Kaufen, parken, tricksen Ein ahnungsloser US-Milliardär wirbelt den Transfermarkt durch
09.07.2024, 12:21 Uhr
Hält Anteile an mehreren Klubs: John Textor.
(Foto: IMAGO/PanoramiC)
Brasilien, Belgien, England, Frankreich: In dieser Viererkette spielt sich Fußballinvestor John Textor auf dem Transfermarkt selbst die Bälle zu. Untypisch hohe Ablösesummen und dubiose Leihgeschäfte wecken zwar das Interesse von Wettbewerbshütern - illegal sind die Tricksereien des Amerikaners aber nicht.
Sommerzeit, Transfermarktzeit: Während die Bundesligisten erst langsam ins Rollen kommen, was Neuzugänge und Verkäufe angeht, wirft in Frankreich ein Milliardär munter mit Millionen um sich. Bei Olympique Lyon jagt in dieser Woche ein Rekordtransfer den nächsten. Der US-Investor John Textor muss bei den vier internationalen Klubs, die er unter seinen Fittichen hat, aber tricksen, um nicht gegen das Financial Fairplay der UEFA und die Finanzaufsichten der jeweiligen Ligen zu verstoßen.
Lyon wünscht sich seit Jahren den Glanz aus Zeiten mit den Superstars Karim Benzema und Juninho zurück, der Serienmeister von 2002 bis 2008 ist längst eine graue Maus in der französischen Ligue 1 - im Titelrennen spielen die Lyonnais aktuell keine Rolle mehr. Textor will das mit seiner Investorengruppe Eagle Football Holdings ändern, der neben OL auch 40 Prozent der Anteile an Crystal Palace, 80 Prozent am RWD Molenbeek in Belgien und 90 Prozent an Botafogo in Brasilien gehören. Zwischen diesen Klubs hat der 58-Jährige mittlerweile ein Transfernetz gespannt.
Im letzten Sommer verpflichtete Molenbeek den damals 19-jährigen Ernest Nuamah für 25 Millionen Euro. Er war damit der teuerste Verkauf der dänischen Liga - Nordsjaelland war der abgebende Verein - und gleichzeitig der teuerste Einkauf in der belgischen Liga. Ein Spiel für Molenbeek absolvierte Nuamah aber nie. Er wurde gleich weiterverliehen an Lyon, die zu dieser Zeit im Fokus der französischen Finanzkontrollbehörde DNCG standen. Ein Jahr später wurde Nuamah für 28,5 Millionen Euro gekauft. Auch die Leihgeschäfte von Duje Caleta-Car, Said Benrahma und des Ex-Stuttgarters Orel Mangala wurden in fixe Transfers umgewandelt. Kosten: rund 40 Millionen Euro.
Ein Rekord jagt den nächsten
Brasilien war bereits im Winter in die munteren Wechselspiele an der Rhone eingebunden. Damals wechselten mit Adryelson und Lucas Perri zwei Spieler von Botafogo zu Lyon. Jeweils für rund 3,5 Millionen Euro. Auch hier trickste Textor, denn ganz marktwertkonform waren diese Ablösesummen nicht. Botafogo und Lyon halten nun beide 50 Prozent der Transferrechte und würden bei einem Weiterverkauf kassieren.
Auf Lyon liegt derzeit Textors großer Fokus, dort ist er Präsident, Generaldirektor und Gesellschafter. Das Transfergebahren sorgte hier Anfang Juli innerhalb einer Woche für Rekorde. Mangala war ganze zwei Tage mit 23,4 Millionen Euro der teuerste Vereinstransfer, dann kam der bereits erwähnte Nuamah, einen Tag später wurde er vom Ex-Mainzer Moussa Niakhaté mit 31,5 Millionen Euro abgelöst. Mangala und Niakhaté kommen von Nottingham Forest, ein Premier-League-Klub, der bereits wegen seines Kaufrauschs und einhergehenden Verstoßes gegen die Nachhaltigkeitsregeln der Liga vier Punkte Abzug kassiert hatte.
Kurios: Als Niakhaté-Ersatz wünscht sich Nottingham ausgerechnet einen Verteidiger von OL - den Iren Jake O'Brien - und soll bereit sein, rund 34 Millionen Euro zu zahlen. Das Dreifache des Marktwerts. Der 23-Jährige war lange in der zweiten Mannschaft bei Crystal Palace aktiv, wurde dann per Leihe bei Molenbeek geparkt und im letzten Sommer für eine schlanke Million von Palace an Lyon verkauft. So würden zig Millionen einfach hin- und hertransferiert, ohne adäquaten Gegenwert.
Man gönnt und versteht sich eben unter Investoren. Textor empfand nach dem Punktabzug für Nottingham Mitleid für Besitzer Evangelos Marinakis. "Ergibt das einen Sinn? Marinakis hat viel Geld, um sein Team zu finanzieren, aber er darf es nicht. Wenn er zu viel ausgibt und das tut, was die Fans wollen, kommt jemand daher und zieht ihm Punkte ab? Das ist nicht richtig."
"Financial Fairplay ist ein betrügerischer Begriff"
Lästig, diese Regeln der Premier League. Seit 2013 gelten die "Profit and Sustainability Rules" (PSR), wonach die Klubs maximal 105 Millionen Pfund (136 Millionen Euro) Minus innerhalb drei Spielzeiten machen dürfen - sofern die Klubbesitzer 90 Millionen (106 Millionen Euro) davon ausgleichen können. Textor wird nicht müde, zu erwähnen, was er vom englischen PSR-Stystem hält. "Financial Fairplay ist ein betrügerischer Begriff, wenn es um Nachhaltigkeit geht." Die Regeln seien gemacht, damit Vereine, die keine nennenswerten Einnahmen erzielen, sportlich nicht aufholen können. "Bei Nachhaltigkeit sollte es um die Qualität der Bilanz gehen, nicht um die Kennzahlen der Gewinn-und-Verlust-Rechnung."
So spricht eben kein Fußballfachmann, sondern ein Finanzmensch. Textor, der sein Geld in Hollywood mit Animationsfirmen gemacht hatte, arbeitet weiter an seinem Ziel, mit einem seiner Klubs endlich Titel einzufahren. Bei Crystal Palace soll das Engagement des Amerikaners bald ein Ende haben. Er suche aktiv einen Käufer für seine Anteile, sagte Textor im Mai. Stattdessen will der Amerikaner den FC Everton übernehmen.
In Lyon bahnt sich derweil schon der nächste Ringtausch eines Spielers an: Im Juli wechselt der Argentinier Thiago Almada vom MLS-Klub Atlanta United zu Botafogo. Für 19,5 Millionen Euro. Der teuerste Abgang der MLS-Geschichte und natürlich auch ein Rekordtransfer für die brasilianische Liga, deren Klubs sich eigentlich durch Verkäufe dieser Größenordnung finanzieren. Lange bleiben wird Almada nicht. Medienberichten zufolge zieht der 23-Jährige im Januar zu Lyon weiter, dann endet auch die Saison für Botafogo, in den Büchern stünde sicher erstmal eine Leihe oder ein anteiliger Transfer, der die Finanzbehörden nicht aufscheuchen sollte. Textors Tricks wären wieder voll aufgegangen.
Quelle: ntv.de