Ärger über Flitzerin Klopps Glück und der Clever-Elfer des Jahres
02.06.2019, 16:54 Uhr
Jürgen Klopp durfte am Ende des Champions-League-Abends jubeln - zwischendurch gab es für den Trainer des FC Liverpool aber auch Grund zum Ärgern.
(Foto: imago images / DeFodi)
Der Abpfiff des Endspiels bringt die wichtigste Erkenntnis des Abend: Der FC Liverpool ist Champions-League-Sieger. Aber das Spiel wirft auch Fragen auf. Ist Sadio Mané das größte Schlitzohr des Finales? Wer ist die Flitzerin? Und sind europäische Titel doch besser als Aufstiege?
Jürgen Klopp genoss seinen Finaltriumph, der unterlegene Trainer Mauricio Pochettino musste sich derweil noch erklären und irgendwo explodierten auf Instagram Fanzahlen: Das Endspiel der Fußball-Champions-League klärte die Frage nach Klopps Titelfähigkeit, brachte aber einige neue Unklarheiten auf. Und Ärger, nicht nur beim frisch gebackenen Titelträgertrainer.
Steht der FC Liverpool auf dem Gipfel – oder erst am Anfang einer Ära?
Nach dem wenig ansehnlichen, aber am Ende verdienten 2:0 des FC Liverpool über die Tottenham Hotspur drohte Jürgen Klopp es am Samstagabend schon an: "Diese Gruppe ist immer noch am Anfang. Das ist ein Team in einem wundervollen Alter. Die haben die beste Zeit ihrer Karriere immer noch vor sich." Diese Erkenntnis hat der gefeierte Trainer nicht exklusiv. Und es spricht viel dafür, dass der lang ersehnte internationale Titel der Beginn einer großen Ära ist. Denn auch wenn die Spieler des englischen Vizemeisters ihrem Coach bedingungslos folgen, so haftete dem Deutschen bisher noch der Makel an, "der Weltrekordler im Gewinnen von Halbfinals" zu sein (Klopp über Klopp), jetzt wissen Salah und Co., dass ihr Trainer sie auch tatsächlich zu großen Titeln führen kann.
Das Halbfinal-Wunder gegen den FC Barcelona, als die Reds einen 0:3-Rückstand aus dem Hinspiel noch drehten, basierte auch auf dem immensen Vertrauensvorschuss, den sein Staresemble dem begeisternden Klopp gewährte. Es ist nur schwer vorstellbar, was dieser Triumph nun mit dem Selbstverständnis des Teams macht. Es gibt weder in der Premier League, noch in der Champions League Garantien auf Titel, aber mit dem Endspielsieg hat Klopp ein erstes Versprechen eingelöst. Es droht kein Ausverkauf, stattdessen kann der Trainer seinen Kader nun weiter mit Augenmaß (und bei Bedarf mit viel Geld) verstärken.
Ist der Champions-League-Triumph wertvoller als der Aufstieg mit Mainz 05?
Da hatte die versammelte Weltpresse in der Fragerunde des FC Liverpool am vergangenen Dienstag nicht schlecht gestaunt: Auf die Frage nach dem Highlight seiner Trainerlaufbahn führte Jürgen Klopp nicht etwa den Double-Gewinn mit Borussia Dortmund an, oder den erneuten Einzug ins Finale der Champions League mit dem FC Liverpool, sondern den Aufstieg mit dem 1.FSV Mainz 05 – einem Verein, den mancher internationale Kollege sicher erstmal googlen musste. Ob sich nach dem Triumph im Endspiel von Madrid in Klopps Highlight-Hierarchie etwas geändert hat, ließ der Trainer noch nicht durchblicken. Dabei müsste sich der 51-Jährige gar nicht entscheiden, denn an diesen so unterschiedlichen Erfolgen waren zwei Jürgen Klopps beteiligt.
2004 sorgte noch vor allem der große Motivator, der Menschenbegeisterer Klopp dafür, dass ausgelaugte Mainzer nach zwei jeweils am letzten Spieltag verpassten Aufstiegen am Ende doch noch den Sprung nach oben schafften. Der Champions-League-Sieg 2019 dagegen dem so häufig unterschätzten Strategen Jürgen Klopp. Der hat seinen Edelkader mit viel Geld, vor allem aber mit viel Augenmaß so optimiert, dass sein Team die Mentalität, vor allem aber auch die Qualität besitzt, über eine lange Saison hinweg Topleistungen abzurufen. Und wenn es darauf ankommt, ist Klopps FC Liverpool auch für ein Wunder gut. Ob Mainz oder Madrid – Hauptsache Highlight!
