Spaßvogel auf dem DFB-Abstellgleis Podolski will, aber wird er noch gebraucht?
11.10.2014, 11:38 Uhr
Er will es nochmal wissen: Lukas Podolski.
(Foto: dpa)
Seine Verwandtschaft ist stolz auf ihn - aber braucht ihn die DFB-Elf noch? Selbst Bundestrainer Joachim Löw tut sich schwer, die Rolle des Offensivspielers in seiner Mannschaft zu definieren. Weil er gar keine mehr spielt?
Falls Lukas Podolski einmal Frust schiebt, muss er sich nur die Zahlen anschauen. Die zu seinen DFB-Statistiken. 118 Fußball-Länderspiele hat er für Deutschland bestritten. Besser sind nur Lothar Matthäus (150) und Miroslav Klose (137), weil die bis ins hohe Alter nicht von der Nationalmannschaft lassen konnten. Hinzu kommen 47 Tore - vier mehr als Uwe Seeler, genauso viele wie die Sturmlegenden Jürgen Klinsmann und Rudi Völler.
Rein statistisch ist dieser Lukas Podolski einer der besten deutschen Fußballer aller Zeiten, und das mit gerade einmal 29 Jahren. Eigentlich müsste man auf den Herzenskölner wetten, dass er den Rekord für die meisten Länderspiele brechen wird und den für die meisten Tore vielleicht auch. Sein Problem ist: Seine Statistiken sind beeindruckend. Aber er beeindruckt im DFB-Trikot niemanden mehr. Auch nicht Bundestrainer Joachim Löw. Dabei ist Lukas Podolski doch Weltmeister. Seine Verwandtschaft ist stolz auf ihn, wie er am Freitag in Warschau sagte, vor dem Qualifikationsspiel gegen Polen (ab 20.45 Uhr bei RTL und im Liveticker auf n-tv.de). "Wenn ich ein Cousin von mir wäre, wäre ich genauso stolz."
Tatsächlich aber stellt sich seit geraumer Zeit die Frage, wie viele Länderspiele dieser Lukas Podolski überhaupt noch machen wird - und machen sollte. Ob er noch einmal über die Rolle des Mitläufers hinauskommen kann, die er seit der triumphalen Fußball-WM erst im DFB-Team und seitdem auch beim FC Arsenal offiziell bekleidet. Und ob ihm nicht im Gegensatz zu seinem Klubkollegen Per Mertesacker schlicht der Mut gefehlt hat, das nach einem mit dem WM-Titel gekrönten DFB-Jahrzehnt auch einzusehen.
„Sofort voll auf Touren“
Die Zeichen in Düsseldorf, Dortmund und nun auch Warschau deuten darauf hin, dass die ehrlichen Antworten von Löw auf diese Fragen "wenige", "nein" und "scho au möglich" lauten müssten. Es war fast schon rührend, wie sich der Bundestrainer auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Polen um seinen verdientesten Nationalspieler bemühte. Wie er betonte, dass Lukas Podolski "bei der Nationalelf immer vom ersten Tag weg seine Qualitäten einbringt und sofort voll auf Touren kommt", wie er ihm deshalb gegen sein Geburtsland einen Platz in der Startelf in Aussicht stellte. Und wie er andererseits seine Qualitäten als Joker pries, der von der Bank stets sofort da sei und Dynamik reinbringe.
Wer es nicht besser wüsste, hätte meinen können: Lukas Podolski ist in der DFB-Startelf unverzichtbar - als hypergefährlicher Einwechselspieler allerdings auch. Das Gegenteil ist der Fall. Die drängendste Frage für Löw ist nicht, ab wann Lukas Podolski am besten spielt - sondern ob überhaupt. Seit der EM 2012 hat der Offensivspieler unter Löw erst seinen Stammplatz auf der linken Offensivseite an Marco Reus verloren und dann auch seinen Platz als erster Joker an André Schürrle. Falls es bei einem WM-Triumph überhaupt Verlierer geben kann, gehörte Lukas Podolski neben den einsatzlosen Dortmunder Feldspielern dazu.
„Einfacher für mich als für die anderen Spieler“
Dass er einmal ein richtiger Stürmer war, hat Fußballdeutschland längst aus seiner Erinnerung gestrichen, obwohl die Planstelle im Sturm ohne Klose eine Problemstelle ist. Dass ein zwölfwöchiger Ausfall Lukas Podolskis ähnliche Bestürzung verursachen würde wie bei Mesut Özil, scheint ausgeschlossen. Dass er das alles nicht wahrnimmt, ebenfalls. Kein Platz in der Startelf gegen Polen, das würde ihn treffen.
Anzumerken ist es ihm nicht. In Warschau präsentierte er sich wie gewohnt als Frohnatur und betonte: "Ich freue mich hier zu sein. Ich kann die Sprache, es ist natürlich einfacher für mich als für die anderen Spieler." Spötter könnten anmerken, das sei seit dem Rücktritt des ebenfalls polnischstämmigen Miroslav Klose inzwischen sein größter Trumpf im DFB-Team. Symptomatisch für seinen neuen Stellenwert ist, dass er selbst dann nicht mehr mit einem Platz in der Startelf rechnen darf, wenn wie in Warschau mit Mesut Özil und Marco Reus zwei Drittel der offensiven Mittelfeldreihe verletzt ausfallen und Thomas Müller und Mario Götze als „falsche Neun“ gefragt sein dürften.
Ansprüche formulierte Lukas Podolski in Warschau trotzdem nicht, beim FC Arsenal ist er schließlich nicht einmal mehr Joker: "Jeder kennt die Situation beim Verein: Ich habe nicht den Spielrhythmus." In der vergangenen Woche hatte er offen darüber geredet, dass er den Klub verlassen will. Er sei fit, sagte Lukas Podolski, und würde bei einem Einsatz selbstredend auch gegen das Land, in dem er geboren wurde "kein Prozent nachlassen, um irgendwelche Geschenke zu verteilen". Wenn der Bundestrainer ihn denn lässt.
Quelle: ntv.de