Mit Ronaldo, Benzema und Co. Newcastle-Eigentümer reißt die besten Saudi-Klubs an sich
06.06.2023, 14:03 Uhr
Ronaldos Klub gehört nun dem saudischen Staatsfonds.
(Foto: REUTERS)
Saudi-Arabien greift im Fußball groß an. Das wegen seines Umgangs mit den Menschenrechten umstrittene Land greift nach der Weltmeisterschaft und baut die heimische Liga groß auf. Cristiano Ronaldo ist schon da, weitere Superstars sollen folgen. Dafür werden die besten Klubs zu Unternehmen - unter einem Dach.
Hat Newcastle United bald Zugriff auf die alternden Fußball-Superstars Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und vielleicht sogar Lionel Messi? Der Premier-League-Klub hat sich erstmals seit 21 Jahren für die Teilnahme an der Champions League qualifiziert - auch dank der Millionen der neuen Eigentümer, hinter denen zu 80 Prozent der saudischen Staatsfonds (PIF) steckt. In der neuen Forbes-Liste der wertvollsten Fußballvereine der Welt steigt Newcastle auf Platz 22 ein. Innerhalb eines Jahres haben sie ihren Marktwert auf rund 750 Millionen Euro verdoppeln können. Und der Angriff auf den Weltfußball geht für den PIF munter weiter.
Jetzt nämlich im eigenen Land. Der PIF übernimmt die vier führenden Vereine der saudi-arabischen Profiliga. Darunter Al-Nassr, bei dem Cristiano Ronaldo seit dem Winter spielt und Al-Ittihad, die gerade dabei sind, den langjährigen Real-Star Karim Benzema zu verpflichten. Dazu übernimmt der Staatsfonds auch jeweils 75 Prozent der Anteile des amtierenden Asienmeisters Al-Hilal, der gerüchteweise an Weltfußballer Lionel Messi baggert, und Al-Ahli. Jeweils 25 Prozent der Anteile aller vier Klubs sollen an gemeinnützige Stiftungen des saudischen Sportministeriums übertragen werden, dem die Vereine bislang komplett gehörten, aber nicht von diesem kontrolliert wurden.
Weitere Stars sollen folgen
In den großen Ligen der Welt, wie der Bundesliga, der Premier League und auch LaLiga ist es verboten, dass mehrere Vereine am selben Wettbewerb teilnehmen. Bei den Red-Bull-Teams RB Leipzig und FC Salzburg gab es daher Beschränkungen der UEFA. Diese mussten Unterschiede in ihrer Organisationsstruktur nachweisen, um gleichzeitig an den europäischen Wettbewerben teilnehmen zu können. In Saudi-Arabien aber gibt es derartige Hürden nicht, sodass alle vier Klubs demselben Mehrheitsaktionär gehören können.
Die Eigentümer betonen ihrerseits, dass jeder Verein einen unabhängigen Vorstand und ein eigenes Management haben werde. Allerdings ist fraglich, wie viel Einfluss im Hintergrund genommen wird. Auf jeden Fall werden die Vereine mit der Übernahme in Unternehmen umgewandelt. Sie sollen attraktiver für internationale Stars werden.
Nationalspielern wie Luka Modrić, N'Golo Kante, Roberto Firmino und Hugo Lloris seien laut AFP bereits Angebote unterbreitet worden. Als weitere Kandidaten werden Sergio Ramos, Ángel Di María, Jordi Alba und Sergio Busquets gehandelt. Namen, die noch vor wenigen Monaten in Saudi-Arabien undenkbar gewesen wären - bis Ronaldo im Januar mit seinem Wechsel zu Al-Nassr den Stein ins Rollen brachte.
Dem saudischen Königshaus war es in den vergangenen Jahren besonders lästig, dass ausgerechnet Katar dem großen Nachbarn in der internationalen Sportpolitik den Rang abgelaufen hat. Das soll sich nun - wo die WM in Katar Geschichte ist - ändern. Saudi-Arabien giert seinerseits auf die Ausrichtung der WM 2030 oder 2034 - gemeinsam mit Griechenland und Ägypten.
Kronprinz bin Salman versprach zugleich, die Saudi Pro League unter die zehn besten weltweit zu bringen. Superstar Ronaldo kann sich da sogar noch ehrgeizigere Ziele vorstellen. "Meiner Meinung nach, wenn sie die Arbeit fortsetzen, kann die saudische Liga in fünf Jahren unter den besten fünf Ligen der Welt sein", sagte der Portugiese, der nach eigenen Angaben ein weiteres Jahr für Al-Nassr spielen wird.
Sportswashing nun auch im Fußball
Ronaldos 200 Millionen pro Jahr dürften bei Messi, der bereits jetzt Tourismus-Botschafter für Saudi-Arabien ist, noch deutlich getoppt werden. Für Benzema scheint die Aussicht auf 100 Millionen Euro pro Jahr reizvoller als weitere Titelchancen mit Real Madrid.
Um ihr Image scheinen sich die Superstars bei einem Wechsel nach Saudi-Arabien nicht zu sorgen. Kritiker werfen dem Land nämlich vor, mit dem Engagement im Profisport den eigenen Ruf aufpolieren zu wollen. Unter bin Salman hat sich das konservative Königreich gesellschaftlich zwar geöffnet und gewährt etwa Frauen mehr Freiheiten. Zugleich werden Gegner der Regierung weiter mit aller Härte verfolgt. US-Geheimdienste machen den Kronprinzen auch für den brutalen Mord an dem regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul verantwortlich.
Sollten die Stars tatsächlich alle nach Saudi-Arabien wechseln, würden sie wohl auf die vier nun zum PIF gehörigen Klubs sowie einen fünften, Al-Shabab, aufgeteilt werden. Die Saudi Pro League wird in der kommenden Saison auf 18 Mannschaften erweitert, jeder Klub darf dann bis zu acht ausländische Spieler einsetzen.
Bereits wenige Stunden nach seinem Wechsel zu Al-Nassr gab es von der spanischen Sportzeitung "Marca" Berichte um eine Sonderklausel im Vertrag Ronaldos, nach der der Portugiese in der Champions League spielen könnte, wenn Newcastle die Qualifikation schafft. Schon damals nannte eine Quelle von Al-Nassr die Meldung als "komplett falsch" - und mit den aktuellen Entwicklungen ergäbe es auch wenig Sinn.
Denn mit Newcastle United hat Saudi-Arabien ein sehr erfolgreiches Projekt international in die Spur und in die Berichterstattung gebracht, mit dem Pushen der eigenen Liga kommen neue Leuchttürme dazu. Denn ob es vorrangig um den Sport geht oder vielmehr darum, das schlechte Image aufzupolieren, ist wohl recht leicht zu beantworten. Das Sportswashing läuft bereits mittels Formel-1-Rennen, Golfturnieren und Box-Titelkämpfen. Doch die größte Aufmerksamkeit bringt eben der Fußball - koste es, was es wolle. Und dafür müssen die Superstars ins Land kommen und nicht in einer anderen Liga spielen.
Quelle: ntv.de, ara mit dpa/sid