Sahen wir am Samstagabend den am schlitzohrigsten organisierte Elfmeter der Champions-League-Finalgeschichte?
Es ist eine Schreckensvision, die bei den dauernden Diskussionen über die Auslegung der Handspielregel während der Bundesligasaison immer wieder aufpoppte: Wird es künftig zum Arsenal eines jeden Angreifers gehören, gezielt die "vergrößerte Körperfläche" des Verteidigers anzuvisieren, wenn der leichtsinnig nicht im eigenen Strafraum die Arme hinter dem Rücken verschränkt? Das Handspiel von Tottenhams Moussa Sissoko, das zum Elfmeter und letztendlich zur Liverpooler Blitzführung geführt hatte, war natürlich weit von einer absichtlichen Handlung entfernt, strafbar war es dennoch. Hat Liverpools Angreifer Sadio Mané den Ball womöglich tatsächlich absichtlich an die Hand des Gegenspielers gechippt, um den Elfmeter zu provozieren? Lange genug Zeit war jedenfalls, die Idee zu entwickeln und auszuführen. Eine zu steile These? Erinnern wir uns ans Halbfinale, das abgezockte Liverpooler mit der ausgekochtesten Eckenvariante des Wettbewerbs gegen Barcelona entschied.
Hat Spurs-Coach Pochettino den möglichen Titel vercoacht?
"Meine Entscheidung war sehr analytisch und ich habe sie auf der Basis aller meiner Informationen getroffen. Ich bereue diese Entscheidung nicht", verteidigte Tottenhams unglücklicher Trainer Mauricio Pochettino nach dem Spiel seinen Entschluss, den gerade erst nach sieben Wochen Verletzungspause genesenen Stürmer Harry Kane von Beginn an aufzubieten und dafür über eine Stunde lang auf die Dienste von Halbfinal-Held Lucas Moura zu verzichten. Tatsächlich wirkte Kane vor allem in der ersten Halbzeit nicht bereit für einen Einsatz in diesem großen Spiel, vom WM-Torschützenkönig von 2018 ging keinerlei Gefahr aus, lediglich elf Ballkontakte notierte Opta vor der Pause für den Angreifer.
Ein Coachingfehler? Beim englischen Sender BeIN Sports waren sich die einstigen Erzfeinde Arséne Wenger und José Morinho darüber ziemlich einig: "Er sieht nicht bereit aus", sagte Wenger und Mourinho nickte eifrig, beide hätten den Angreifer nicht eingesetzt. Der andere Teil der Wahrheit ist aber auch: Moura, im Halbfinal-Rückspiel gegen Ajax Amsterdam dreifacher Torschütze, belebte zwar den Angreifer der Spurs, die große Präzision und Durchschlagskraft kam mit dem Brasilianer aber auch nicht zurück. Und dann war da eben auch noch der Faktor Van Dijk. Gegen den Hünen in der Liverpool-Verteidigung wäre an diesem Abend wohl noch jeder Stürmer zerschellt.
Wer war die Flitzerin?
Ein von Marketingexperten errechneter angeblicher Werbewert von mehreren Millionen Euro, eine explodierende Anzahl neuer Instagram-Freunde und eine Liebeserklärung ihres Freundes: Kinsey Wolanski ist mit ihrer freizügigen Flitzerei ohne Zweifel eine Gewinnerin des Champions-League-Finales. Der US-Model war in der 18. Minute nur mit der Idee eines Badeanzugs bekleidet für wenige Sekunden auf dem Feld, bevor sie abgeführt werden konnte. Der Aufdruck auf ihrem Dress, der für die Sexseite ihres Freundes warb, war vor allem auf den später veröffentlichten Bildern der Aktion gut zu sehen. Es gehört zu den Mysterien des Spiels, warum eine offensichtliche Werbeaktion in Zeiten stetig wachsender Kritik am kommerziellen Klammergriff der Verbände zum beklatschten Erfolg wird - anstatt die Fans des Sports in der Reaktion Jürgen Klopps zu vereinen: Im genervten Kopfschütteln.
Quelle: ntv.de