: "Auswärts haben wir wirklich eine der schlechtesten Vorrunden gespielt, die man sich ausmalen kann. Damit müssen wir jetzt die Winterpause überleben."

Der Körper soll schuld sein

Ist jetzt alles nicht so gut gelaufen: Klopp übt Selbstkritik. Die Fotos von der Pressekonferenz nach dem Spiel zeigen einen Trainer in Erklärungsnot...

Ist jetzt alles nicht so gut gelaufen: Klopp übt Selbstkritik. Die Fotos von der Pressekonferenz nach dem Spiel zeigen einen Trainer in Erklärungsnot...

(Foto: imago/Thomas Bielefeld)

Leben müssen die Dortmunder auch mit einer kritischen Betrachtung der Frage, wie sinnvoll dieses Wir-Gefühl nach dem Absturz ist. Den nun auf 2015 zwangsvertagten Neustart hatte Klopp schon in der Hinrunde mehrmals angekündigt, vergebens. "Jegliche Form der Kritik" an ihm und seinem Team sei "komplett in Ordnung und absolut angemessen", sagte er in Bremen, gab aber gleichzeitig als Parole aus: "Katastrophe, aber es geht trotzdem weiter." Denn: "Es gibt Erklärungen für diese Vorrunde, durch die wir uns durchgequält haben." Die Argumentationslinie, die sich Klopp und Klub offensichtlich schon vor der Horror-Vorstellung in Bremen zurechtgelegt hatten und die auch Hummels präsentierte, lautet: Der Körper ist das Problem gewesen, nicht der Kopf. Also kein Unvermögen, den neuen Dauerzustand Abstiegskampf anzunehmen und gedanklich mit dem Champions-League-Höhenflug zu vereinbaren. Sondern einfach mangelnde Abstimmung und Automatismen durch zu wenig Training und neue Spieler, vor allem aber immer neue Verletzungen und die unerbittlichen englischen Wochen. Es war eine nicht unplausible Erklärung, die Klopp und Hummels präsentierten, aber auch eine sehr bequeme.

Nicht nur, weil sie die Art und Weise des Auftritts in Bremen nicht erklärte. Sondern weil Klopp den Fans gleichzeitig versprach, dieses Problem gemeinsam mit dem Team in der Winterpause zu lösen: "Wir haben 17 Spiele, und das Allerwichtigste ist: Wir haben eine Vorbereitung. Den Körper in eine andere Verfassung zu bringen, wird uns ganz andere Möglichkeiten geben." Und dann, führte Klopp voller Tatendrang aus, "wird es deutlich schwerer, uns zu schlagen. Und wenn es schwer sein wird, uns zu schlagen, können wir auch wieder gewinnen. Und genau darum wird es gehen." Die Chance bestehe, "dass es viel besser wird. Und den Glauben daran hab ich nicht verloren".

"Verein sehr geschadet"

Vom Bayernjäger zum Abstiegskämpfer - die Hinrunde war für den BVB zum Weinen. Klopp ringt um Fassung.

Vom Bayernjäger zum Abstiegskämpfer - die Hinrunde war für den BVB zum Weinen. Klopp ringt um Fassung.

(Foto: imago/Thomas Bielefeld)

W as klingt wie klassische Abstiegskampf- und "Alles wird gut"-Rhetorik, kann auch als neuer Dortmunder Realismus verstanden werden. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass Klopp selbst bei einem Sieg in Bremen exakt dieselben Worte gewählt hätte. Auch 18 Punkte aus 17 Spielen hätten lediglich dafür gesorgt, dass der BVB mit einem minimal besseren Gefühl in die Winterpause gegangen wäre, keinesfalls mit einem guten. Er und die Mannschaft, zeigte sich Klopp selbstkritisch, hätten dem Verein sehr geschadet. Dafür gelte es in der Rückrunde Wiedergutmachung zu leisten, was Klopp als persönliche Mission zu betrachten scheint: "Mit einer vermeintlichen Spitzenmannschaft im Abstiegskampf zu stecken, ist mit Sicherheit an Herausforderung kaum zu überbieten."

Illusionen über die Ausgangslage macht sich Klopp nicht. Er gehe davon aus, "dass wir morgen Tabellenletzter sind", weil Freiburg sein Heimspiel gegen Hannover gewinnen werde. Viel wichtiger sei jedoch die Gesamtperspektive: "Wir haben zehnmal in dieser Vorrunde verloren, das ist absolut verrückt. Aber wir haben die beschissenste Vorrunde unseres Lebens gespielt und sind trotzdem nur drei, vier Punkte von Plätzen weg, die für uns komplett in Ordnung wären." Vier Punkte fehlen dem BVB im Moment zu Rang 10, zwei zu einem Nichtabstiegsplatz, dem neuen Saisonziel. "Wir werden ein erbitterter Jäger sein, das kann ich jetzt schon versprechen."

Rückrundenstart in Leverkusen

Für ein Millionenensemble wie den BVB ist diese Kampfansage im Keller so absurd wie die Hinrunde im Ganzen oder das Auftreten gegen leidenschaftlich und planvoll, aber keineswegs überragend aufspielende Werderaner im Speziellen. Trotzdem leistete Klopp in Bremen nach dem Spiel unermüdlich jene rhetorische Überzeugungsarbeit, zu der seine Mannschaft fußballerisch schlicht nicht im Stande gewesen war. "Wir glauben daran, dass in dem Moment, wo wir wieder gemeinsam auf dem Trainingsplatz stehen, wir uns etwas erarbeiten können, was uns wieder zu einem viel, viel unangenehmeren Gegner macht, als wir es im Moment sind." Dass dies mit einem neuen Trainer einfacher gelingen könnte, daran glauben Klopp und Klub demnach nicht. Eine Trennung in der Winterpause darf als ausgeschlossen gelten, auch wenn der Druck auf Klopp wachsen wird und zum Rückrundenstart Leverkusen wartet – auswärts, wo dem BVB gar nichts gelingt.

In Bremen schenkten seine Dortmunder dem Schlusslicht mit einer absurden Abwehr- und einer unterirdischen Offensivleistung einen versöhnlichen Jahresabschluss. "Nach zweieinhalb Minuten stehen wir in einem normalen Angriff in Unterzahl hinten drin, das ist natürlich schon erstaunlich", wunderte sich der indisponierte Kapitän Hummels über das 0:1 durch Davie Selke (3.), der dem BVB früh das Genick brach: "Wir stehen auf jeden Fall zurecht unten drin, so wie wir das spielen." Auch Werder-Coach Viktor Skripnik sparte sich den Hinweis, was für ein tolles Team der BVB eigentlich sei. Lieber wies er darauf hin, dass seine junge Mannschaft noch ein, zwei Tore mehr hätte schießen können, was letztlich der Innenpfosten und Unvermögen verhinderten.

Klopp fand schlicht: "Dieses Spiel heute kann man getrost als Spiegelbild unserer Vorrunde bezeichnen." Am Ende habe es wieder nicht gereicht, und völlig überrascht habe ihn das nicht: "Die einzig gute Nachricht des heutigen Tages ist: 2014 ist vorbei, die Vorrunde ist vorbei." Die anstehenden Festtage werde sich der BVB von der Tabelle nicht verderben lassen, betonte er: "In der Weihnachtszeit können wir die Situation nicht so verändern für uns, dass es danach weniger scheiße wäre." Dann ging er ab – um wiederzukommen.

Quelle: ntv.de

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