Fußball

Der alte Mann und das Mehr Kehl sorgt für Dortmunder Gänsehaut

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Im Pokalviertelfinale braucht der BVB 45 Minuten, um auf Touren zu kommen. Mit einem Sonntagsschuss entscheidet Sebastian Kehl die Partie - und löst in Dortmund ein lange vermisstes Gefühl aus.

Plötzlich waren sie wieder die Alten. Auf dem Rasen, auf den Tribünen, an der Seitenlinie. Endlich spürten sie im Dortmunder Fußball-Tempel wieder diese Gänsehaut, die sie so lieben, dieses elektrisierende Erlebnis Fußball in Dortmund. Und diese gemeinschaftliche Ekstase hatten sie Sebastian Kehl zu verdanken. Ausgerechnet jenem Kehl, der im Dortmunder Spiel alles verkörpert, außer Spektakel. Mit einem Dropkick-Hammer aus einer Entfernung irgendwo zwischen 25 und 30 Metern, löschte Kehl in der 107. Minute des DFB-Pokal-Viertelfinals das kollektive Gedächtnis der Fans. Vergessen waren die vielen schlechten Momente in dieser Saison. Momente, in denen die Gefühlswelt irgendwo zwischen Wut, Enttäuschung und Verzweiflung pendelte.

Dortmund - Hoffenheim 3:2 n.V.

Tore: 1:0 Subotic (19.), 1:1 Volland (21.), 1:2 Firmino (28.),  2:2 Aubameyang (57.), 3:2 Kehl (107.)

Dortmund: Langerak - Durm, Subotic, Sokratis,  Schmelzer - Gündogan, Sven Bender (63. Kehl) - Blaszczykowski,  Kagawa, Mchitarjan (101. Kampl) - Aubameyang (113. Ramos)

Hoffenheim: Baumann - Beck, Strobl, Bicakcic, Toljan (61. Kim) -  Rudy, Schwegler (60. Amiri), Polanski - Volland, Firmino -  Schipplock (101. Zuber)

Referee: Aytekin  Zus: 80.667 (av)

Nur wenige Minuten vor dem Traumtor des langjährigen BVB-Kapitäns hatten sie sich auf der Tribüne schon Gedanken darüber gemacht, wer im Elfmeterschießen mental so stark sei, um Dortmund den Verbleib im Pokal zu sichern. Viele Namen machten die Runde – auch der von Kehl. Dem attestierten die diskutierenden Fans zwar die nötige Ruhe und Nervenstärke, aber "'nen ordentlichen Bums hatta ja nich gerade." Nun, da hatten sie eigentlich Recht, aber man lässt sich ja gerne eines besseren belehren, auch als Trainer: "Ich arbeite jetzt sieben Jahre mit ihm zusammen und wusste gar nicht, dass er so etwas kann", sagte Jürgen Klopp, der mit dem Schlusspfiff wie ein wild gewordener Stier auf den Torschützen losstürmte, ihn so doll und glücklich herzte, als hätten sie einen ganz großen Sieg eingefahren - und irgendwie war es auch so, selbst wenn es "nur" ein Erfolg im Viertelfinale des DFB-Pokals war.

"Das ist so richtig geil"

Die Dortmunder hatten in diesem Spiel etwas geschafft, was ihnen in dieser Saison häufig nicht gelungen war. Sie erinnerten sich an den erfolgreichen Klopp-Fußball mit feuriger Leidenschaft, mit Tempo, mit Torchancen und mit dem unbändigen Willen das Glück im Notfall auch zu erzwingen, wie eben in jener Szene zu Beginn der zweiten Hälfte der Verlängerung.

Und so jubelte Klopp nach 120 hochspannenden und teilweise auch hochklassigen Minuten gegen einen wirklich guten Gegner aus Hoffenheim: "Es war dramatisch, es ging hin und her, wir hatten zuletzt nicht so viele positive Ausreißer, wo man sagt: Das ist so richtig geil. Aber heute ist sicher so ein Abend."

Das galt besonders für die zweite Halbzeit. Denn nach der Pause erinnerte das Spiel der Borussia an die oft überragenden Leistungen aus den Erfolgsjahren in denen die Klopp-Elf fast jeden Gegner überrannte. "Wir haben einen mordsmäßigen Druck gemacht. Das war eine geile Reaktion."

Es gibt noch Gänsehaut-Momente

Die war aber auch bitter nötig, denn nach einem sehr ordentlichen Beginn und der Führung durch Neven Subotic (19.), drohte das Spiel des BVB wieder zusammenzubrechen. Nach dem schnellen Ausgleich durch Hoffenheims Nationalspieler Kevin Volland, der im Anschluss an eine Ecke recht viel Zeit und recht viel Platz für seinen Abschluss bekam, kehrte die Angst in die Glieder der Dortmunder zurück: Fehlpässe, kein flüssiges Zusammenspiel, viele schlechte Entscheidungen im Spielaufbau und dann noch dieser kapitale Bock von Subotic vor dem 1:2 durch Roberto Firmino (28.).

Der BVB wankte vor dem Kabinengang gefährlich, aber statt erneut umzufallen, wie schon häufiger in dieser Saison, stemmte sich das Team mit Wucht und Leidenschaft gegen die drohende Niederlage, auch wenn es gerade in der Rückwärtsbewegung noch teilweise unübersehbare Unsicherheiten gab. "Dieser Abend war ein Spiegelbild dessen, was wir in dieser Saison spielen", erklärte Kehl später.

Der 35-Jährige, der nach der laufenden Saison seine Karriere beendet, trat nach ausgiebiger Feierei vor der euphorisierten Südtribüne, wo sie schon beseelt vom Glück den Einzug ins Pokalfinale besangen, direkt mal auf die Stimmungsbremse. "Die Saison hat uns gelehrt, dass wir nicht zu viel träumen sollten." Träumen vielleicht nicht, genießen aber ganz sicher: "Das heute tut uns allen gut", sagte Klopp und freute sich über die wohl wichtigste Erkenntnis des Abends: In Dortmund gibt es sie noch, diese Gänsehaut-Momente, in denen sich so vieles ändern kann.

Quelle: ntv.de

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